Autor Thema: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”  (Gelesen 76099 mal)

serendipity

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #15 am: 27. Juni 2018, 20:53:50 »
Ich sehe alles!  ;)

Was für ein Glück mit Muller bzw. Respekt, du hast wohl das Richtige gewählt. Kann man einfach so mit 3000 € bar einreisen? Ich mag ungern mit soviel Geld an der Frau rumlaufen, aber verstehe natürlich seine Lage.

Immer wieder bewundere ich, wie selbstverständlich du dich alleine in vollkommen unbekannten Ländern/Kulturen/Sprachen bewegst - ist dir da nie unwohl?

Das mit dem "Arbeitsamt" hat mich dann doch zum Lachen gebracht - was dachtest du denn, um was es sich hierbei handelt?


Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #16 am: 27. Juni 2018, 21:11:04 »
Ach, Gabi, keine Ahnung, was ich da zu lesen erwartet hatte, muss ja interessant sein, wenn da so viele Leute drum herumstehen... Irgendwie hatte ich gedacht, was auch immer steht da auf Englisch, aber war nicht so. Sooooo selbstverständlich habe ich mich da wohl doch noch nicht bewegt ;)

Man darf offiziell mit bis zu 3000 USD einreisen. Ich habe auch so schnell wie möglich zugesehen das loszuwerden. Schließlich: Wenn ein äthiopischer Halunke mir da die Tasche weggenommen hätte, hätte ich keine Chance gehabt. Überleg dir mal, ausgerechnet einen Äthiopier beim Laufen schlagen zu wollen? LOL!

Und Angst? Nein. Ich habe mir in Indien angewöhnt immer ein wenig darauf zu achten, wer so unterwegs ist: Wo Familien mit Kindern unterwegs sind oder Leute joggen oder eben einfach nur zum Spaß unterwegs zu sein scheinen, ist es meistens kein Problem.

Wenn ich ansatzweise genervt wurde, war immer jemand da. Also war mir klar, dass ich im Zweifel auch immer jemanden um Hilfe bitten kann. Im Zweifel lässt man sich nicht ansprechen, wenn man Hilfe braucht, sondern sucht sich aktiv jemanden, den man anspricht.

Das habe ich mir im Laufe der Zeit so angewöhnt.

Und wenn Yihenew in Bahir Dar auf meine Frage, wo ich abends essen gehen kann, nur den Weg beschreibt und nicht fragt, ob er mir ein Tuk Tuk organisieren soll und mir keinen Rat mitgibt, lieber ein Taxi zu nehmen oder nicht zu spät wieder am Hotel zu sein oder so, sondern mir einfach einen schönen Abend und viel Spaß wünscht, dann ist das schon mal ein gutes Zeichen.

serendipity

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #17 am: 27. Juni 2018, 21:25:40 »
Überleg dir mal, ausgerechnet einen Äthiopier beim Laufen schlagen zu wollen? LOL

You made my day  ;D

Andrea

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #18 am: 27. Juni 2018, 22:05:57 »
Das letzte Bild sehe ich nicht, alle anderen schon.

Ich finde es toll, wie gut du dich auf ein neues Land einlassen kannst. Das war mir schon mit Indien aufgefallen und jetzt auch wieder mit Äthiopien. Aber ich schätze, dass da auch zwei dazugehören. Das Land muss dich mit offenen Armen empfangen und das tut Äthiopien scheinbar direkt durch Muller.
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #19 am: 27. Juni 2018, 23:06:55 »
Oh ja, das mit dem letzten Bild kann sein, das habe ich nachträglich ins Album geschoben... Ist nicht so schlimm, ist nur ein Macchiato, allerdings so ziemlich der beste, den ich je getrunken habe!

Ja, und nicht nur Muller ist so ein liebenswürdiger Mensch, ich habe noch einige kennengelernt. Aber die lernt ihr ja auch alle noch kennen, wenn ihr nun mit mir reist. Morgen habe ich beispielsweise wieder eine supertolle Begleitung in Yihenew.

Ich bin ja ohnehin inzwischen der festen Überzeugung, dass die Welt es gut mit mir meint und sich mir gerne von der besten Seite zeigt. Und dafür bin ich wirklich dankbar!

ich war in Äthiopien an der einen oder anderen Stelle leider auch mal grantig, was mir dann hinterher auch Leid tat. Dann war das Wetter schuld oder ich war einfach von den vielen Eindrücken überfordert. Ich hoffe, das Land hat es mir nicht übel genommen ;)

Silvia

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #20 am: 28. Juni 2018, 05:19:01 »
Den Macchiato seh ich auch nicht.

Ich bin ja ohnehin inzwischen der festen Überzeugung, dass die Welt es gut mit mir meint und sich mir gerne von der besten Seite zeigt. Und dafür bin ich wirklich dankbar!
Dafür liebe Birgit gibt es einen Spruch: "So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es raus."  :)

Silke

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #21 am: 28. Juni 2018, 08:12:39 »
Ich komm auch noch mit.
Äthiopien hätte für mich niemals auf meiner Wunschliste für Reiseziele gestanden. Das Land hatte ich bisher nur mit hungernden Kindern verbunden.
Dank deiner bisherigen Bilder bei FB steht es da jetzt aber drauf, und sogar ziemlich weit oben.

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #22 am: 28. Juni 2018, 08:13:49 »
21.5. Tana Lake und Blue Nile Falls

Yihenew, der Guide, hat gestern angekündigt, es müsse früh losgehen, denn es gebe viel zu sehen. Und so klingelt der Wecker um 6 Uhr, sodass es um 8 Uhr losgehen kann.

Wir treffen uns in der Lobby, und ich werde mit einem big Smile empfangen.

Mullers Geheimrezept ist offensichtlich, dass er sich mit Menschen umgibt, die ihm ähnlich sind: Klug, gebildet, hoch anständig, zuverlässig und engagiert. Und so verbringe ich auch hier den Tag mit einem eigentlich Journalisten und Kommunikationswissenschaftler, der wie alle, die ich über Muller kennengelernt habe, so mit mir umgeht, dass ich in kürzester Zeit den Eindruck habe zu Gast bei Freunden zu sein. Habe ich schon erwähnt, dass auch er passabel Deutsch spricht?



Ich trabe etwa 10 Minuten mit ihm durch die Stadt bis zum See, wo wir ein Boot besteigen, das uns etwa eine Stunde über den Tana Lake schippert bis in die Nähe des Klosters Ura Kidana Meheret.

Wir finden uns in einem Dorf wieder, in dem zwar Souvenirstände den Weg pflastern, alles jedoch immer noch ursprünglich ist. Und so gehen wir etwa eine Viertelstunde zum Kloster über braune Erde, vorbei an Häusern aus Lehm und Stroh und unter anderem an einem Maler vorbei, der einen einzigen Satz auf Deutsch beherrscht: 'Alle Malereien sind aus Naturfarben hergestellt’.

Yihenew ist hier aufgewachsen und kennt daher offenbar jeden hier, und so grüßt er immer wieder und hält hier und da einen Schwatz.







Wir halten uns lange in dem ruhigen Kloster auf und sprechen über die Malereien und die dazu gehörenden Legenden und Bibelstellen. Wir witzeln herum, schweigen auch gemeinsam, betrachten die Malereien, und ich genieße die Stille des ansonsten leeren Klosters.







Wir besuchen noch das kleine angrenzende Museum und auf geht es zu einem sehr schönen Programmpunkt. Wir gehen nämlich durch den Wald zurück.

Yihenew findet für mich Affen und ein Wildschwein. Wir pirschen durch das Unterholz, und er muss dennoch einen Stein in Richtung eines schlafenden Schweins werfen um es aufzuscheuchen, weil meine zivilisationsverkrüppelten Augen es sonst nicht erkennen. Wildschweine können aber auch gefährlich sein. Yihenew hängt sich an einen Ast: Er könne da auch auf den Baum klettern, wenn es nötig sei, ob ich das auch könne? Siehst du, deshalb ist es besser nicht näher heranzugehen.

Wir kommen wieder an der Stelle an, an der unser Boot liegt und trinken noch einen Kaffee. Der am Morgen leere Platz ist nun gut besetzt von Einheimischen, die quatschen, Kaffee trinken oder Injera mit Soße essen. Yihenew und ich werden neugierig befragt, wer ich bin, woher ich komme, und es wird ganz gut herumgewitzelt.



Yihenew fragt nett, ob es okay wäre in 'meinem’ Boot jemanden mitzunehmen. Na klar, warum denn nicht, und der Hitchhiker steigt zu. Wie fahren noch zu der Stelle, an der der blaue Nil den Tanasee verlässt und sehen auf einem Haufen sicher 8 Nilpferde. Offenbar gibt es das wirklich nicht so oft, denn auch die beiden Jungs fangen an ihre Handys zum Fotografieren zu zücken.





Wir legen an einem Restaurant an und die Tour über den See ist beendet. Ich esse auf Empfehlung Yihenews Fischfilet mit Reis und Gemüse in Folie. Das Filet ist wunderbar!

Wie durch Zauberhand taucht vor dem Restaurant ein Auto auf. Das ist das Auto mit Fahrer, welches mich die nächsten 10 Tage begleiten wird. Eshetu, der Fahrer, Typ braver Junge vom Land, wirkt ein wenig schüchtern, aber wahrscheinlich sind es eher seine nicht ganz so guten Englischkenntnisse, die ihn vom Reden abhalten, denn mit Landsleuten spricht er gern und viel.

Wir fahren zu den Fällen des blauen Nil. Dazu fährt man ein paar Kilometer auf guter Straße und dann sicher eine halbe Stunde eine Piste. Hier beginnt die Landschaft schon sehr archaisch zu werden.

Und so landen wir an einer Stelle, an der wir noch einen lokalen Guide mitnehmen müssen - das sei Pflicht - und fahren weiter zum Ausgangspunkt der kurzen Wanderung. Der lokale Guide stört eher und verfügt über die Gabe immer irgendwie im Bild herumzuspringen.

Aber was wir sehen, ist interessant. Es macht Spaß über den Pfad zu gehen über die rotbraune Erde, über Stock und Stein.

Wir überqueren erst die uralte Brücke der Portugiesen und dann eine neue Hängebrücke. Yihenew ist intelligent und sensibel und versteht es immer mal mit einem Hinweis auf eine Pflanze oder einen Ausblick stehen zu bleiben bis meine Gesichtsfarbe wieder normal ist, während der lokale Führer etwas ungeduldig wirkend vorneweg springt.

Den Blick auf den Wasserfall genießen wir ausgiebig.













Wir gehen weiter durch dörfliches Leben über Felder, vorbei an Menschen, vor allem Frauen und Mädchen, die etwas auf dem Kopf tragen oder Wasserkanister mit sicher 20 Litern Inhalt auf dem Rücken haben und vorbei an spielenden Kindern.

Ich denke bei dieser ersten hautnahen Berührung mit dem Landleben daran, dass hier vieles mit Sicherheit nicht so idyllisch ist, wie es scheint auf den ersten Blick: Das Trinkwasserproblem, die Armut, fehlende Bildung...

Wir setzen mit einem Boot über zur anderen Seite des Nils, wo auch schon unser Auto auf uns wartet.







Der Tag ist beendet, Yihenew wird nach Kontaktdatenaustausch herzlich verabschiedet und ich wasche mir jede Menge rote Erde von den Füßen und ruhe mich ein bisschen aus.

Ich beschließe zu testen, wie es abends so allein unterwegs ist und mache mich im Dunklen auf in die Stadt. Mich verfolgen gewispertes 'money, money’, 'ferenji’ und wahllose andere englische Worte von 'yes’ und ‘you’ bis ‘beautiful’. Und wieder kann ich beobachten, wie Erwachsene darauf achten, dass ich nicht von Kindern belästigt und verfolgt werde.

Dennoch passiert es. Ich sitze in einem Café. Ungefragt setzt sich jemand zu mir und drängt mir ein Gespräch auf. Ich will nicht unhöflich sein und lasse mir die Infos abringen, dass ich das erste Mal hier bin und kein Amharisch kann, das war falsch. Und damit bin ich Opfer. Mit einer Mischung aus Schmeichelei, Drohung und Verunsicherung wird mir Whisky angeboten. Nee, danke, lass mal! Ich will die Situation schnell und schmerzlos beenden, stehe auf, zahle drin und gehe. Jedoch stellt sich der Typ mir ungefragt in den Weg. Er will mich nicht vorbeilassen und fasst mich am Arm. Ich sage, ich rufe die Polizei, er geht nicht und versperrt mir den Weg. Ich spreche wildfremde Menschen an und bitte sie mir zu helfen. Daraufhin ist er blitzschnell verschwunden.

Auf den Schreck erstmal 2 Gin Tonic im Hotel und ein insgesamt super gelungener Tag ist trotz eher unangenehmer 5 Minuten in den Abendstunden beendet.

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #23 am: 28. Juni 2018, 08:14:42 »
Ich komm auch noch mit.
Äthiopien hätte für mich niemals auf meiner Wunschliste für Reiseziele gestanden. Das Land hatte ich bisher nur mit hungernden Kindern verbunden.
Dank deiner bisherigen Bilder bei FB steht es da jetzt aber drauf, und sogar ziemlich weit oben.

Silke, herzlich willkommen!

Du hattest mich letztlich auf Indien gebracht. Ich revanchiere mich gern damit dich auf das "afrikanische Indien" zu bringen ;)

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #24 am: 29. Juni 2018, 15:48:03 »

22.5. Unterwegs nach Gondar

Eshetu und ich müssen uns auf der ersten Fahrt allein miteinander erstmal aufeinander einschwingen. Etwa alle halbe Stunde dreht er sich zu mir und fragt “Are you OK?”, was ich stets bejahen kann.

Und ich muss mich auf Äthiopien immer noch einschwingen… Es warten bizarre und fremdartige Eindrücke auf mich. Afrika ist hart, und das merkt man so schon schnell. Bilder flitzen an mir vorbei, im Grunde zu schnell um sie zu erfassen.

Ein bis auf ein T-Shirt völlig nackter Mann läuft auf der Straße umher, niemanden kümmert es. Eine prunkvolle Beerdigung mit einem endlos scheinenden Zug weiß gekleideter Leute. Kurz darauf eine ärmliche Beerdigung, bei der zerlumpt Gekleidete eine Trage mit Lumpen zu tragen scheinen. Ein Hund gerät zwischen uns und den Gegenverkehr und kommt zwischen die Räder. Bei einem kurzen Blick zurück sehe ich, wie er zuckend verendet. Menschen kacken direkt neben der Straße auf das Feld. Und überall immer wieder Menschen mit Knarren, nicht nur Militär, sondern auch Bauern, von denen ich nicht weiß, ob sie ihr Hab und Gut gegen wilde Tiere oder gegen böse Menschen verteidigen wollen und wen oder was sie im Ernstfall erschießen würden. Kleine Kinder im Kindergartenalter gehen zu zweit Hand in Hand oder ganz allein am Straßenrand entlang, ohne dass ein Erwachsener in der Nähe ist. Die müssen gute Schutzengel haben!

Aber es gibt auch viele schöne Bilder, malerisch, archaisch, exotisch: Ortschaften am Rande, ursprünglich gekleidete Menschen, Tierherden, Eselgespanne, Brunnen. Es gibt weite Blicke über tiefbraune Erde auf Menschen, Tiere und Pflanzen, untermalt von der äthiopischen Musik, die Eshetu in so ziemlich jeder Minute Fahrt unablässig dudelt.

Gegen Mittag erreichen wir Gondar, eine der früheren äthiopischen Hauptstädte. Das Hotel ist etwas außerhalb, und so sehe ich von der Stadt nicht mehr als das für Touristen vorgesehene Programm.

In der etwas längeren Mittagspause bestelle ich Spaghetti Carbonara und erhalte höllisch scharfe Spaghetti Bolognese. Man besteht darauf, dass das Carbonara sei. Nun gut, andere Länder, andere Sitten. Sie schmecken gut. Als Ausgleich gibt es Kaffee aufs Haus, einen besonders liebevoll gestalteten Macchiato.

Eshetu stellt mir seinen Bruder vor, der hier lebt. Er scheint Zeit zu haben und begleitet uns über den Tag. Ein netter Junge, etwas lebhafter als Eshetu. Am Nachmittag startet das Sightseeing, es stehen hier immer die Burganlage mit den 6 Schlössern, das Kloster Debre Berhan Selassi und das Bad des Fasilides an.

Die Palastanlage besteht aus 6 Schlössern und zahlreichen Nebengebäuden, die im Laufe der Jahrhunderte von der Herrscherdynastie erbaut wurden.

Und überhaupt ist Gondar kulturell bedeutsam, denn Gondar war einst Hauptstadt Äthiopiens, bevor die “Neue Blume” Addis Abeba es wurde.













Es geht weiter zum Kloster Debre Berhan Selassi mit beeindruckenden Deckenmalereien. Wir halten uns eine ganze Weile hier auf. Der Guide erklärt, dass der Staat wenig für die Artenvielfalt in Flora und Fauna tut, dass in solchen Klostergärten allerdings Pflanzen und Tiere beheimatet sind, die anderswo keinen Platz haben und nicht geschützt sind. Und so betrachten wir, wer alles zur Vogeltränke kommt und sich einen kleinen Drink genehmigt.













Letzter Halt des Sightseeing ist das Bad des Fasilides. Im Januar ist dieses das Zentrum des Timkat-Festes, das der Guide allerdings so zungenbrecherisch ausspricht, dass ich das Wort kaum wiedererkenne, also doch lieber einfach “Timkat”. Dieses ist das Fest der Taufe Jesu, und so wird Jahr für Jahr die Taufe im Jordan nachgestellt.

Das große Becken um dieses Wasserschloss wird mit Wasser gefüllt, es gibt eine Prozession, und die Menschen baden im Wasser. Ich habe BIlder gesehen und bedaure ein wenig, dass ich nicht dabei bin und einfach nur ein trockenes Becken erlebe…

Dafür kann ich die Banyan-Trees und Feigenbäume bewundern und die malerisch anmutenden äthiopischen Frauen, die hier Pflasterarbeiten machen. Malerisch ja, aber knochenhart, der Job.







Der Guide macht seinen Job ordentlich. Ich bedaure dennoch, dass hier offenbar nicht vorgesehen ist, dass ich alleine in die Stadt gehe, aber andererseits sieht die Innenstadt auf den ersten Blick zumindest nicht sehr einladend aus, auch wenn sie als “lebendige Universitätsstadt” so mancherorts gepriesen wird. Nun gut, ist OK…

Und so hänge ich noch ein wenig am Pool ab. Hineinzugehen habe ich keine Lust, denn heute hängen dunkle Wolken am Himmel, Wind weht, und insgesamt ist es recht frisch.

Abends werde ich von Eshetu abgeholt. Hier geht man im “Four Sisters” essen, ein Lokal, das ein bisschen außerhalb und etwas höher liegt, sodass Laufen auch hier nicht angesagt wäre. Das Essen ist wieder mal spottbillig, der Tej (äthiopischer Honigwein) schmeckt besser als in Addis. Meine Speisenauswahl auf Injera ist so reichhaltig, dass ich gar nicht alles aufessen kann.

Injera kann man in Äthiopien nicht entgehen. Das ist ein oft etwas säuerliches pfannkuchenartiges Brot, das es hier zu so ziemlich jeder Mahlzeit gibt und mit dem man die Speisen aufnimmt. Wer kein Injera mag, findet aber in Restaurants auch anderes Essen: Die Italiener haben in den 30er Jahren das Land für 5 Jahre besetzt und Spaghetti und Pizza hinterlassen, auch "normale" Gerichte wie Fleisch, Geflügel oder Fisch mit Reis oder Pommes und Gemüse gibt es.

Eshetu hingegen vertreibt sich die Zeit damit, dass er telefoniert und auf seinem Handy tippt. Aber er passt gut auf mich auf, so liegen in Sekundenschnelle  Servietten da, als ich ungeschickt beim Essen mit den Händen die Soße über den Tisch verteile, und auch mein Kaffee nach dem Essen steht dank seiner Aufmerksamkeit und Sprachkenntnisse sehr schnell vor mir.

Beim Verlassen des Lokals gibt es Gegenverkehr. Zwei Männer in so etwas wie Regenmänteln tragen jeweils ein halbes enthäutetes Schaf über der Schulter ins Lokal. Oh, das wird für morgen sicher reichen!

Wir sind wieder am Hotel. Ich sitze noch eine Weile in der Lobby und schicke Nachrichten in die Heimat. Zu voll ist mir das Herz von den Eindrücken der heutigen ersten Fahrt über mehrere Stunden über Land. Eigentlich gar nicht so schlecht, dass ich recht viel Pause im Hotel hatte, zu viel Information wäre vielleicht auch überfordernd gewesen.

Ich surfe bis der Strom und somit auch das Internet ausfällt. Bei dem düsteren Himmel heute ist sicher irgendwo ein Unwetter. Und so suche ich im Schein der Taschenlampe die Stirnlampe, die mir hilft mich beim Zähneputzen zurechtzufinden.

Christina

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #25 am: 29. Juni 2018, 18:06:13 »
Ein sehr interessanter Bericht über ein Land, zu dem mir eigentlich nur Hunger, Wüste, Trockenheit und Armut einfällt. Soviel Grün und gar alte Burgen oder Schlösser hätte ich nicht erwartet.
Ich würde allerdings nicht damit klar kommen, ständig einen Guide oder sogar mehrere dabei zu haben, aber das bist du ja schon aus Indien gewöhnt.

Sind in den Hotels hauptsächlich ausländische Touristen oder auch Äthiopier?


LG Christina

Paula

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #26 am: 29. Juni 2018, 21:13:52 »
Ein bis auf ein T-Shirt völlig nackter Mann läuft auf der Straße umher, niemanden kümmert es. Eine prunkvolle Beerdigung mit einem endlos scheinenden Zug weiß gekleideter Leute. Kurz darauf eine ärmliche Beerdigung, bei der zerlumpt Gekleidete eine Trage mit Lumpen zu tragen scheinen. Ein Hund gerät zwischen uns und den Gegenverkehr und kommt zwischen die Räder. Bei einem kurzen Blick zurück sehe ich, wie er zuckend verendet. Menschen kacken direkt neben der Straße auf das Feld. Und überall immer wieder Menschen mit Knarren, nicht nur Militär, sondern auch Bauern, von denen ich nicht weiß, ob sie ihr Hab und Gut gegen wilde Tiere oder gegen böse Menschen verteidigen wollen und wen oder was sie im Ernstfall erschießen würden.

Birgit ganz ehrlich: So was ähnliches hätte ich erwartet und das ist nicht das was ich im Urlaub sehen will, genau solche Szenen sind der Grund warum ich mich in Drittweltländern nicht wohlfühle. Du nimmst das alles sehr gelassen (auch die Belästigung am Vorabend), mich würde es grausen ehrlich gesagt. Für mich wäre das wohl nix, aber auf die Naturwunder die Äthiopien zu bieten hat bin ich sehr gespannt!
Viele Grüße Paula

Silvia

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #27 am: 29. Juni 2018, 22:26:44 »
Weißt zu zufällig was das für ein Vogel ist? Der ist ja zuuu goldig. Gibt's von dem auch ein normales Foto, er ist mir etwas zu flott um ihn richtig zu erkennen.  ::)


Es warten bizarre und fremdartige Eindrücke auf mich. Afrika ist hart, und das merkt man so schon schnell. Bilder flitzen an mir vorbei, im Grunde zu schnell um sie zu erfassen.
So ging es mir unterwegs des öfteren schon mal. Hinterher versuche ich das Gesehene auf die Reihe zu bekommen, was oft nicht einfach ist.


Ich würde allerdings nicht damit klar kommen, ständig einen Guide oder sogar mehrere dabei zu haben.
Das ist auch etwas, womit ich Schwierigkeiten hätte. Hört sich zwar seltsam an, da ich ja auch Gruppenreisen mache, aber da kann ich mich ja absetzen. Hier konzentriert sich der Guide ja nur auf mich.

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #28 am: 29. Juni 2018, 23:57:33 »
Das mit den Guides fand ich sehr unterschiedlich. Außer zu Muller habe ich noch zu 2 der Guides und zum Fahrer Kontakt und habe den Kontakt von einem weiteren Guide.

Ich fand den Gedanken im Vorfeld auch stressig. Rückblickend wäre genau einer der Guides problemlos verzichtbar gewesen, in Gondar. Einen anderen fand ich stressig, weil der ein bisschen unsensibel war bzw. in dem Konflikt zwischen Mullers Anweisung und meiner wetterbedingt schlechten Laune, aber unverzichtbar in den Simien Mountains.

Bei Lalibela bin ich mir nicht sicher, aber auch da hatte es Vorteile ihn als Türöffner zu haben. Und Biniyam in Harar war einfach so eine supercoole Socke, auf den hätte ich nicht verzichten mögen.

Beispielsweise wäre die Tour in Bahir Dar alleine nicht so relaxt zu organisieren gewesen: Da ist nicht ausgeschildert, wo man entlang läuft, wenn man die kurze Wanderung an den Fällen des Nil machen will. Es gibt keine offizielle Fähre zum Kloster, die Nilüberquerung will auch irgendwie organisiert sein. Durch den Wald hätte ich allein nicht gefunden. Ohne Ortskenntnis kann man dem Fahrer nicht beschreiben, wo er hinkommen und warten soll, damit man nicht doppelt so viel Zeit für doppelte Wege hat.

Warum soll ich mich mit dem Stress belasten, wenn es auch ohne geht?

Ich hatte dann später bei der Tour in die Danakil ein deutsches Pärchen kennengelernt, die für eine Weile in Addis leben. Die meinten, dass sie alle ihre Touren ähnlich organisiert hatten. Es geht sicher auch anders mit Taxi und Bussen und ohne Guide, nur braucht das Zeit und wahrscheinlich Sprachkenntnisse.

Wenn man den Guide für sich alleine hat, hat es wenig damit zu tun, dass man sich einen abgeschmackten Spruch nach dem anderen anhört, es ist eher so, dass man Begleitung hat, die unkompliziert Möglichkeiten eröffnet. In Gruppen hat man diese Möglichkeit nicht, insofern ist es schon etwas völlig anderes. Aber es ist sicher schon so, dass man klar sagen muss, was man will und was nicht.

Letztlich braucht man nur in den Simien Mountains zwingend Guide und Scout und die Tour in die Danakil geht nicht allein auf eigene Faust. Alles andere kann man auch alleine machen, wenn man will.

Birgit

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Re: Äthiopien: Big Smile in the “Land of Origins”
« Antwort #29 am: 30. Juni 2018, 00:16:33 »
Christina, in den Hotels war ich meistens die einzige Touristin, es waren in jedem Fall mehr Einheimische in den Städten in den Hotels als Touristen. Selten war nochmal noch eine Gruppe da, individuelle Touris habe ich (fast) nie gesehen. Ich war auch sehr zu Saisonende dort bzw. schon in der Nebensaison.

Silvia, wie der Vogel hieß, hat der Guide mir verraten. Er hat extra dafür noch jemanden angerufen. Ich habe es aber vergessen. Die Flügel sind auf der Unterseite rot, was man aber nur beim Fliegen sieht. Es gibt dort aber etliche Vögel, die ich nie zuvor gesehen habe, von großen Geiern bis zu winzigen niedlichen Piepmätzen.