7. April, Teil 1: Kyoto (Nördliches Kyoto)Heute morgen verlasse ich um viertel vor acht das Hotel, kaufe mir ein paar Snacks und mache mich auf ins nördliche Kyoto. Die Regenwolken von gestern sind verschwunden, die Sonne scheint, perfektes Wetter für den Kinkakuji, den goldenen Pavillon. Zuerst nehme ich die U-Bahn Richtung Kokusaikaikan bis Kitaoji. Dort stelle ich fest, dass ich zu wenig gezahlt habe. Völlig in Gedanken versunken habe ich einfach den Betrag für zwei Stationen in die Maschine geworfen, bin aber ein paar Stationen weiter gefahren. Also muss das Ticket in die Fare Adjustment Maschine, ich muss noch 50 Yen nachzahlen und kann mit dem neu ausgestellten Ticket die Kontrollstelle passieren.
Von hier aus nehme ich den Bus Richtung Kinkakuji-michi, der netterweise gut ausgeschildert ist. Man kann direkt von der U-Bahn-Station aus einsteigen. Eigentlich will ich mir ein Bustagesticket kaufen, aber irgendwie finde ich das nirgends, Pech gehabt, dann muss ich halt jede Fahrt einzeln zahlen. Bei den Gesamtkosten dieser Reise macht das jetzt auch nichts mehr aus.
Der Bus hält ca. 100 Meter vom Tempeleingang entfernt, und als ich dort ankomme, bietet sich ein ungewohntes Bild: gähnende Leere. Huch, was ist denn jetzt los? Ist der Tempel etwa geschlossen?
Ein Blick in meine Unterlagen verrät, womit ich jetzt überhaupt nicht gerechnet hatte: Der Tempel öffnet erst um neun, also in einer halben Stunde. Auch nicht schlimm, ich setze mich in die Sonne auf eine Bank und frühstücke erst mal gemütlich. Ein Holländer gesellt sich zu mir. Wir kommen ins Gespräch über unsere Reisepläne und Erlebnisse. Ich empfehle ihm die beleuchteten Kirschblüten im Nijojo, aber er winkt ab: Abends ist er immer so kaputt, dass er es nicht mehr aus dem Hotelzimmer hinaus schafft. Irgendwie bin ich ja erleichtert, sowas zu hören, denn ich verbringe die Abende nach den anstregenden Besichtigungen ja auch sehr gerne mit einem ausgedehnten Bed-In. Außerdem ist es nett, sich mal wieder in der eigenen Muttersprache unterhalten zu können, denn der Holländer spricht gut deutsch.
Inzwischen warten schon Menschenmassen besuchsbereit vor dem Tor, und kurz vor der Öffnung des Tempels erscheint ein Mitarbeiter und ermahnt uns eindringlich, wir dürften erst losstürmen, wenn BEIDE Flügel des großen Tors geöffnet seien. Mich erinnert das ganze irgendwie an die Steinigungs-Szene in „Das Leben des Brian“, bloß dass der Mitarbeiter keine Pfeife hat und zum Glück auch niemand gesteinigt wird. Kaum ist das Tor offen, geht es auch schon los, erst zum Ticketkauf, und dann ab zum Goldenen Pavillon. Ja, da ist er und leuchtet in der Sonne.
Der Goldene Pavillon blickt übrigens auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Zuerst wurde er im 14. Jahrhundert als Ruhesitz genutzt, 1408 wurde er zum Zen-Tempel. Das heutige Gebäude ist nicht das Original-Gebäude, denn der Pavillon ist mehrfach abgebrannt. Zuletzt passierte das im Jahr 1950. Da fand ein fanatischer Mönch ihn nämlich einfach zu schön, und weil er diese Perfektion nicht ertragen konnte, brannte er ihn nieder.
Der Besucher wird in einem Rundkurs vorbei am Pavillon und dem Teich und durch den kleinen Garten geführt.
Zum Schluss warten die üblichen Glücks-Verkaufsstände, dann steht man leider schon wieder draußen. Ich gehe zur Bushaltestelle Kinkakuji-mae vor den Tempeltoren und fahre mit dem Bus Nr. 59 ein paar Stationen weiter zum Ryoanji. Der Tempel beherbergt den berühmtesten Zen-Garten Japans.
Hier bewahrheitet sich, was ich mir vorher schon gedacht habe: Ich kann einem asketischen Zen-Steingarten nicht viel abgewinnen. Der Reiseführer verrät, man könne von keinem Standort aus alle Felsen im Steingarten sehen, weil immer mindestens ein Stein von anderen Steinen verdeckt sei. Ich setze mich neben die vielen andächtig schauenden Menschen und bemühe mich, auch ein wenig andächtig zu schauen und den Steingarten auf mich wirken zu lassen, gebe aber nach fünf Minuten auf und gehe weiter.
Im äußeren Tempelgarten finden sich noch ein Teich und blühende Kirschbäume, und so ein Garten ist dann doch wieder mehr nach meinem Geschmack.
Von hier aus geht es weiter mit dem Bus Nr. 59 bis zum Ninnaji-Tempel, und den mag ich sofort. Der Tempel wurde schon im 9. Jahrhundert gegründet und vom Kaiser Uda fertiggestellt und hat eine Besonderheit: Der Kaiser Uda zog sich hierher nach seiner Abdankung als Abt zurück, so dass der Tempel seit damals auch als kaiserlicher Palast gilt, und bis 1869 diente immer ein Sohn des Kaisers als Abt im Tempel. Linkss hinter dem großen Eingangstor ist der Zugang zu den ehemaligen Palastgebäuden.
Außerdem kann man das übrige Tempelgelände besuchen, das normalerweise kostenlos zu sehen ist, zur Kirschblütenzeit aber Eintritt kostet, also löhne ich die geforderten 500 Yen. Hier stehen auch einige spätblühende Kirschbäume, so dass sich ein Besuch vor allem dann lohnt, wenn man die eigentliche Kirschblüte verpasst hat, aber im Moment sind die Bäume noch nicht so weit. Die „normalen“ Kirschbäume stehen aber in voller Blüte.
Es ist mittlerweile schon kurz nach eins und ich will für eine kurze Pause zurück zum Hotel. Fröhlich steige ich in den vorher ausgekundschafteten Bus Nr. 26, aber nach ein paar Minuten merke ich, dass irgendetwas nicht stimmt: Eigentlich sollte der Bus Richtung Süden fahren, stattdessen fährt er einfach weiter geradeaus Richtung Westen. Eine kurze Nachfrage beim Busfahrer bestätigt, was ich mir inzwischen schon gedacht habe: Es ist die richtige Busnummer, aber die entgegengesetzte Richtung. Also raus und an der gegenüberliegenden Straßenseite an die richtige Bushaltestelle, und von hier aus fährt der Bus auch in einer Dreiviertelstunde zurück zum Hotel.
Meine im Hotelzimmer eingeplante Mittagspause schrumpft dadurch zwar auf eine halbe Stunde zusammen, aber immerhin reicht die Zeit, um mich umzuziehen und ein wenig die Füße hochzulegen.
Ende Teil 1