Autor Thema: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”  (Gelesen 76098 mal)

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #75 am: 07. Juli 2018, 09:57:42 »
28.5. Mehr Erta Ale und zurück nach Mekele

Wecken ist um 4.30 Uhr. Wir gehen noch einmal zum Krater in der Hoffnung auf eine bessere Sicht hinein. Die drei Schwestern bleiben gleich liegen, der Party-Dummschwätzer und Miss Singapore drehen schon am Kraterrand um, worauf Gere ein wenig verzweifelt reagiert, kehrt macht und sich davon überzeugt, dass sie wieder angekommen sind, da verlässt er sich nicht auf die Info der anderen in der Gruppe. Das kapiere ich nicht: Da stolpert man nachts 10 Kilometer hier hoch, zahlt eine Menge Geld dafür, ist bei 45 Grad Hitze länger als 24 Stunden ungeduscht, um dann lieber noch eine halbe Stunde zu schlafen, obwohl man nur noch 5 Minuten Weg hat?

Heute geht es mit dem Wind und dem Gestank. Man kann besser in die Lava schauen und auch die Ausdünstungen aus dem Höllenschlund halten sich in Grenzen. Wieder stehen Eshetu und ich gebannt Hand in Hand am Kraterrand. Toll ist auch zu beobachten, wie es langsam hell wird.







Die Japaner haben offenbar einen weniger versierten Guide und Gere geht extra los um sie zu der Stelle zu holen, wo man viel sieht. Der Mann kommt in unsere Nähe, Eshetu greift zur Vorsicht auch nach seiner Hand. Wir erwarten, dass er ebenso verzückt und fasziniert wie wir in die Lava schaut. Er sagt “yes”, wirft einen kurzen Blick in den Krater und wendet sich nach einer Sekunde mit einem “Thank you” und einem höflichen Lächeln ab. Eshetu und ich können uns nur erstaunt und kopfschüttelnd ansehen.

Leider ist die Zeit viel zu schnell vorbei. Gere drängt zum Aufbruch, damit wir wieder unten sind, bevor die große Hitze kommt. Er macht ziemlich Action mit dem Aufräumen und Zusammenräumen. Er nimmt gewissenhaft alle unsere leeren Wasserflaschen mit und auch alle anderen, die hier noch herumliegen und in den Müllsack passen. Es gibt für jeden noch einen halben Liter Mangosaft und ein Päckchen Kekse - Kohlenhydrate für den Abstieg - und eine Flasche Wasser für unterwegs. Und wir gehen um 6 Uhr runter, ich vorneweg mit Eshetu, der wieder einen Weg sieht, wo ich nur Steine vor Augen habe.





Auch Eshetu bannt mich auf ein Selfie:



Im Laufe des Weges werde ich langsamer. Erstens geht es nicht mehr so schön bergab, dann wird es wärmer, die letzten 20 Minuten durch den anstrengenden Sand in der schon ziemlichen Hitze werfen mich zurück, bis alle dann kurz nach 8 Uhr im Basecamp angekommen sind. Nach Kaffee, Pfannkuchen, Rührei und Obst ist wieder Action angesagt, alles wird verpackt, auch die Touristen, und wir fahren zurück zum Containerdorf und geben unsere Afar-Begleitung ab.

Unterwegs neben der Piste ein LKW, der hat eine Panne. Sich hier in dieser lebensfeindlichen Umgebung zu helfen, ist eine Selbstverständlichkeit. Weil aber nicht immer Hilfe da ist, es keinen Handyempfang gibt, fährt man hierher normalerweise nicht allein, sondern immer im Konvoi. Die Jungs beraten sich, zwei von ihnen legen sich unter den LKW und zurren etwas fest. Da hat sich beim Fahren der Tank oder die Ölwanne locker gerüttelt und muss befestigt werden.

Wir sind wieder auf Asphalt und fahren noch ein  kurzes Stück in die “falsche” Richtung. Unser Ziel ist ein großer See mit einem Salzgehalt fast wie das Tote Meer. Vorher wird aber im Nachbardorf die Köchin abgeladen, die das MIttagessen vorbereitet.

Am Salzsee sind wir alle erst einmal unentschlossen. Badesachen hat eigentlich niemand dabei. Auch steht ein Einheimischer da, der mit dem Handy fotobereit sehr, sehr interessiert wirkt an den Ferenji, die halbnackt ins Wasser steigen. Aber nach und nach macht jeder sich auf in das “kühle” Nass, das fast Badewannentemperatur hat. Ich lasse Leggings und Shirt an, alles andere wäre Peep-Show, und ähnlich machen es die meisten. Ich habe ja noch eine Garnitur frischer Sachen dabei.

Um das Salz loszuwerden kann man in eine heiße Quelle direkt daneben gehen. Hier kann ich - wenn auch ohne Shampoo - Salz und Staub aus meinen Haaren waschen und hoffe, auch diese Vulkanausdünstungen, die sich offenbar in meinem Körper angesammelt haben, ebenfalls loszuwerden, aber natürlich verschwindet dieser sehr spezifische sauer-scharfe Vulkangeschmack nicht von meiner Zunge…

In Holzverschlägen am See kann man sich umziehen. Und los geht es ein paar Minuten Fahrt ins nahe Dorf zum Essen. Nach 2 Tagen nur mit teewasserwarmem Wasser gibt es superluxuriös eine richtig kalte Coke, das zischt! Um mich herum nur glückliche Gesichter. Und superschnell trennen sich nach dem Essen unsere Wege. Einige von uns müssen heute noch von Mekele aus abfliegen, nur die beiden Dummschwätzer und ich bleiben in Mekele.





Aber Gere bleibt uns noch bis Mekele erhalten. Er erklärt mir nochmals die Besonderheiten der äthiopischen Zeitrechnung: “You guys call it 7, we call it 1, you guys call it 12, we call it 6, and we are on the 2010, but you guys are 2018, so we are 8 years back. And we celebrate Ethiopian new year on the 11th or 12th September. It is too complicated, right?” Aber nach fast 2 Wochen in Äthiopien habe ich mich schon längst an die “falsch gehenden” Uhren gewöhnt und finde es auch cool, dass ich hier 8 Jahre jünger bin.

Der Abschied ist herzlich, und im Hotel schicke ich ihm sofort das Selfie von ihm, Eshetu und mir.



Und dann kommt der zweitbeste Luxus des heutigen Tages nach der Coke zum Mittag: Eine echte Dusche im Hotel mit gut duftendem Shampoo und Seife und eine Stunde auf dem komfortablen Bett!

Die beiden vergangenen Tage haben aus Eshetu und mir Freunde gemacht, und so verabreden wir uns für abends zum Bier. Wir können zwar nicht viel miteinander reden, aber wir sehen gemeinsam unsere Fotos an.

Ich bin völlig happy, es gibt nichts, was ich mir heute noch wünschen könnte! Lieber Gere, du hast einen riesengroßen Fan in mir gewonnen. Großen Respekt vor allem, was du bist und vor allem, was du machst!

Andrea

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #76 am: 07. Juli 2018, 10:08:36 »
Ich glaube, Eshetu ist richtig froh, dass du ihn mit auf den Vulkan genommen hast. Kein Wunder, dass ein solches Erlebnis euch verbunden hat!
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #77 am: 07. Juli 2018, 10:23:14 »
Er wurde auch von Gere sehr gelobt, dass er nicht so faul und desinteressiert ist wie die anderen.

Horst

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #78 am: 07. Juli 2018, 11:47:16 »
Hallo Birgit,

bis hierhin ein toller Bericht einer sehr intensiven Reise, bei der man als Leser beim Mitverfolgen auch sehr intensive Eindrücke bekommt.
Ich denke für jeden wäre es bei der letzten Etappe im Vorfeld zu entscheiden, ob man sich die Strapazen antut und ob der eigene Körper da mitspielt. Altersbedingt auch nicht jeden Tag gleich. Wenn der Kreislauf schlappmacht kann man nichts machen.
Man muss sich selbst gut kennen und einschätzen ob man mit der Hitze klar kommt.
So ungewöhnlich die Umstände um so ungewöhnlicher, ja sensationeller die Gegend.
Wären die Umstände einfacher wären da sicher ein Heer von Asiaten mit Selfiesticks unterwegs ....
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Silvia

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #79 am: 07. Juli 2018, 12:09:55 »
Die drei Schwestern bleiben gleich liegen, der Party-Dummschwätzer und Miss Singapore drehen schon am Kraterrand um. Das kapiere ich nicht: Da stolpert man nachts 10 Kilometer hier hoch, zahlt eine Menge Geld dafür, ist bei 45 Grad Hitze länger als 24 Stunden ungeduscht, um dann lieber noch eine halbe Stunde zu schlafen, obwohl man nur noch 5 Minuten Weg hat?
Auch für mich völlig unverständlich   :weissnicht:


Die Japaner haben offenbar einen weniger versierten Guide und Gere geht extra los um sie zu der Stelle zu holen, wo man viel sieht. Der Mann kommt in unsere Nähe, Eshetu greift zur Vorsicht auch nach seiner Hand. Wir erwarten, dass er ebenso verzückt und fasziniert wie wir in die Lava schaut. Er sagt “yes”, wirft einen kurzen Blick in den Krater und wendet sich nach einer Sekunde mit einem “Thank you” und einem höflichen Lächeln ab. Eshetu und ich können uns nur erstaunt und kopfschüttelnd ansehen.

Ich glaube einfach, das viele Menschen das Staunen verlernt haben  :'(   

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #80 am: 07. Juli 2018, 13:28:49 »
Hallo Birgit,

bis hierhin ein toller Bericht einer sehr intensiven Reise, bei der man als Leser beim Mitverfolgen auch sehr intensive Eindrücke bekommt.
Ich denke für jeden wäre es bei der letzten Etappe im Vorfeld zu entscheiden, ob man sich die Strapazen antut und ob der eigene Körper da mitspielt. Altersbedingt auch nicht jeden Tag gleich. Wenn der Kreislauf schlappmacht kann man nichts machen.
Man muss sich selbst gut kennen und einschätzen ob man mit der Hitze klar kommt.
So ungewöhnlich die Umstände um so ungewöhnlicher, ja sensationeller die Gegend.
Wären die Umstände einfacher wären da sicher ein Heer von Asiaten mit Selfiesticks unterwegs ....

Danke, Horst! Du weißt ja sicher, dass das mit den Fotos nichts ist, wo ich Talent oder Ehrgeiz entwickelt hätte, insofern hoffe ich immer sehr mit Worten vermitteln zu können, wie es sich dort anfühlt...

Und ja, mit der letzten Bemerkung hast du absolut Recht. Insofern kann ich froh sein, dass die Messlatte hoch hängt und ich die Ecke so relativ exklusiv erlebt habe.

Angeblich sind es auch die Afar, die bisher verhindert haben, dass echte Lodges bzw. Hotels dort gebaut wurden und mehr Komfort möglich ist... Als dort in der Nähe der Dallol ein Containercamp gebaut wurde, in dem Geologen Bodenproben analysieren usw., wurde übrigens dort ein Sendemast aufgestellt um zu ermöglichen, dass die Expats dort bei ihren Aufenthalten Internet und Telefon zur Verfügung haben. Das hat einerseits mir ermöglicht von der Dallol aus eine SMS zu verschicken nach Hause, dass alles OK ist, andererseits hat es wohl merklich das Zusammenleben der Afar beeinflusst, bei denen nun auch Smartphones eingezogen sind.

Das Einschätzen, ob ich mir das zutraue und das Herausfinden, was dort wie abläuft, war im Vorfeld übrigens gar nicht so einfach. Deshalb meine recht ausführliche Schilderung der genauen Abläufe. Ich hoffe, wer so etwas sucht, stolpert über diesen Reisebericht und findet die gesuchten Infos.

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #81 am: 07. Juli 2018, 13:33:55 »
Silvia, bei den Japanern, die für ihre Tour ohne Gruppe sicher etwa 1500 USD hingelegt haben, ging es möglicherweise nur um das Abhaken, dass sie dort gewesen sind...

Bei denen aus unserer Gruppe kapiere ich es überhaupt nicht. Die Jüngste der drei Schwestern war ein bisschen zart besaitet. Warum dann alle drei liegenblieben, erschließt sich mir nicht, obwohl die auch sonst immer zusammen saßen, sogar Hand in Hand geschlafen haben...

Die drei haben übrigens beim Aufstehen den Schreck ihres Lebens bekommen: Es ist wohl sehr ungewöhnlich, dass Touristen dort "unbeschützt" alleine liegen. Als die aufgewacht sind, standen vor ihnen 4 ratlose Soldaten und gucken sie an  :lach:

soenke

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #82 am: 07. Juli 2018, 20:01:54 »
Deine Besteigung des Erta Ale ist bestimmt ein unvergessliches Erlebnis gewesen. Deine Schilderungen können gut vermitteln, wie intensiv, aufregend und emotional du dich gefühlt hast.

Einen aktiven Vulkan kann man natürlich auch einfacher auf Hawaii erleben, aber die Begleitumstände und das unbekannte Äthiopien lassen diesen Vulkanbesuch wohl einzigartig wirken und das ohne viele andere Touristen.




Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #83 am: 08. Juli 2018, 09:53:07 »
29.5. Nach Lalibela

Beim Frühstück genieße ich noch einmal das Internet, das ich nun 2 Tage lang nicht hatte. Nicht zu fassen, wie sehr ich mich in den letzten Jahren davon abhängig gemacht habe. Umso besser, dass es hier einfach nicht immer verfügbar ist. An so ziemlich allen Orten gibt es gute und schlechte Zeiten und Tageszeiten, zu denen im Hotel WLAN zur Verfügung steht. Und mein GlocalMe funktioniert hier auch nicht. Gut, dass es noch so geht ohne jede Minute online zu sein...

Die Fahrt ist lang. Wir werden nahezu den ganzen Tag unterwegs sein. Auf der Fahrt werde ich ganz still und bin so froh, dass ich so unsagbar Schönes erleben darf, dass ich aus einem Land komme, in dem ich mir das Reisen leisten kann, dass mein Pass einer der mächtigsten Pässe der Welt ist und mir das Reisen in so viele Länder problemlos ermöglicht. Eine tiefe Dankbarkeit breitet sich in mir aus. Eshetu, so still er auch oft ist, scheint das zu spüren und dreht die Musik zwischendurch nicht ganz so laut auf. Dass mir zwischendurch immer noch von Ergriffenheit über die Erlebnisse der letzten Tage die Tränen laufen, bekommt er jedoch nicht mit...

Zwischendurch eine Kaffeepause in einem kleineren Ort. Hier gibt es den Kaffee, wie es sich gehört mit Weihrauch dazu und mit Gras auf dem Boden.

Das Kaffeetrinken ist ohnehin hier im Land von großer sozialer Bedeutung. Man besucht sich gegenseitig, der Kaffee wird nach bestimmten Regeln zubereitet und nach bestimmten Regeln getrunken. Ausreichend Zeit, Grashalme, Weihrauch und die typische Kanne gehören immer dazu, oft wird Popcorn dazu gereicht. Übrigens gehört der Weihrauch selbst im Café im Terminal eines Provinzflughafens dazu.

Und so besucht man sich in seiner festen Kaffeerunde in den Dörfern reihum und trinkt überall Kaffee, bespricht die großen und kleinen Probleme des Alltags. Und so wird das Kaffeetrinken quasi zum Therapieersatz und zur Selbsthilfegruppe.





Die Landschaft wird grüner, doch leider ist es ziemlich diesig. Wir fahren durch sehr ländliche Gegend, besonders auf der letzten Stunde fahren wir durch Dörfer. Kinder laufen neben dem Auto her. Mein Gott, wie die rennen können! Der eine oder andere wird dann vielleicht der nächste berühmte Langstreckenläufer. Ich kann meine Amharisch-Kenntnisse aufpeppen: “Caramella” (Bonbon) und “Scribito” (Kugelschreiber) werden verlangt und natürlich “money”, aber ich bleibe hart.

Auch Kinder der Dritten Welt sollen zur Schule gehen und nicht so früh schon lernen, dass man anders ein bequemes Leben haben kann. Und so finde ich es wichtiger vertrauenswürdige Organisationen vor Ort zu unterstützen, die dafür sorgen, dass die Spende dort landet, wo sie hilfreich ist. Übrigens führt auch Muller einen gewissen Prozentsatz seines Gewinns an ein Dorf in den Simien Mountains ab um die dortige Schule zu unterstützen. Das finde ich großartig und unterstützenswert. Leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden mich dort dranzuhängen, außer mit sehr teuren Überweisungen aus dem Ausland ist da leider derzeit nichts möglich.











Und da wir gerade bei schwierigen Themen sind: Nicht, dass bei meinen schwärmerischen Beschreibungen der Eindruck entsteht, dass Äthiopien das bisher unentdeckte Paradies ist. Natürlich hat das Land Probleme.

In so manchem Dorf liegen bergeweise Plastikflaschen, die mit Sicherheit nicht fachkundig entsorgt werden. Am Erta Ale warf einer der Einheimischen vor unser aller Augen seine leere Flasche in hohem Bogen in die Landschaft, und auch Eshetu ließ das eine oder andere Mal sein Bonbonpapier aus dem Fenster flattern.

Laut Statista konnte 2015 etwa die Hälfte der Erwachsenen Äthiopier nicht lesen und schreiben, während mir andererseits so strebsame und gebildete Menschen begegnet sind, und eine gute Arbeitsstelle nach deren Auskunft auch für Gebildete nicht selbstverständlich ist.

Das Land hat ein riesengroßes Trinkwasserproblem. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, und der Tourist (auch ich) mosert, wenn mal kein ausreichender Wasserdruck auf der Leitung liegt.

Dürre, Wasserknappheit, Armut, Bettelei, Hunger, Krankheiten sind keine Themen, mit denen man sich gerne konfrontiert sieht, aber dennoch sind sie hier Realität und können und dürfen nicht ignoriert werden und dürfen gerne auch hier ihren Platz haben. Dennoch sind sie nicht das ganze Land, auch wenn diese Themen das Bild vieler von diesem Land prägen.

Das Land braucht - wie so viele Entwicklungsländer - das Geld, das unter anderem auch Touristen ins Land bringen, und die Menschen vor Ort brauchen auch Geld. Daher ist mir schon klar, dass ich für den einen oder anderen ein ATM auf zwei Beinen bin, dass ich mit Sicherheit nahezu durchgehend Preise genannt bekomme, die um ein Vielfaches höher sind als ein Einheimischer sie zahlt. Und natürlich ist das anstrengend sich immer wieder Gedanken machen zu müssen, ob ich hier oder da genügend oder unangemessen viel Trinkgeld gegeben oder für etwas zu viel bezahlt habe. Aber immerhin kann ich mir durch meinen Reisestil und meine Reiseorganisation ein “hasslefreies” Reisen ermöglichen und mich somit voll auf das Land einlassen, es in mich aufsaugen und aus vollem Herzen ein gutes Wort für das Land einlegen um andere zu ermutigen es ebenfalls zu besuchen, sodass dem Land auch dadurch wieder etwas Gutes getan wird.

Meine persönliche Meinung: Unterstütze ich lokale Unternehmer statt großer deutscher Reiseveranstalter, gebe ich im Land mein Geld aus, zudem deutlich weniger als wenn ich die großen deutschen Agenturen beauftrage. Lasse ich mich einerseits nicht übers Ohr hauen und setze mein Geld so ein, dass es mir das bestmögliche Reiseerlebnis gibt und möglichst viel von dem Geld, das es mich kostet, ins Land bringt, entsteht eine Win-Win-Situation. Danach handele ich seit Jahren, egal, ob es um Asien, die Karibik oder jetzt auch Äthiopien geht. Und wieder mal bin ich gut damit gefahren! Voraussetzung ist natürlich eine vernünftige Recherche, damit ich auch Qualität bekomme und nicht vor Ort im Stich gelassen werde.

Und mit diesen Überlegungen komme ich in Lalibela an. Das Hotel Tukul Village liegt an einer Straße, wo es ein paar wenige Restaurants und sogar eine nette Kneipe gibt, etliche Souvenirshops. Ich gehe ein wenig durch den Ort und kaufe weiße Webschals als Souvenirs.

Bei meiner Rückkehr zum Hotel sitzt Eshetu dort und bei ihm der Guide Masresha, der mir morgen Lalibela zeigen wird. Das Restaurant des Hotels ist laut Masresha gut. Ich bestelle mir etwas zu essen und lade ihn und Eshetu zu einem Bier ein, aber Masresha will kein Bier und geht nach Hause. Eshetu und ich sitzen einträchtig einander gegenüber. Das Essen hier ist wirklich super, das Internet gut. Was will ich mehr?

Susan

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #84 am: 08. Juli 2018, 12:42:32 »
Wow, was für ein tolles Erlebnis dieser Vulkanbesuch. Wie Sönke schon schreib , konnten wir das auf Hawaii etwas einfacher erleben. Allerdings kann ich mir umso lebhafter vorstellen, wie es da oben wohl sein mag. Die Wanderung hört sich dagegen sehr anstrengend an  :respekt: dass du die gemeistert hast. Hatte mich schon gewundert, wie man bei den Temperaturen auf nen Berg steigen kann, nachts geht es natürlich  8)

Die Salzwüste finde ich auch sehr interessant, Höhepunkt war da natürlich die Karawane. Diese Landschaft der letzten Tage entspricht eher dem, was ich von Äthiopien erwartet hätte. 
Liebe Grüße
Susan

Paula

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #85 am: 08. Juli 2018, 21:51:35 »
ich bin ja ein totaler Vulkanfan, in Japan war ich mal auf einem aktiven Vulkan oben (leider bei strömendem Regen) aber bei 45 Grad bringen mich keine 10 Pferde vor die Tür, egal was es draußen zu sehen gibt. Ich bewundere deine Physis! Irgendwann fahre ich nach Hawaii und schau mir Vulkane für Schlaffis an  ;)
im Dunkeln in die rote Glut zu schauen stelle ich mir total faszinierend vor. Wenn man schon oben ist und dann im Schlafsack liegen bleibt kann ich mir auch agr nicht vorstellen. manche Touris sind schon seltsam.
Von Äthiopien kannte ich bisher keine Vulkanbilder sondern so Schluchtenbilder von einem Graben, da gibt es doch eine Stelle wo Äthiopien vom afrikanischen Kontinent abbricht. Ist das da in der Nähe?

Die "weiblichen" Probleme kann ich mir gut vostellen. In China konnte man tagsüber meistens auch nicht auf eine richtige Toilette gehen, da muss man den Darm "abschalten". Aber 2 Tage ist schon hart. Gibt es da denn nicht mal Dixi Klos? das finde ich schon seltsam wenn nicht mal ein Minmum an Infrastruktur installiert wird an so einem touristischen Hotspot...
Viele Grüße Paula

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #86 am: 08. Juli 2018, 22:02:30 »
Ich glaube, in ganz Äthiopien wirst du kein einziges Dixi-Klo finden... Äääääh, ob es wohl Dixi-Hockklos gibt? Man kann oft froh sein überhaupt ein Klo zu finden. Wenn es dann noch eine verschließbare Tür und Licht drin und fließendes Wasser hat, ist das schon etwas Besonderes.

Man könnte ja im Grunde auch in Europa einen aktiven Vulkan besuchen, den Stromboli.

Ich muss mich mal in Sachen Vulkane genauer belesen. Die sind wohl alle ganz unterschiedlich. Der Erta Ale ist ein Schildvulkan, der wohl 2017 irgendwann das letzte Mal übergekocht ist. Ansonsten ist es einer der wenigen (oder der einzige, bei dem eine Besichtigung möglich ist) permanente Lavasee der Welt, und zwar schon seit 100 Jahren oder so...

Die 45 Grad habe ich mir schlimmer vorgestellt übrigens. Man sitzt einen Großteil der Zeit im klimatisierten Auto. Und wenn man draußen ist, geht Wind. Ich habe so Situationen im Kopf, bei denen ich schon mal dachte, die Sonne schmilzt mir das Hirn weg und es bleibt nichts als ein etwas schmieriger Ascheklecks zurück auf dem Boden, wenn das dann irgendwann von oben nach unten durchgeglüht ist. Das war auf Puerto Rico. Und in Kochi war es so dermaßen feuchtheiß, dass ich nach 10 Minuten Besichtigung jeweils wieder ins Auto geflüchtet bin. Aber am Vulkan war es für die etwas kürzeren Momente auszuhalten.

Gere hatte aber vor ein paar Tagen per Whats App berichtet, er sei dann noch einmal bei 53 Grad und einmal bei 56 Grad dort gewesen. Das war selbst ihm zu heiß!

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #87 am: 11. Juli 2018, 22:36:16 »
30.5. Lalibela

In Lalibela wurden vor fast 1000 Jahren, veranlasst durch König Lalibela, 11 Kirchen in den Fels gehauen. Und das haben nicht nur Menschen getan, auch Engel haben geholfen und nachts heimlich weiter gearbeitet. Lalibela wollte ein afrikanisches Jerusalem nachbauen, und so ist das gesamte Ensemble voll von Symbolik. Es gibt eine Grabeskirche, den Jordan und einen Ölberg. Ich bin wahnsinnig gespannt, denn so ziemlich das erste, was man zu sehen bekommt, wenn man sich über Reiseziele in Äthiopien informieren will, sind Bilder der Georgskirche in Lalibela.

Masresha hat gesagt, es geht um 8.30 Uhr los. Also stehe ich um 8.30 Uhr parat, und wir fahren ein paar Minuten zur westlichen Kirchengruppe. Das ist auch die Gruppe, die älter ist. Wir folgen also der Historie.

Die Kirchen wurden von oben nach unten aus dem Fels herausgearbeitet, erst das Äußere, dann auch das Innere, wobei kunstvolle Gewölbe aus dem Stein herausgearbeitet wurden.

Ich bewundere die unterschiedlichen Kreuzformen und wundere mich, dass man ein Kreuz auf unzählige Arten und Weisen darstellen kann.

Die Kirchen hier haben wie alle Kirchen in Äthiopien drei Bereiche: Einen Bereich für alle zum Chanten, einen, in dem die heilige Kommunion ausgegeben wird und einen inneren Bereich, der nur den Priestern, Mönchen und Diakonen vorbehalten ist. Auch gibt es drei Türen: Eine Tür für Männer, eine Tür für Frauen und eine für die Priester.

Wir halten uns lange in der ersten Kirche auf, der Bete Medhane Alem, und Masresha lässt mich nach seinen Erklärungen ausgiebig alleine in der Kirche schauen und zieht sich zurück, Ich will die Atmosphäre des Ortes auf mich wirken lassen. So halten wir es übrigens auch bei den anderen Kirchen. Ich brauche Zeit für mich und will nicht jede Sekunde unter Beobachtung stehen. Und da ich nicht in einer Gruppe reise, kann ich das so für mich entscheiden.













Es ist aber auch absolut sinnvoll einen Ortskundigen dabei zu haben. Natürlich kann ich auch alles im Reiseführer nachlesen, aber der Reiseführer beantwortet mir keine Fragen. Und vor allem kann ein Guide, und das erlebe ich hier nicht zum ersten Mal, den Weg ebnen für das, was allein vielleicht an Sprachbarrieren gescheitert wäre:

Ich höre von Ferne Chanten und unterbreche Masresha in seinen Ausführungen und will wissen, woher das kommt. Masresha fragt einen Mönch oder Priester, der ihm erklärt, wo das Chanten gerade stattfindet. Es handelt sich um eine Kirche, die für Touristen eigentlich nicht zugänglich ist. Und schon geht es auf und ab über Felsen, Treppen, durch schmale in den Felsen gehauenene Gänge und unter Baugerüsten hindurch direkt zu der Kirche, wo es stattfindet. Ich bekomme eine kurze Instruktion, wohin ich mich stellen kann und dass ich auch Fotos machen darf, und ich fühle mich wie unsichtbar. In diesem Moment hat Masresha bei mir gewonnen. Das wäre ohne ihn allein oder auch in einer größeren Gruppe nicht möglich gewesen.









Wir lassen uns ausreichend Zeit in diesem Komplex. Außer uns ist noch eine deutsche Gruppe unterwegs in cremefarbenen Westen und praktischen khakifarbenen Hosen und mit Hüten auf dem Kopf. Die lasse ich gerne vorgehen, während ich irgendwo sitze und Leute ansehe: So viele Gläubige sitzend oder stehend mit der Bibel in der Hand!











Vor dem Mittag kommt die bekannteste der Kirchen, die Bete Kiddus Georgiys, die einzige der Kirchen in Kreuzform, ebenfalls ohne moderne Hilfsmittel aus dem Fels herausgeschnitten und ausgehöhlt. Diese symbolisiert die Arche Noah, und steht man unten vor der Kirche, sieht man oben einen Olivenbaum, der den Ölzweig symbolisiert, den die Taube vom Berg Ararat brachte, nachdem die Sintflut beendet war.

In Nischen im Fels rund um die Kirche liegen völlig ungeschützt menschliche Skelette, Nonnen und Mönche, die als Pilger kamen und hier starben.





Es ist Mittag und Masresha parkt mich für 2,5 Stunden in einem Restaurant hoch über den umgebenden Hügeln mit einem super Rundum-Blick. Leider ist es wieder diesig, aber ich kann Raubvögel beobachten, die auf meiner Höhe über der Landschaft kreisen.

Warum soll ich hier 2,5 Stunden sitzen? Dass die Kirchen mittags schließen, hätte ich ganz gern vorher gewusst. Aber in diesem Lokal gibt es nicht nur den Ausblick, sondern auch WLAN, insofern ist alles OK.

Gestärkt und erholt geht es zur östlichen Kirchengruppe. Bevor wir diese betreten, erklärt Masresha mir den symbolischen Ölberg und den symbolischen Jordan, die das Stadtbild von Lalibela prägen. Und auf geht es durch noch viel mehr Gänge und Schluchten um die hiesigen Kirchen anzusehen.























Am Nachmittag nutze ich nochmals die Gelegenheit durch die Shops zu streifen. Ich treffe nochmals Eshetu, mit dem ich Bier trinken gehe in eine ordentlich aussehende Kneipe. Für die 5 Bier zu je 0,33 Litern zahlt er keine 100 Birr, also keine 3 Euro.

Eshetu erhält sein hoffentlich angemessenes Trinkgeld, und ich schenke ihm den Anschluss mit den 2 USB für den Stromanschluss im Auto. Dann kann er immer gleichzeitig von seinem Stick Musik hören, das eigene Handy laden und auch ein Gast kann sein Handy ebenfalls laden. Irgendwie ist er mir ja doch ans Herz gewachsen, damit hätte ich zu Beginn der Tour nicht unbedingt gerechnet. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns bei einer weiteren Reise wieder.

Andrea

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #88 am: 12. Juli 2018, 07:44:09 »
Wow!

Ich bin ja eigentlich nicht der Typ für Kirchenbesichtigungen. Aber diese hier beeindrucken mich sehr.
Liebe Grüße, Andrea



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Christina

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #89 am: 12. Juli 2018, 18:22:03 »
Diese in den Fels gebauten Kirchen sind ja sehr interessant und auch die Idee dahinter, Jerusalem bzw. die dortigen heiligen Stätten nachbauen zu wollen. Toll, dass du dir das Chanten anhören konntest, das ist dann tatsächlich ein Vorteil, wenn man für sich alleine einen Guide hat.


LG Christina