4. Tag – Dienstag, 16.05. (Cassis, Calanques)
Das Wetter ist weiterhin schön, daher steht für heute die zweite Wanderung auf dem Plan, für die Sonne und ein Tag unter der Woche Bedingung ist: von Cassis zu mehreren Calanques.
Nach der üblichen morgendlichen Routine, meine Kopfschmerzen sind zum Glück über Nacht verschwunden, starten wir gegen 8.15 Uhr. Erster Stopp ist bereits beim Supermarkt in Coustellet, wir brauchen wieder Proviant für den heutigen Tag.
Dann geht es weiter bis nach Cavaillon und dort auf die Autobahn in Richtung Süden. 120 km Fahrt sind es bis nach Cassis, die Autobahn ist zunächst sehr voll, vor allem sind sehr viele Lkw unterwegs. Insgesamt stellen wir fest, dass hier im Süden wesentlich mehr Verkehr ist, als in den Regionen, in denen wir bisher unsere Ferien in Frankreich verbracht haben. Das gefällt uns weniger und bereits jetzt entscheiden wir, dass wir in diesem Urlaub nicht nach Marseille fahren werden, dies unser einziger Ausflug ans Meer bleiben wird.
Der Verkehr wird weniger als wir von der A7, die bis nach Marseille führt, abzweigen und die A8 in Richtung Aix-en-Provence nehmen und noch ruhiger wird es auf der A52 und schliesslich der A50 mit der wir Cassis erreichen. Sehr beeindruckend ist die Landschaft. Meist wird es ja, wenn man sich einer Küste nähert, sehr flach. Hier türmen sich aber die Berge in die Höhe, teils grau-gelblich, teils rötlich gefärbt und in tollen Formen.
Fürs Parken in Cassis hatte ich vorab zwei Parkhäuser rausgesucht, diese sind nun ab dem Ortsrand ausgeschildert, so dass wir keine Probleme mit der Parkplatzsuche haben. Das Parkhaus ist ganz neu und schick gemacht, das Oberdeck ist bereits voll, aber wir wären wegen des Schattens sowieso nach unten gefahren. Wir parken und ziehen unsere Wanderschuhe an, nutzen die saubere und moderne Toilette und spazieren gegen 11 Uhr los in Richtung Hafen (Müller Wanderführer Nr. 36).
Das kleine Städtchen mit nur 7700 Einwohnern macht einen netten Eindruck. Enge Gässchen mit Boutiquen führen leicht bergab, bis man den Hafen erreicht.
Hier sind noch einige der traditionellen alten Fischerboote festgemacht, überwiegend aber moderne Jachten und Ausflugsboote. In den Häusern hier am Hafen befinden sich hauptsächlich Hotels und Restaurants, insgesamt wuseln hier für unseren Geschmack zu viele Leute herum, so dass wir froh sind, als es am Ende des Hafenbeckens wieder ruhiger wird.
Der Weg führt weiterhin an der Küste entlang, bald erreichen wir einen Strand, den Plage du Bestouan. Zum Glück haben wir keine Badesachen mitgenommen, das herrlich klare, blaue Wasser ist sehr einladend und bei den Temperaturen wäre eine Abkühlung nicht schlecht. Da wäre die Versuchung doch sehr groß, statt einem Wandertag, einen Badetag zu verbringen
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Von hier hat man auch einen schönen Blick auf den Leuchtturm an der Hafeneinfahrt, einen weiteren Strand und die Burg von Cassis, die auf den Felsen hoch über der Stadt steht.
Nun geht es durch ein Villenviertel bergauf, dann wieder bergab und nach ungefähr 15 Minuten haben wir die Stadt hinter uns gelassen und stehen auf den Felsen über der ersten Calanque, also Felsbucht, der Calanque de Port-Miou. In dieser sehr langgezogenen Calanque befindet sich ein Jachthafen. Noch bis 1981 war dies ein Steinbruch, dessen weisse Kalksteine sogar beim Sockel der Freiheitsstatue in New York und beim Bau des Suez Kanals Verwendung fanden.
Der Wanderweg führt oberhalb der Calanque de Port-Miou weiter, zunächst ist er sehr breit und fast eben.
Dann wird es felsiger, der Kalkstein ist durch die vielen Wanderer blank poliert und dadurch sehr rutschig. Es geht ein Stückchen bergauf, dann wieder bergab mit wunderbaren Ausblicken auf die Einfahrt in die Calanque de Port-Miou und auf die Klippen, die sich hinter Cassis erstrecken.
Nach zwanzig Minuten erreichen wir die Calanque de Port-Pin mit herrlich klarem, in Grüntönen schimmerndem Wasser.
Auch hier ist die Versuchung gross, den Rest des Tages am und im Wasser zu verbringen. Nein, nach einer kurzen Pause wandern wir natürlich weiter, nun steht uns der anstrengendste Teil des Tages bevor.
Auf einem felsigen, aber dennoch ganz gut zu gehenden Pfad geht es relativ steil bergauf, die Sonne brennt schon sehr und natürlich gibt es kaum Schatten. Nach einer halben Stunde ist dieser schweißtreibende Aufstieg geschafft und wir machen auf dem breiten Felsplateau eine Pause, wie unzählige andere Wanderer auch. Die meisten tragen Wanderschuhe wie wir, einige schleppen Kletterseile, in der nächsten Felsbucht sind beliebte Kletterfelsen, aber es gibt auch viele junge Leute, die leichte Stoffturnschuhe tragen und statt eines Rucksacks die Badetasche in der Hand haben, na ja, immerhin sehen wir keine Flipflops.
Der Blick die Felswand hinunter, die wir nun überwinden müssen, ist schon etwas furchterregend, eine ältere Dame erklärt ihren Mitwanderern, dass sie sich das nicht zutraut und umdrehen möchte. Ich stelle mir vor, wieviele Warnschilder an solch einer Stelle wohl in den USA stehen würden, vielleicht wäre der Abstieg sogar verboten. In den Alpen wären zumindest Ketten und Steighilfen an den heftigsten Stellen montiert, hier müssen wir nun ohne jegliche Hilfsmittel hinunter. Die Kameras kommen in den Rucksack, dann geht es los. Zum Teil sind die Felsenbrocken so hoch, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als auf dem Hintern mit den Füßen voraus hinunterzurutschen und mich mit den Händen festzuhalten.
Ein Spaziergang ist es natürlich nicht und Peter hat aufgrund seiner Höhenangst noch ein paar Probleme mehr als ich, aber wir erreichen nach ungefähr einer halben Stunde sicher den Grund der Schlucht. Jetzt kann ich die Kamera endlich wieder rausholen, leider vergesse ich, Fotos von der Felswand, die wir gerade überwunden haben, zu machen.
Nun geht es auf einem breiten Steinweg zwischen den Felswänden in wenigen Minuten leicht bergab bis zur traumhaften Calanque d’en Vau: fast weißer Kiesstrand, türkisfarbenes Wasser und hohe Felswände an beiden Seiten, wirklich wunderschön.
Ein längerer Aufenthalt wird uns aber leider durch die Menschenmassen, die sich hier befinden, verleidet. Es ist Dienstag, Mitte Mai, außerhalb jeglicher Ferien oder Feiertage, die Stelle ist nur durch einen langen Fußmarsch zu erreichen, wo kommen all die Leute her? Direkt am Wasser ist es nicht ganz so voll, aber im hinteren Bereich, wo ein paar Büsche und die Felsen Schatten spenden, sitzen überall Leute, essen und ruhen sich aus. An den hohen Felsen sind einige Kletterer zu sehen.
Nach ungefähr einer halben Stunde treten wir den Rückweg an. Dieser führt auf einem breiten Steinweg, umrahmt von viel Grün und hohen Felsen leicht bergauf.
Nach und nach werden die Felsen niedriger und der Weg steiler. Immer wieder kommen uns junge Franzosen Anfang zwanzig entgegen, die mit ihren Badesachen in Richtung Calanque d’en Vau gehen. Dies ist zwar ein relativ einfacher Weg, kurz ist er aber nicht und zurück nach dem Baden muss man ja auch noch. Ich kann mir kaum vorstellen, dass bei uns Leute in dem Alter bereit wären, einen solchen Fußmarsch auf sich zunehmen, um Schwimmen zu gehen.
Schatten gibt es natürlich kaum, schwitzend erreichen wir eine dreiviertel Stunde später den mit 214 m höchsten Punkt für heute. Von hier hat man einen tollen Blick aufs Meer und die nun in der Nachmittagssonne rot leuchtenden Felswände hinter Cassis, sowie auf die Wohnhäuser, die auf den Felsen oberhalb der Stadt stehen.
Schließlich geht es wieder bergab und unser Ausgangspunkt, die Calanque de Port-Miou kommt ins Blickfeld.
Auf dem Weg dort hinunter überholen wir ein junges Pärchen, Deutsche wie wir an ihrer Unterhaltung hören, mit einem nur wenige Monate alten Baby, das vor der Brust des Vaters in einer Stofftrage festgemacht ist. Was muss dieses Baby schwitzen, zwischen dem schwitzenden Körper des Vaters und dem wattierten Stoff auf der anderen Seite auf den die Sonne herunterbrennt.
An der Calanque de Port-Miou kühlen wir uns mit einem Eis von einem Imbissstand ab, dann geht es auf dem gleichen Weg wie heute Vormittag durch das Villenviertel, am Hafen vorbei (der liegt jetzt im schönen Nachmittagslicht, die rötliche Farbe der Felsen im Hintergrund ist gut zu erkennen),
zurück zur Tiefgarage. Wir bezahlen EUR 10,20 fürs Parken und fahren gegen 16.15 Uhr los.
Anderthalb Stunden später sind wir wieder in der Ferienwohnung, wo wir aus den verschiedenen Resten, die sich in den letzten Tagen angesammelt haben, das Abendessen machen.
Nach den üblichen Abendbeschäftigungen klingt auch dieser Tag auf dem Balkon aus und endet wiedermal recht früh.
Wanderung lt. Wanderführer:
Gehzeit 3.35 h (unsere Gesamtzeit 4.15 h)
Strecke 13,4 km
Aufstieg 580 m
Wetter: sonnig, ca. 28 °C