7.Tag, 26.4.2024, Freitag
Vom Schiff in der Wüste zu einem Abgrund mit RegenbogenUm 5 Uhr ist die Nacht beendet. Schnell ist das Gepäck in den Wrangler geladen, um die Ecke noch ein Kaffee besorgt und ich starte gen Westen. Heute gilt es eine 9 Jahre alte offene Rechnung zu tilgen. 2015 schon war ich auf dem Weg zum mystischsten Berg des amerikanischen Südwestens, dem Shiprock.
Der weithin sichtbare, fast 500 Meter hohe Fels gehört zu den ungewöhnlichsten Naturwundern des Südwestens. Steht man direkt davor, sieht er aus wie eine mittelalterliche Kathedrale. Wechselt man den Standpunkt, erinnert dieses ungewöhnliche Felsengebilde an einen Drachen, dessen gepanzerte Rückenschuppen aus der Erde ragen.
Was der Maelifell in Island das ist auch dieser Berg für mich, ein absolut faszinierender, die Fantasie anregender Monolith, weithin sichtbar aber nicht immer leicht erreichbar. Im Herbst 2015 nach schweren Regenfällen, war damals der Boden der Pisten so aufgeweicht, dass ich die Strecke abgebrochen hatte und schwer zu kämpfen hatte, mit dem Allrad damals zurück auf Asphalt zu kommen. Ohne eine Offroadvariante über einige Meter durch Büsche hätte ich das damals nicht geschafft. Der Boden wird hier nach Regen weich wie Seife die in Auflösung begriffen ist.
Heute sind die Pisten trocken und über Google Earth habe ich mir eine ganz andere Stelle ausgewählt an der ich meine Begegnung mit dem magischen Berg beginnen möchte, nämlich entlang der Lavamauer, die nördlich der geteerten Indian Service Road 13 zum Shiprock hinführt.
Langsam zeigen sich erste Sonnenstrahlen am Horizont der weiten Ebene im Osten. Die Vulkanwand wird in weiches Morgenlicht getaucht, der Shiprock, ein Felsen der wie ein mächtiges Schiff auf hoher See aus den wogenden Wellen ragt beginnt auf seiner Ostflanke zu leuchten und der Arbeitstag für meine Kamera beginnt.
Eine Piste führt zum Berg.
Der Shiprock, der den Navajo Indianern heilig ist, hat schon ein paar Tage auf dem Buckel. Er entstand vor etwa 30 Millionen Jahren. Flüssiges Magma, das sich 750 bis 1000 Meter unter der Erdoberfläche ansammelte, schoss in einer gewaltigen Eruption innerhalb eines schmalen Vulkanschlots nach oben, erstarrte aber kurz bevor es die Erdoberfläche erreichte. Das umgebende weichere Gestein des Vulkanmantels wurde durch Erosion im Laufe der Zeit vollständig abgetragen, so dass nur noch das dunkle Basaltgestein im Inneren des Schlots übrigblieb, das man heute sieht. Eine Besonderheit des Shiprock sind die vom Fels ausgehenden „Dikes“ - dunkle Lavamauern, die entstanden, als flüssiges Magma durch Erdspalten nach oben gepresst wurde.
Von dort verzweigen sich viele Routen nach Norden. Ein wahres Labyrinth an Straßen. Am einfachsten wäre es, wieder nach Süden zurück zu fahren und von dort auf der geteerten Straße weiter im Bogen nach Nordwesten.
Mich sticht mal wieder der Hafer und ich wähle eine der Piste die direkt nach Norden führt. Die Piste wird übler und verzweigt sich immer wieder. Es gleicht einer Lotterie die richtige Kombination dieser endlosen Abzweigungen zu erwischen. Weder mein GPS Programm Locus noch Google Maps haben hier eine Chance. Nachdem ich einige Zeit herumgeirrt bin erwische ich endlich ein Route, die mich nach Norden zum Highway 64 führt. Also eine Empfehlung für diese Variante nach Norden ab Shiprock kann ich beim besten Willen nicht abgeben.
Nach dieser Aktion brauche ich erst mal einen Kaffee. Danach geht es hinüber nach Utah und auf den Highways 162 und 191 zur Abzweigung einer der schönsten Straßen Nordamerikas – dem Highway 95.
Anders als in früheren Jahren, wo ich mehrere Ziele abseits des Highways auf dem Plan hatte, nehme ich mir diesmal Zeit, für das was es links und rechts dieser fantastischen Strecke zu entdecken gibt.
Irgendwann nach einbiegen auf die 95 lockt mich ein Blick in Landschaft eine Piste abseits des Highways zu nehmen.
Kurz danach erreiche ich eine Stelle wo ich den Wagen abstellen kann und kurz hinauf auf einen Slickrock-Hügel laufe. Von oben bietet sich dann dieser Überblick. Keine Landschaft die man auf ein Kalenderblatt nehmen würde aber für mich faszinierend schön und typisch für gerade diese Region, in der es viele dieser Felslöcher gibt. Nähe Moab ja einen ganzen Park voll davon.
Danach führt die Straße hinab in den Fry Canyon. Auf den folgenden Meilen gibt es immer wieder Möglichkeiten den Wagen am Straßenrand abzustellen und zu einer der vielen Schluchten zu spazieren, die den Highway nun permanent begleiten.
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Eine Stahlbrücke führt über den White Canyon und bietet lohnende Blicke in beide Richtungen, denn die Schlucht verengt sich hier spektakulär.
Danach geht es vorbei an löchrigem Slickrock über eine weitere Brücke, nämlich die des Colorado Rivers bei Hite Crossing.
Blick auf den Colorado.
Slickrock in Form von Schweizer Käse.
Vielleicht 700m nach der nächsten Brücke (Dirty Devil River – Zufluß des Colorado) parke ich meinen Wagen am Straßenrand (etwa bei 37.91163314648043, -110.39879094270619) und laufe wenige Meter zum Canyonrand nach Osten.
Die Szenerie hier ist für mich die schönste der ganzen Strecke. Tafelberge die einen Hauch Monument Valley vermitteln, ...
... die gewundene Schlucht des Dirty Devil River ...
... und ein knallbunter Slickrock mit starken Rot- und Gelbtönen, ...
... diverse Felswindungen in Wellenform, hier müsste man morgens oder abends unterwegs sein.
Auf dieser Strecke gibt es für die Kamera keine Erholungspause. Kurz danach folgt eine meiner Lieblingsstellen des Highways, wo sich die Straße fotogen durch eine Felslücke windet.
Wirklich Kilometer kann man auch danach nicht machen. Kaum dass man mit dem Auto wieder angefahren ist zweigt schon eine Straße zum Hite Overlook ab. Wer die auslässt ist selber schuld. Auf einem Plateau angekommen geht man zum Rand und hat den Colorado River in Nord und Südrichtung zu Füßen.
Mit seinen 2334 Kilometern, ist er der längste Fluß des amerikanischen Südwestens und wird landesweit nur vom Mississippi, Missouri und Rio Grande übertrumpft.
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Danach schaffe ich immerhin mal 12 Meilen nach Norden. Jetzt folgt die einzig geplante Exkursion am Highway 95. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten habe ich mir den Leprechaun Canyon herausgepickt, der mit wenig Aufwand einen tollen Slotcanyon bietet. Hier ist heute schon mehr los als vor 18 Jahren, als ich das letzte Mal hier war, ist aber trotzdem noch ok.
Im Canyon, den man nach 20-30 Minuten Gestapfe im Sand erreicht, bin ich dann ganz froh, dass ich auch ein paar Personen habe, die die Dimensionen des Canyons und der Slots verdeutlichen.
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Der Canyon verengt sich schließlich so sehr, dass ein Weiterkommen mit normalen Mitteln nicht mehr möglich ist. Der Umkehrpunkt ist erreicht.
Zurück am Wrangler geht es weiter nach Norden. Mein heutiges Tagesziel ist Hanksville wo ich gerne zum Abend vielleicht noch einen Ausflug machen möchte, also halte ich nun nicht mehr an und fahre bis Hanksville durch und checke kurz am Motel ein.
Von Rainer, mit dem ich im Austausch bin habe ich über das schlechte Wetter in der Region erfahren. Er war gestern in Torrey, gerade mal 50 Meilen von Hanksville entfernt mit Schneeregen unterwegs und hatte mir sogar abgeraten überhaupt in diese Region zu fahren.
Wettertechnisch war dieser Tag in Ost und West geteilt. Westlich katastrophal und bei mir etwas weiter östlich war der Tag bisher ja einwandfrei. Nun in Hanksville wird es spannend. Sonne, Regen, Gewitter – alles möglich und morgen auf jeden Fall zumindest morgens Regen. Na ja wenigstens mal nicht um 2:30 Uhr aufstehen nötig …
Ich überlege ob es sich bei dem sich anbahnenden Gewitter/Regenguss lohnt, nochmal aufzubrechen, entscheide mich dann aber dafür. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt…
Meine Wahl für den Abend fällt auf die Piste nordwestlich von Hanksville, vorbei am Factory Butte zum Moonscape Overlook oder auch Skyline View. Zumindest diese beiden Namen klingen ja schon mal vielversprechend. Da es den Tag über hier halbwegs trocken war, ist die Lehmpiste rumpelig aber ordentlich zu fahren. Auf dem Weg gibt es die ersten Regentropfen, kalt pfeift der Wind über die wenigen trockenen Gräser.
Schließlich erreiche ich den Overlook und für solche Momente wie diesen, an diesem Abend tut man sich einen Flug mit 12 Stunden, eine nervige Immigration und vieles andere an. Das sind die Momente die sich mit dem Lötkolben ins Gedächtnis einbrennen.
Das der Overlook eine fantastische Landschaft offenbart ...
... mit einer Abbruchkante und epischer Badlandslandschaft darunter, ...
... die im Osten von einer „Naturburgmauer“ aus mystischen Buttes eingerahmt wird, ist das eine.
Dass sich dahinter aber eine schwarzblaue Gewitterstimmung als Hintergrund geschoben hat und die Sonne auf diese verrückte Szenerie leuchtet ist das andere.
Dass es gerade mal einige Minuten nicht regnet hilft mir, denn sonst würde es mir in meinen weit offen stehenden Mund hineinregnen. Für diese Mondlandschaft passt „Moonscape Overlook“ eindeutig besser.
Nachdem der Moment der Schockstarre vorbei ist, knipse ich los wie ein Verrückter (na ja also eigentlich wie eben ich).
Die Lichtstimmung steigert sich immer mehr um so bedrohlicher das Gewitter heranrückt. Schließlich folgt ein erster Regenguss und ich verziehe mich in den Wrangler. Zurück fahre ich allerdings noch nicht. Irgendwas hält mich noch hier. Vorsorglich habe ich mir etwas zum Essen mitgenommen und so gibt es Salat mit Ranchdressing, Brot und Schinken. Nachdem der erste Hunger gestillt ist gucke ich in den Rückspiegel der auf die Felswand im Osten blickt und da trifft mich fast der Schlag. Der Salat und das Essen sind vergessen. Ich stürze aus dem Auto, packe meine Kamera und renne zum Rim.
Irre, ein Regenbogen der sich im Übrigen über die komplette Landschaft zieht aber von der Kamera nur teilweise eingefangen werden kann, da ich hier nicht genug Weitwinkel habe. Egal. Bei allen Errungenschaften die der Mensch vollbracht hat, wie lächerlich ist das gegenüber dem, was die Natur zustande bringt.
Der Regenbogen ist bestimmt 20 Minuten zu sehen aber irgendwann ist die Show vorbei, ...
... die Sonne ist weg und der Regen kommt. Zeit den Rückzug anzutreten, um die Piste noch halbwegs in trockenem Zustand fahren zu können.
Den Tag morgen bekomme ich schon rum und vielleicht wird er ja besser als manche Prognose.
Übernachtung: Whispering Sands Motel, Hanksville, Utah, 168 €