26.5. In die Dallol - the adventure beginsMit einer geringen Verzögerung geht es heute los. Ich stehe mit Rucksack und einem Beutel mit meinen Wanderschuhen, mit voll aufgeladenen Akkus und jeder Menge Angespanntheit bereit.
Das Büro von World Sun Ethiopia Tours, mit denen Muller zusammen arbeitet, ist direkt gegenüber des Axum-Hotels. Ich sehe dort eine kleine Gruppe Leute stehen, sicher meine Gruppe. In unseren Kofferraum wandern dutzende Flaschen Wasser. Puh, eine Sorge weniger, ich werde wohl nicht verdursten.
Zwei weitere Autos werden beladen mit den anderen Mitreisenden. Ob sie wohl irgendwie zusammen gehören? Keine Ahnung! Bei uns steigt Gere ein, unser Guide: Vor Energie und Lebensfreude strotzend, strahlende Augen, in alle Richtungen abstehende lustige Rastas, eine Mischung aus unumstößlicher Zuversicht, Leichtigkeit und Gelassenheit.
Er lacht gerne, das sieht man. Im Verlaufe der beiden folgenden Tage wird er unzählige Male den einen Handrücken in die Handfläche der anderen Hand hauen, dabei fast zusammenbrechen vor Lachen um dann wieder mit blitzenden Augen unter seinen Rastas aufzutauchen.
In diesem Moment ruft Muller an. Er weiß von mir, dass ich Schiss vor der Tour habe und hat alles dazu getan, dass ich mich wohl fühle. Er hat mir alles erklärt, hat mich nochmals wegen der Sicherheit beruhigt und will mir nun noch viel Spaß an den kommenden beiden Tagen wünschen. Und ich kann ihm nach 2 Minuten Kontakt mit Gere sagen, dass ich mich sehr, sehr freue, dass er hier ist und dass ich mich spätestens jetzt absolut geborgen fühle auf der Tour. Allerdings: Dieses energiegeladene Paket Mensch mit dem Körperbau eines Langstreckenläufers und der Agilität eines Derwischs wird uns und besonders mir ganz sicher davonrennen und vermutlich innerhalb von 1:30 auf dem Vulkan stehen!
Dass Gere nicht nur ein humorvoller Spaßvogel ist, sondern auch geistig was auf dem Kasten hat, finde ich in der ersten viertel Stunde Gespräch heraus. Er erzählt mir schon einmal, wie die beiden Tage ablaufen werden und beschreibt mir die Strecke zum Erta Ale und die zu erwartenden Temperaturen. Er schaut erschrocken auf meine Füße in den Crocs und fragt, ob ich andere Schuhe dabei habe und inspiziert offenbar mit gutem Ergebnis meine Wanderschuhe. Aha, du hast immer alles im Blick, Gere? Das ist gut so! OK, alles in Ordnung, chiger yelem (kein Problem).
Bei einer Pause nach einer Stunde Fahrt stellen die Insassen der anderen beiden Autos und ich uns einander vor: Ein deutsches Pärchen, das in Addis für einige Zeit arbeitet, ihre beiden Schwestern, was man auf den ersten Blick sieht. eine Französin und eine Amerikanerin, die die vier Deutschen auch irgendwie kennen, eine junge Frau aus Singapur, die in Addis als Ingenieurin arbeitet und ein US-Amerikaner mit indonesischen Wurzeln, der in Dubai lebt und arbeitet: Alle nett und umgänglich, das wird schon!
Mittagspause unterwegs bei mittlerweile schon 38 Grad, es gibt Reis mit Gemüse. Ein viertes Auto schließt sich an, und es geht weiter bergab in die Salzwüste, in die Dallol. Die Landschaft wird karger. Auf immer noch guter Straße geht es zwischen beigebraunen Bergen hindurch, wir verlassen die Hochebene und sind irgendwann an einer der tiefsten Stellen der Erde, 115 Meter unter dem Meeresspiegel.
Gere springt aus dem Auto und läuft an einer Forschungsstation, einem Camp aus Containern, um die herum Hütten stehen, von Hütte zu Hütte auf der Suche nach den beiden Bewaffneten, die uns ab hier in die Dallol begleiten müssen. Endlich sind sie gefunden.
Es geht nun über eine schwarze Schotterpiste weiter, rechts und links breitet sich die Salzwüste aus. Irgendwann geht es ohne Piste über das trockene Salz.
In der Ferne eine Reihe schwarzer Punkte, sicher irgendwelche Felsen oder so. Aber nein, wir nähern uns den Punkten, und diese bewegen sich. Es handelt sich um eine endlos erscheinende Karawane. Kamele, Esel, Kamelführer ohne Ende. Ich kann es kaum fassen und quietsche völlig aus dem Häuschen auf. Begeistert springen wir aus den Autos, und Eshetu ist der einzige der Fahrer, der hieran ebenfalls Interesse hat und auch aussteigt.
Der heiße Wind, die Geräusche der laufenden Menschen und Tiere, die weite Sicht, die Kamelführer, die teilweise trotz der Hitze springen, scherzen, singen und uns auch manchmal nach Geld fragen, die Rufe, mit denen die Tiere gelenkt werden, wenn sie nicht brav in einer Reihe gehen wollen.
Ich kann die Zeit nicht schätzen, die wir hier stehen und Kamele und Esel aus allen möglichen Perspektiven fotografieren. Gere sagt hinterher, er habe sich erkundigt. Es habe eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben eine Karawane zu treffen, aber es gehöre auch viel Glück dazu. Wir haben Glück gehabt. Egal, wie es heute und morgen weiter geht, alles andere kann doch nur noch Bonusmaterial sein!
Denkste! Bonusmaterial? Das war erst der Vorfilm. Wir heizen in Kolonne wieder über die endlos erscheinende Salzwüste. Plötzlich färbt der Untergrund sich ockergelb. Wir halten.
Gere ist plötzlich recht streng und gibt klare Anweisungen: “Walkingshoes, sunprotection and at least one bottle of water! We walk about 15 minutes, we can stay up to one hour depending on the temperature.” Gere inspiziert sorgfältig alle Schuhe und, wie er mir später verraten wird, hat er genau einen Blick darauf, wer hier wie zurecht kommt um abzuchecken, wer mangels Fitness “Kamelkandidat” für den Aufstieg zum Erta Ale ist.
Einige im eher amerikanischen Stil mit Basecap und einige im Stil “Lawrence von Arabien” mit Tuch über dem Kopf, alle miteinander gehen wir los, ganz leicht aufwärts. Um uns herum die beiden Bewaffneten und Gere. Wir sollen unablässig trinken. Soooo heiß ist es aber heute nicht mit “nur” 47 Grad und heißem Wind wie unter einem Fön.
Im eher dürftigen Schatten eines Felsens erhalten wir noch ein kurzes Intro zu dem, was uns erwartet: Nur auf den trockenen Stellen bleiben, denn die ohnehin schon giftig aussehende Flüssigkeit sei Säure und nicht sehr gesund, alle bleiben zusammen.
Die Jüngste der drei Schwestern schwächelt. Es ist wohl die Hitze, sie hat “Kreislauf”, und sie will wieder zu den klimatisierten Autos. Ihre Schwester nimmt sie an die Hand, Gere will einen der Bewaffneten mitschicken, das wollen die beiden nicht zwingend, ich gebe ihr noch ein Päckchen Elektrolyte mit. Wir machen uns mit Gere auf den Weg zum Mars mit den Pools und den bunten Gesteinsformationen in giftgrün, schwefelgelb und rostbraun.
Auch mich haut es um, zum Glück nicht wegen der Hitze, sondern weil ich so schwer beeindruckt bin von dieser unwirklichen Umgebung, dass ich heute schon das Gefühl habe, es ist gar nicht wahr gewesen, dass ich dort gewesen bin!
Gere lässt es keine Ruhe, er geht nach den beiden Mädels schauen, die beiden Bewaffneten weisen uns währenddessen den Weg zu den etwas abgelegeneren Stellen. Auch Miss Singapore geht zurück, sie hält den berühmt-berüchtigten Geruch nach faulen Eiern nicht aus. Und als später noch Miss France den Rückzug antritt, schließe ich mich an. Die anderen bleiben noch ein paar Minuten.
Eshetu ist wirklich lieb. Er kommt mir schon mit einer frischen Wasserflasche entgegen. Ich muss inzwischen aussehen, als ob ich gleich explodiere, aber mit meinem wassergetränkten Buff auf dem Kopf kühle ich mich so langsam wieder runter.
Alle sind wieder da. Gere schaut, ob es allen gut geht und weiter geht es. Unsere Jüngste hat sich auch wieder bekrabbelt und berichtet, dass alle sich sehr lieb um sie gekümmert haben.
Wir halten noch an einigen Stellen...
... und fahren dann abschließend noch zu einem Salzsee, während das Licht sich schon nachmittäglich rosa färbt und sich in den Wasserlachen spiegelt. Hier wird Wasser aus dem Roten Meer hochgedrückt.
Es geht auf zu einer längeren Fahrt in einem Dorf, das schon wieder etwas höher gelegen und somit kühler ist. Wir übernachten dort in einem “Homestay”. Wir freuen uns darüber, dass es nochmals eine richtige Toilette gibt und sogar eine Dusche, yippieh! Die Tour Company hat alles dabei: Matratzen, Decken, Tische und Hocker für uns alle, eine Köchin, Geschirr, sämtliche Lebensmittel, jeden Tropfen Trink- und Nutzwasser.
Als wir ankommen und alle vier Autos im abgeschlossenen Hof geparkt sind, erwarten uns schon ein hergerichteter großer Raum für uns 9 Touristen mit Matratzen und das Abendessen mit Suppe, Injera mit vegetarischen Soßen und Obst zum Nachtisch. Und das erste Mal seit der Uni übernachte ich mit Fremden in einem Raum, aber zwischen uns ist die Stimmung gut und freundschaftlich. Jeder quatscht noch ein bisschen mit jedem, vorwiegend auf Englisch.
Ich mache es mir nach einer Dusche gemütlich mit meinem Schlafsack und dem Kopfkissen, mit Ohropax und meinem Haarband als Schlafmaske und bin sehr, sehr schnell eingeschlafen, während einer nach dem anderen duschen geht, Miss Singapore noch eine Feuchtigkeitsmaske auflegt und Miss America ihre frisch gewaschenen Haare entwirrt. Einer nach dem anderen kommt zur Ruhe. Wir sind alle voll von Erlebnissen und wissen, dass es morgen anstrengend wird, sodass wir alle uns auf nochmals eine recht komfortable Nacht freuen.