3. Tag – Donnerstag, 06.06.
Heute Vormittag soll es bewölkt sein, eventuell etwas regnen, am Nachmittag dann aber wieder sonnig. Damit kann ich bei meinem Plan, vormittags Stadtbesichtigung, nachmittags Schifffahrt zu einer Insel, bleiben.
Gegen 8.15 Uhr fahre ich ca. eine Stunde nach Süden in die Stadt Rauma und finde gleich am Rande der Altstadt einen Parkplatz, auf dem ich für 4 Stunden kostenlos mit Parkscheibe stehen kann.
Rauma hat 39.000 Einwohner und ist für seine Altstadt, die Teil des UNESCO Weltkulturerbe ist, bekannt. Ungefähr 600 Holzgebäude aus dem 16. – 19. Jh sind hier auf 30 ha Fläche erhalten, das ist das größte geschlossene Holzhausareal in ganz Skandinavien.
Noch ist es wunderbar ruhig in der Stadt, fast alle Geschäfte sind noch geschlossen und nur wenige Leute sind zu sehen. Ich folge zunächst dem im Reiseführer vorgeschlagenen Rundgang vorbei an den interessantesten Häusern. Viele sind aufwendig verziert, andere schlicht, einige stehen leer und sind renovierungsbedürftig, andere sind gut erhalten und gepflegt.
Zum Ende meines ersten Rundgangs durch Raumas Altstadt komme ich zur evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche aus dem 16. Jh. Ein Hausmeister (?) öffnet gerade die Türen, da frage ich doch gleich, ob man schon den Innenraum besichtigen kann. Ich werde freundlich hereingebeten, bekomme einen Flyer sogar auf Deutsch und schaue mir die Kanzel mit den Holzschnitzereien (von ca. 1625, gefertigt in Norddeutschland), die herrliche Decken- und Wandbemalung (aus dem 16. Jh.), das bunte Glasfenster (von 1891, gefertigt in Berlin), die Orgel und den dreiflügeligen Altar (aus den 40iger Jahren des 15. Jh., gefertigt in Preußen, wurde 1629 der Kirche gestiftet) an.
Der „Hausmeister“ bittet mich, ins Gästebuch zu schreiben, was ich natürlich mache, dann verlasse ich die Kirche, draußen spricht er mich nochmal an und erzählt mir einiges zu Rauma und den Sehenswürdigkeiten auf Deutsch und etwas ausführlicher auf Englisch, sehr nett.
Ab zehn Uhr öffnen die Geschäfte und es wird lebhafter, ich bummle planlos durch das Gassengewirr und freue mich über die vielen bunten Farben und die immer wieder unterschiedlichen Holzverzierungen. Auch schaue ich in ein paar Geschäfte hinein, ich brauche Postkarten, aber das wird dieses Jahr offensichtlich genauso schwierig wie letztes Jahr, in Finnland sind abseits von Helsinki Postkarten kaum zu bekommen, selbst an so einem touristischen Ort suche ich vergeblich. Man könnte auch ein paar der Häuser, die als Museen eingerichtet sind, von innen besichtigen, darauf habe ich aber keine Lust
(was mich jetzt nachträglich doch etwas ärgert).
Gegen Viertel nach 11 Uhr fahre ich zum Yachthafen der Stadt. Dort fährt um 12.30 Uhr ein Boot zur Insel Kylmäpihlaja, die auch zum Selkämeri Nationalpark gehört. Ich habe noch kein Ticket, das kann man entweder im Internet kaufen oder ab einer Stunde vor Abfahrt auf bzw. vor dem Schiff. Am Hafen gibt es genügend freie Parkplätze (kostenlos), eine öffentliche Toilette und ein Café, aber keinen Ticketverkäufer. Ich frage im Café nach, dort kennt man sich aber damit nicht aus. Also warte ich eben. Erst nach 12 Uhr kommt dann die Schiffsbesatzung und ich kann mein Ticket kaufen (EUR 30,00). Vor der Abfahrt esse noch meine belegten Brötchen zu Mittag.
Die Fahrt dauert eine Stunde, man fährt durch die Schären und macht einen Stopp an einer weiteren Insel des Selkämeri Nationalpark, Kuuskajaskari. Diese ist größer als Kylmäpihlaja und es gibt einige Wanderwege, weshalb ich ursprünglich vorhatte, diese Insel zu besuchen. Da ich nun wegen meines Beins nicht wandern kann, habe ich mich für Kylmäpihlaja entschieden, da kann ich auf kurzen Wegen alles anschauen.
Wie vorhergesagt wird es im Laufe der Fahrt immer sonniger, schon von weitem ist die Insel und der etwas merkwürdig aussehende Leuchtturm (noch aktiv), für den die Insel bekannt ist, zu sehen.
Im Leuchtturm gibt es einige Zimmer und im Gebäude daneben ein Restaurant, außerdem stehen einige neuere Übernachtungshütten mit freiem Meerblick auf den Granitfelsen, ein Gebäude mit Duschen und Toiletten, sowie ein Café mit Souvenirshop. Zur Hauptsaison wird es hier sehr voll werden, auch jetzt sind schon ziemlich viele Besucher unterwegs, auf dem Schiff waren viele, die Gepäck dabeihatten, also auf der Insel übernachten.
Ich umrunde die Insel, soweit es geht, ein Teil ist wegen brütender Vögel gesperrt, setze mich immer wieder auf die Felsen und genieße Sonne und Ausblick.
Dann mache ich mich an den Aufstieg zur Aussichtsplattform des Leuchtturms, von oben kann man die gesamte Insel überblicken und viele weitere kleinere und größere Inseln sehen.
Auf der Außenterrasse des Cafés gibt es einen Kaffee und Pulla (Zimtschnecke bzw. Hefegebäck allgemein) (EUR 5,30) für mich bevor das Schiff um 15.30 Uhr wieder ablegt.
Nun ist es warm genug, dass man die komplette Rückfahrt auf dem Außendeck des Schiffs verbringen kann. Das ist deshalb bis auf den letzten Platz gefüllt und von wegen die Finnen sind so schweigsam, obwohl sich nur einzelne Personen untereinander kennen, unterhalten sich alle miteinander, es wird viel gelacht, eine sehr nette und entspannte Stimmung ist das (ich bin die einzige Ausländerin und verstehe leider kein Wort von dem was gesprochen wird).
Zurück am Hafen gehe ich noch auf den kleinen hölzernen Aussichtsturm (daneben wird gerade ein neues Restaurant gebaut), von hier hat man einen schönen Blick auf die Boote und die umliegenden Häuser, die oft direkt am Wasser stehen, natürlich mit eigenem Bootsanleger am Grundstück.
Für den Rückweg nach Pori bzw. Pihlava habe ich noch einen etwas speziellen Zwischenstopp eingeplant, nämlich das Atomkraftwerk Olkiluoto. Dort wurde erst in den letzten Jahren ein großer dritter AKW Block neben den beiden älteren Blöcken gebaut (2023 in Betrieb genommen, seither muss Finnland keinen Strom mehr aus Russland importieren) und es gibt erstaunlicherweise (natürlich etwas entfernt vom eigentlichen Kernkraftwerk) ein modernes, großes Besucherzentrum mit einer Ausstellung zur Funktionsweise eines Atomkraftwerks, angefangen mit dem Uranabbau bis zur Entsorgung der Brennstäbe. Finnland hat sich für die Atomkraft entschieden, baut diese weiter aus und baut immerhin als einziges Land weltweit seit ein paar Jahren an einer eigenen dauerhaften Endlagerstätte für hochradioaktiven Atommüll (und zwar auf dem Gelände von Olkiluoto), die in den nächsten Jahren fertig sein soll. Früher wurde der Müll hauptsächlich nach Russland bzw. in die damalige Sowjetunion zur Entsorgung gebracht.
Die Ausstellung ist erstaunlich groß und ausführlich, es gibt auch viele „Mitmachstationen“, z.B. kann man verschiedene Gegenstände unter einen Geigerzähler legen (und sieht dabei, dass auch Alltagsgegenstände schwach strahlen) oder in einen Aufzug steigen, in dem die Fahrt hinunter in die Lagerstätte simuliert wird (das ist irgendwie total unheimlich, obwohl ich natürlich weiß, dass sich der „Aufzug“ gar nicht bewegt). Es ist schon recht spät, so dass ich keine Zeit mehr habe, mir alles anzuschauen, aber man kann eine ausführliche Broschüre (samt Papiertasche mit Kraftwerksmotiv) mitnehmen, die sehr viel von der Ausstellung enthält, so dass ich später nachlesen kann.
An der Rückseite des Gebäudes kann man ins Freie, dort ist eine große Terrasse mit Tischen und Stühlen und der Beginn eines Nature Trails mit Erklärungstafeln zu Pflanzen -und Tierwelt und einem Blick hinüber zum Kraftwerk (jetzt am Abend leider im Gegenlicht).
Auch wenn ich kein Freund der Atomkraft bin und froh bin, dass wir in Deutschland uns zur Abschaltung aller Werke entschieden haben, finde ich es wirklich gut, dass Finnland so offen damit umgeht, auch wenn es in der Ausstellung keinerlei kritische Töne gibt, aber sie ist doch sehr informativ (alles ist im Übrigen kostenlos, es gibt keinerlei Personenkontrollen, obwohl im Reiseführer steht, dass man den Ausweis bereithalten soll, da man sich ja auf dem Gelände des Atomkraftwerks befindet).
Gegen 18 Uhr fahre ich weiter und bin gegen 18.45 Uhr zurück in der Ferienwohnung.
Wetter: vormittags bewölkt, kurzer Regenschauer, ab 13.30 Uhr sonnig, ca. 18°C