5.Tag, Mittwoch 2.8.2023Heute nehmen wir vorerst Abschied vom Festland. Am Morgen fahren wir nach Scrabster und reihen uns ein in die wartenden Autos für die Fähre nach Stromness auf Mainland Orkney.
Schon 15 Minuten vor der Zeit legt die North Link Ferry um 8.45 vom Fährhafen in Scrabster ab.
Die Fähre ist modern eingerichtet und bietet auch Verköstigung und für uns am wichtigsten natürlich Kaffee.
Die Fährfahrt dauert 90 min und bietet vor allem zwei Gelegenheiten – zum einen natürlich den Blick auf den alten Mann von Hoy – die Felssäule Old Man of Hoy auf der Orkney-Insel Hoy ...
... und sich schon mal auf die Orkney Inseln einzulesen die wir bald betreten.
Schließlich erreichen wir Mainland Orkney und fahren einige Minuten entlang der Küste.
Wasser und Stein. Diese Elemente formten und formen noch heute – Orkney, die Inselgruppe über der Nordspitze des schottischen Festlands.
Hier treffen die Gewässer der Nordsee und des Atlantiks aufeinander und schleifen große Eilande aus dem roten Sandstein. Auf ihnen erstreckt sich ein grüner Teppich der im Hochsommer noch vom lila der blühenden Heide ergänzt wird. Nur Bäume oder gar Wälder gibt es kaum. Darum konnten die Bewohner der Orkneys kein Holz als Baustoff nutzen. Sie wichen deshalb auf Fels aus. Noch heute können Besucher eine Stein-Architektur bestaunen, die bis ins Jahr 3000 vor Christus zurückreicht.
Die Orkneys waren nicht immer Teil von Schottland - sie kamen 1474 dazu, nachdem König Christian I. von Norwegen, Orkney und Shetland gegen die Zahlung der Mitgift seiner Tochter verpfändete, als diese König James III. von Schottland heiratete. Damals gab’s halt noch richtige Geschenke, nicht nur einen Amazon-Gutschein…
Man hörte zuletzt übrigens auch von Strömungen in der Bevölkerung sich von Britannien abwenden und sich wieder Norwegen anschließen zu wollen.
Dafür, dass diese Inseln so vermeintlich ab vom Schuss sind, war hier in den letzten 7000 Jahren ganz schön was los. Die Geschichtsbücher der Inseln sind prall gefüllt und selbst ein notorischer Geschichtsmuffel wird auf den Inseln von der Wucht mancher Ereignisse und der Faszination vergangener Kulturen erfasst werden.
Erreicht man Stromness auf dem Wasserweg, mit der Fähre von Scrabster, eröffnet sich ein herrlicher Blick auf die unvergleichliche alte Steinstadt.
Wir beginnen unser Abenteuer Orkney am Hafen von Stromness, wo unser Mietwagen wieder festen Boden unter die Räder bekommt nur um gleich wieder abgestellt zu werden.
Biergarten am Hafen von Stromness
Da wir hier einkaufen wollen, unternehmen wir in der mit 1800 Einwohnern zweitgrößten Metropole auf den Orkneys (nach der Hauptstadt Kirkwall) noch einen kleinen ersten Rundgang. Wir kommen an den nächsten Tagen hier sowieso wieder vorbei um uns den Ort nochmal in Ruhe anzusehen.
Die kleine Hafenstadt gilt als das architektonische Juwel der Inseln, ist seit Jahrhunderten unverändert geblieben und hat ihren ursprünglichen maritimen Charme mit ihren engen, kurvenreichen Gassen, Häuserterrassen und steilen Gängen bewahrt.
Das Meer bestimmte seit je her das Leben in diesem Ort. Es war ein sicherer Hafen für die Wikinger, Walfangstation und wichtiger Hafen für die Heringsfischerei.
>>>Klick >>> Bessere Orkney Karte von Wikipedia Je nachdem wie man zählt umfasst das Archipel 62-70 Inseln, von denen knapp 20 Inseln mit insgesamt 22.000 Menschen bewohnt sind.
Wir wollen 3 Tage auf den Orkneys bleiben und uns auf dem großen Mainland stationieren. Ein Blick auf die Karte ist nötig um sich einen Überblick zu verschaffen.
Die Inseln sollen von ihrem Charakter höchst unterschiedlich sein. Hoy besitzt als einzige Berge, andere wie Westray und Sanday karibisch anmutende Sandstrände usw..
Bemerkenswert ist die Meeresbucht Scapa Flow, die sich aus der Lage der im südlichen Teil der Orkney Inseln Mainland, Burray, South Ronaldsay, Flotta und Hoy ergibt. Dadurch entsteht eine Art geschlossener Innensee von etwa 10 km × 15 km Fläche mit Ein- und Ausgängen. Dramatische Ereignisse der jüngeren Vergangenheit mit deutschen Protagonisten haben sich hier abgespielt, doch dazu später mehr.
Werfen wir zunächst einen Blick in die ältere Vergangenheit der Orkneys.
Nicht weit von Stromness entfernt, auf einem mit Heidekraut bewachsenen Hügel, erhebt sich ein gigantischer, an Tolkiens Romane erinnernder Steinkreis, der Ring of Brodgar. Da noch keine umfangreichen Ausgrabungen stattgefunden haben, können die Wissenschaftler sein Alter nur schätzen: Etwa zwischen 2700 und 2000 vor Christus soll er entstanden sein, also bis zu 4700 Jahre alt (also vergleichbar den ältesten Pyramiden Ägyptens).
Auf der Landzunge zwischen zwei großen Seen formen 27 Megalithen diesen 4700 Jahre alten Steinkreis von mehr als 100 Metern Durchmesser, größer als Stonehenge. Er gehört - zusammen mit drei weiteren Orten wie der uralten Siedlung Skara Brae - zum "Herz des neolithischen Orkneys", Unesco-Weltkulturerbe seit 20 Jahren. Es gibt aber noch viel mehr Stätten unter dem Boden die noch nicht ausgegraben wurden weitere, wie z.B. den Ness of Brodgar wo Archäologen gerade Ruinen einer riesigen „Akropolis“ ausgraben, die aber 2500 Jahre älter als die in Griechenland ist.
Auf den Orkney-Inseln gibt es mehr antike Stätten als irgendwo sonst auf der Welt, weshalb sie gerne auch als Ägypten des Nordens" bezeichnet werden. Viele dieser magischen Orte sind noch unentdeckt oder liegen unter anderen die man nicht zerstören möchte.
Der Ring hat beeindruckende Ausmaße: Insgesamt gab es einst 60 Steine, der Durchmesser des Kreises ist mit 104 Metern recht groß (es gibt nur zwei größere in Großbritannien: Avebury und Stanton Drew). Jetzt stehen noch 21 Steine, meist um die zwei Meter hoch. Einer allerdings erreicht fast 5 Meter Höhe.
Wissenschaftler haben zudem errechnet, dass für den Bau damals rund 80.000 Arbeitsstunden benötigt wurden und insgesamt 12.000 Tonnen Gewicht bewegt werden mussten. Alles ohne Maschinen, versteht sich.
Dass der Zufall keine Rolle spielte, zeigt der Kreis selbst, der als einer der genauesten Steinkreise überhaupt gilt. Trotz seines Umfangs ist er nicht nur exakt kreisrund, auch die Steine wurden in nahezu gleichen Abständen gesetzt. Laut Herrn Google wurde der Kreis in Europa erstmals 400 vor Christus erwähnt.
Wer hier, unter dem dramatischen Himmel, dem weiten Horizont innehält, kann gedanklich Tausende Jahre in die Vergangenheit reisen und sich Szenen von Ritualen ausmalen, die bis heute rätselhaft geblieben sind.
Bevor wir unsere Eindrücke von Mainland Orkney weiter vertiefen fahren wir erstmal zu unserem Stützpunkt dieser 3 Tage zu einem einsamen Hof beim Weiler Quolou, lernen Graham unseren Vermieter kennen und beziehen unser Apartment ...
... mit Blick auf die Küste, die weite Graslandschaft, den endlosen Horizont ...
... und eine handvoll Schafe, die neugierig und auch etwas verständnislos in unser Wohnzimmerfenster glotzen.
Das Wetter verhält sich bedeckt, für die Orkneys ist es ungewöhnlich windstill und trocken.
So steht der nächsten Exkursion nichts im Wege und die soll eine Mischung aus Natur und Geschichte werden.
Wir fahren in den Nordwesten von Mainland zum Marwick Head Naturschutzgebiet und folgen von einer breiten Bucht ...
... einem Pfad ...
... hinauf zu den Felsklippen von Marwick Head.
Oben angekommen eröffnet sich ein fantastischer Blick auf die wie von einem Messer steil abfallen Klippen.
Die Gezeiteninsel Brough of Birsey, unser nächstes Ziel ist in der Ferne erkennbar.
Unübersehbar ragt ein Turm über die Klippen von Marwick Head – das Kitchener Memorial.
Der Turm ist ein Denkmal zu Ehren von Lord Kitchener und seinen Männern.
Am 5.Juni 1916 war der britische Kriegsminister Lord Kitchener Mitte des ersten Weltkrieges auf dem Weg zu einer diplomatischen Mission nach Russland. Dann lief sein Panzerkreuzer HMS Hampshire hier am Scapa Flow auf eine der Minen die ein deutsches U-Boot einige Tage vorher dort platziert hatte. Das Schiff sank binnen 15 Minuten. Von der 655 Mann starken Besatzung kamen nur zwölf mit dem Leben davon. Dem Kriegsminister und seiner Besatzung ist dieses Monument gewidmet – in einer meterhohen Mauer sind die Namen der Gestorbenen eingraviert.
Gerade auf Mainland ist es nahezu unmöglich nicht auf Relikte und Hinweise auf Ereignisse des ersten oder zweiten Weltkrieges zu stoßen. Erstaunlich welch große Rolle diese Inselgruppe dabei eingenommen hat.
Der Brough of Birsey, nur wenige Meile ganz im Norden von Mainland ist eine Sehenswürdigkeit mit besonderen Öffnungszeiten. Als Gezeiteninsel ist der Brough nur bei Ebbe trockenen Fußes zu erreichen. Es empfiehlt sich also den Gezeitenplan im Blick zu haben und so können wir bei Ebbe problemlos über Sand, Steine und einen gemauerten Steg hinüber zur Insel spazieren.
Die ersten Bewohner der Insel Birsay waren die Pikten. Vom 9. bis 12. Jahrhundert besiedelten die Wikinger den Brough.
Das palastartige Gebäude, von dem heute nur noch die Grundmauern zu erkennen sind, gehörte zum Sitz des Norwegers »Thorfinn der Mächtige«.
Für seinen Bau nutzte er die alte piktische Siedlung und ließ es sich dabei richtig gut gehen. So hatte sein Haus eine für die Norweger übliche Sauna und war zudem mit einer Fußbodenheizung ausgestattet.
Ein etwas neueres und nicht verfallenes Bauwerk ist der Leuchtturm von Birsey. Wer genügend Zeit hat, sollte sich den Spaziergang von rund 15 Minuten dorthin gönnen.
Neben dem Turm sind auch die hohen Klippen auf der Turmseite ...
... und die tiefen Felseinschnitte auf der Rückseite der Insel sehenswert.
Zurück auf Mainland halten wir noch für einen Picture-Stop am Birsay Earl’s Palace – einer Schloßruine der Stewarts – die eine Zeit lang den Thron Schottlands inne hatte.
Wir steuern nun wieder unseren Thron mit dem Blick auf die Schafe vor unserem Wohnzimmerfenster an und beschließen einen höchst interessanten ersten Tag in dem Universum dieser so vielfältigen nordischen Inseln.
Übernachtung: Apartment Quolou, Orkney 117 €