12. Tag – Samstag, 15.06.Nur ein paar hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt befindet sich der öffentliche Strand der Gemeinde Kovero. Badewetter gibt es in diesem Urlaub keins, den Strand möchte ich mir trotzdem anschauen, daher ist dort mein erster Stopp heute.
Der Badebereich ist sehr nett angelegt mit Parkplatz, Spielplatz, Toiletten, Umkleiden und einem Holzsteg in den See.
Gegen 9 Uhr fahre ich weiter, zu meinem Wanderziel heute ist es nicht weit, ca. 45 Minuten dauert die Fahrt in den Petkeljärvi Nationalpark, dieser liegt wie auch der Patvinsuo Nationalpark (vorgestern) und die Ruunaa Hiking Area (gestern) in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze.
Gleich bei der Einfahrt in den Nationalpark stoppe ich kurz an einem idyllischen See,
dann fahre ich weiter zum Parkplatz beim „Petkeljärvi Nature Information Hut and Outdoor Centre“ auf der Halbinsel Petraniemi. Hier gibt es einen Campingplatz, ein paar einfache Zimmer und ein Restaurant mit Touristen Info und Souvenirshop.
Gleich beim Aussteigen bemerke ich auch heute viele Mücken, ich creme mich daher auch gleich ein und gehe wie immer, erstmal ohne Kopfnetz los. Ich schaue mir kurz die Infotafel an und werde von einem Mitarbeiter des Parks angesprochen (gestern von einem Finnen angesprochen und heute schon wieder, wie erstaunlich), wir unterhalten uns kurz, auch über die Mosquitos, warum es dieses Jahr im Unterschied zu letztem Jahr schon Anfang Juni so viele hat, weiß er aber auch nicht.
Besonderheit der Landschaft in diesem Nationalpark sind die Esker-Landrücken, schmale Landzungen, die in die zahlreichen Seen ragen und aus von eiszeitlichen Schmelzflüssen mitgeführtem Schutt bestehen. Diese Landrücken sind typisch für die gesamte Region, letztes Jahr war ich an einem besonders großen Exemplar davon, dem Punkaharju, eine der Nationallandschaften Finnlands, aber auch im Päijänne Nationalpark gab es diese Landrücken.
Bald schon ziehe ich mein Kopfnetz an, das scheint der Mückenhöhepunkt der Reise zu sein heute. Der Weg hat leider häufige zwar kurze, aber recht steile An- und Abstiege, nicht ganz ideal für mein Bein, aber nun bin ich schon hier, da führe ich die Wanderung auch durch.
Leider verschwindet die Sonne bald hinter vielen Wolken, was zusammen mit dem Blick durch das Mückennetz und den Bäumen für einen etwas düsteren Eindruck der eigentlich schönen Umgebung sorgt. Zum Glück kommt aber auch immer wieder die Sonne hervor, zusammen mit den Wolken führt das auch heute zu herrlichen Spiegelungen im Wasser.
Gegen Ende des Rundwegs gibt es die Möglichkeit one-way auf einem weiteren Höhenrücken entlang zu wandern, was ich mache. Schon nach kurzer Zeit donnert es und tröpfelt ein wenig, erstaunlich, sofort sind die Mücken verschwunden.
Wegen des Donners bin ich natürlich etwas besorgt, gehe aber weiter, kurz davor sind mir zwei andere Wanderer entgegengekommen, das beruhigt immer ein bisschen.
Nach dem der Regen aufhört sind die Mücken gleich wieder da, ich nutze eine Stelle mit etwas weniger der Plagegeister, weil etwas außerhalb des Walds und einem schwachen Windzug ausgesetzt und mache auf einem Felsen meine Mittagspause.
Ich gehe danach noch weiter, nun wird der Weg aber immer unangenehmer für mich, sehr viele Steine und kleine Felsen müssen umgangen werden, es geht noch steiler als bisher bergauf und bergab. Plötzlich raschelt es direkt neben mir und neben meinem Fuß schlängelt sich eine grau-schwarze Schlange, deutlich größer als eine Blindschleiche, durch die alten Blätter, Nadeln und was sonst so auf dem Waldboden liegt. Mir bleibt vor Schreck fast das Herz stehen, mit einer Schlange habe ich nun überhaupt nicht gerechnet.
(Da ich natürlich kein Foto von der Schlange habe, bin ich nicht sicher, welche Art von Schlange es war. Es gibt in Finnland drei Schlangenarten: die Schlingnatter, die Ringelnatter und die Kreuzotter, wobei die Schlingnatter nur auf den Aland-Inseln vorkommt. Nach Infos und Fotos im Internet gehe ich davon aus, dass es eine Kreuzotter war). Kurz darauf raschelt es schon wieder, diesmal weiter weg, aber viel lauter, zum Glück ist es nur eine Ente, die sich irgendwie im Unterholz bewegt und in Richtung See verschwindet. Nun habe ich aber genug, schon länger bin ich niemand anderem mehr begegnet, das Rascheln, der Donner, der leichte Regen – ich entscheide mich (wohl kurz vor Ende des Höhenrückens) umzudrehen.
Ohne weitere Probleme erreiche ich den Rundweg und treffe auch wieder auf andere Wanderer, der Donner hat sich nicht wiederholt und es regnet auch nicht mehr, na da war ich unnötig ängstlich. Für den kurzen Rest des Wegs kann ich mir nun immerhin entspannt Zeit lassen.
Gegen 14 Uhr erreiche den Parkplatz und schaue mir auf dem Gelände noch die restaurierten Schützengräben an, die 1940 für den Krieg gegen Russland hier angelegt wurden.
Dann gibt es im Restaurant noch Kaffee und Pulla (EUR 5,00), draußen sitzen ist wegen der Mücken nicht möglich.
Während ich im Restaurant bin, kommt eine finnische Familie herein, die ich auch bei meiner Wanderung schon gesehen habe, sie haben wegen der Mücken nicht nur Kopfnetze, sondern Anoraks/Regenjacken an und die Kapuzen über den Kopf gezogen, das wäre mir viel zu warm beim Wandern. Und tatsächlich, als sie ihre Jacken ausziehen, sieht man an den T-shirts wie komplett verschwitzt alle sind. Also dann doch lieber ein paar Mückenstiche, die, wie ich auch schon letztes Jahr festgestellt habe, zwar riesig sind, aber schon nach zwei Tagen wieder verschwinden und gegen den Juckreiz hilft sogar ein einfaches Mittel vom Aldi in Deutschland.
Hier gibt es auch T-shirts und ich frage das Mädel an der Kasse nach Aufdruck, Farben und Größen, wie immer auf Englisch, sie fragt dann, ob wir auch Deutsch sprechen können, das könne sie viel besser als Englisch – na klar, sehr gerne.
Gegen 15 Uhr fahre ich in den nahegelegenen Ort Ilomantsi, es ist die östlichste Gemeinde Finnlands und Zentrum des karelischen Traditionalismus.
Ich schaue mir zunächst das Runendorf Parppeinvaara am Ortsrand an, ein Freilichtmuseum mit mehreren historischen Gebäuden, die aus ganz Karelien hierhergebracht wurden bzw. teilweise hier schon ursprünglich standen. Das Museum ist benannt nach dem Runensänger Jaakko Parppein, der in einer der Hütten hier lebte. Runen sind Verse aus dem finnischen Nationalepos Kalevala, die hauptsächlich in Karelien von vielen Sängern gesungen bzw. rezitiert wurden, auch das finnische Nationalinstrument, die Kantele kam dabei zum Einsatz.
Direkt neben dem Parkplatz, etwas von den eigentlichen Museumsgebäuden entfernt, ist ein Restaurant mit karelischen Spezialitäten, das Holzhaus ist im karelischen Stil gebaut mit den typischen Verzierungen.
Im Hauptgebäude des Museumsdorfs bezahle ich meinen Eintritt (EUR 10,00) und schaue mir die dort untergebrachte Ausstellung an. Es werden Einzelheiten zum Inhalt der Kalevala, wie es z.B. zur Entstehung der Welt kam, dargestellt, auf die Volksmythen wird eingegangen und auf die Runen. In einem weiteren Raum werden typische Tiere aus der Gegend in ausgestopfter Form gezeigt, darunter auch ein großer Bär und die Lebensweise der Menschen in Karelien in der ferneren und näheren Vergangenheit erklärt.
Im Außenbereich schaue ich in mehrere sehr kleine einfache (ehemalige Wohn-) Hütten, in denen handwerkliche Dekogegenstände ausgestellt sind, die hauptsächlich zu Weihnachten die Häuser und Wohnungen der Leute hier schmücken.
Ich komme zu einer kleinen orthodoxen Kapelle, die aber aus den 1970iger Jahren stammt und extra für das Freilichtmuseum gebaut wurde.
Nächster Punkt ist die „Hütte des Grenzgenerals“, in der Generalmajor Erkki Raappana während des Kriegs 1941-1944 lebte. Die Hütte stand damals an der Front im jetzt russischen Karelien. Nach dem Krieg wurde die Hütte nach Finnland gebracht, zunächst an einen See nördlich von hier, 1984 wurde sie dann hier ins Freilichtmuseum versetzt.
In der Hütte wird ausführlich auf das Leben des Generals in dieser Hütte eingegangen, viele Fotos wie und wo er gegessen, geschlafen, Briefe geschrieben, Sport gemacht hat, sind zu sehen, seine Frau und Kinder waren jedes Jahr in den Sommermonaten zu Besuch. Finnland hatte in dieser Zeit die deutsche Wehrmacht bei ihrem Einmarsch in und dem Krieg gegen Russland unterstützt, in der Hoffnung, die im sog. Winterkrieg an Russland verlorenen Gebiete wieder zurückzuholen. Die deutschen Truppen hatten in Finnland viele Lager und viele Finnen traten in die deutsche Armee ein. Der Sohn des Generals Raappana war sogar bei der SS, was unkommentiert in der Hütte erzählt wird.
Abschließend schaue ich mir die Hütte des Runensängers Parppein an, hier sind einige Kantelen zu sehen, hauptsächlich wird der große Raum im Erdgeschoss der Hütte für musikalische Darbietungen genutzt.
Die Dame, bei der ich meinen Eintritt gezahlt habe und die eine karelische Tracht trägt, kommt, als ich in der Hütte bin, herein und bietet an, ein Stück auf einer Kantele zu spielen. Das höre ich mir natürlich sehr gerne an, eine Kantele hat Ähnlichkeit mit einer Zither und hat sich im Lauf der Jahre vom kleinen, einfachen Holzbrett mit ein paar Drähten zu einem modernen Instrument mit vielen Einstellmöglichkeiten entwickelt. Ich bedanke mich für das Spiel (ist mir immer etwas unangenehm so als alleiniger Zuhörer, aber es sind nur eine Handvoll anderer Besucher im Freilichtmuseum, die alle gerade an anderer Stelle sind) und verlasse dann das Museum.
Ich fahre in den Ort und schaue mir dort die schöne rote lutherische Holzkirche an, sie wurde/wird gerade renoviert, ob sie geöffnet ist, weiß ich nicht, meinem Bein kann ich jedenfalls den Weg vom Parkplatz bis zur Kirche nicht mehr zumuten.
Das gilt dann leider auch für die orthodoxe Kirche, die die größte orthodoxe Holzkirche Finnlands ist, der Parkplatz ist hier noch viel weiter von der Kirche entfernt, als bei der lutherischen.
Letzter Stopp des Tages ist der Wasserturm von Ilomantsi, dessen oberster Raum seit einigen Jahren als Bar / Café genutzt wird. Hier gibt es sogar endlich mal einen richtig leckeren Cappuccino mit cremigem Milchschaum (der Barkeeper musste allerdings nach meiner Bestellung erstmal nachschauen, ob sie wirklich einen Cappuccino anbieten und dann in einer Anleitung lesen, wie die Maschine zu bedienen ist, da hat wohl schon lange niemand mehr einen Cappuccino bestellt, aber es ist ihm gut gelungen). Ich genieße die herrliche Aussicht von der offenen Terrasse und beobachte ein bisschen die erstaunlich zahlreichen anderen Gäste (Ilomantsi hat nur 4700 Einwohner), alle wohl aus Ilomantsi und Umgebung, viele junge Leute, die wahrscheinlich den Samstagabend entweder hier verbringen oder zumindest einläuten.
Gegen 18 Uhr bin ich zurück in meiner Unterkunft – und kriege die Haustüre zum Gebäude nicht auf! Ich ziehe und drücke und drehe den Schlüssel in alle möglichen Richtungen, erfolglos. Es ist mir sehr unangenehm, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Vermieterin anzurufen. Zum Glück wohnt Jaana in einem Haus, das ebenfalls auf dem Gelände der ehemaligen Schule liegt, da hat sie es nicht weit und ich muss nicht lange warten. Ich entschuldige mich natürlich und wir unterhalten uns noch kurz darüber was ich heute unternommen habe und über die vielen Mücken. Sie erzählt, dass der vergangene Winter extrem schneereich und sehr kalt war und bis Ende April gedauert hat, im Mai ist dann von heute auf morgen der Sommer eingezogen mit Temperaturen über 20°C und fast nur Sonne.
Wetter: teils sonnig, teils bewölkt, ein paar kurze, leichte Regenschauer, ca. 17° - 22°C
Wanderung: Wanderung im Petkeljärvi Nationalpark, 8,1 km