Donnerstag, 4. AugustHeute nacht war es zum Glück kühler im Zimmer und ich konnte gut schlafen. Als ich um viertel vor sechs aufwache, beschließe ich, nicht direkt Richtung Old Faithful zu fahren, sondern einen Ausflug ins Lamar Valley zu unternehmen. Mal schauen, ob ich da heute morgen Wildlife erspähen kann. Ich checke aus und mache mich auf den Weg nach Osten. Inzwischen ist die Sonne aufgegangen und taucht alles in goldenes Licht. Außer mir sind erst ein paar andere Autos auf der Straße, und ich genieße das Gefühl, den Tag ganz für mich alleine zu haben.
Im Lamar Valley dauert es nicht lange bis zur ersten Bisonherde. Sie stehen links und rechts der Straße, und ab und will dann mal eins auf die andere Seite. Man hört sie schnauben und tief grunzen, und ein bisschen riecht man sie auch.
Immer wenn ich hundert Meter weiter fahre, stehen schon die nächsten Bisons links und rechts in den Wiesen. Bei so einem Anblick kann man doch nicht einfach weiterfahren, da muss man noch ein paar Fotos machen.
Zwischendurch steht zur Abwechslung immerhin ein Pronghorn neben der Straße.
Ansonsten ist es mit dem Wildlife aber nicht weit her. Wahrscheinlich ist es denen in diesen Sommertagen einfach viel zu heiß, um Posten neben der Straße zu beziehen und Touristen zu bespaßen. Nur die Bisons sind hart im Nehmen, und wenn es ihnen zu heiß wird, kühlen sie sich halt ein wenig ab.
Inzwischen ist schon ziemlich viel Zeit ins Land gegangen, die Sonne steht schon relativ hoch, also mache ich mich schweren Herzens auf den Rückweg. Aber da habe ich die Rechnung ohne die Bisons gemacht, die halten mich natürlich schon wieder auf.
Ich kann mich gar nicht losreißen. Bisher kannte ich sie nur als tumb herumstehende dunkle Fellhaufen, aber hier bieten sie einiges an Bisonleben: Sie stampfen im Dreck, wälzen sich, kämpfen miteinander, grunzen drohend, tollen umher... Ab heute bin ich Bison-Fan.
Irgendwann ist dann aber auch mal gut, und ich fahre zu den Tower Falls. Dort hole ich mir erst mal ein großes Schokoladeneis. Als ich bezahlen will, fällt mir ein, dass es hier am Tower Fall zu einer bestimmten Tageszeit einen Regenbogen geben soll, und natürlich liegt der Ordner mit meinen Notizen zum Tower Fall im Koffer vergraben, also frage ich hoffnungsvoll die Mitarbeiterin hinter der Theke, ob sie wüsste, wann es am Wasserfall einen Regenbogen zu sehen gibt. Sie lächelt scheu und antwortet mir zögernd: „After rain?“. O je, die Ärmste denkt bestimmt, ich will sie veralbern. Na ja, ist ja sowieso nicht so wichtig.
In den nächsten Minuten ziehe ich auf dem Weg zu den Tower Falls mit meinem Riesen-Schokoeis die Blicke vieler neidischer Kinder auf mich und sorge vermutlich für den ein oder anderen Familienkrach. An den Besuch bei den Tower Falls vor neun Jahren kann ich mich noch erinnern: Ich war auf dem Weg hierher als Beifahrerin im Auto eingeschlafen und fand die Wasserfälle dann auch nicht so prickelnd. Heute finde ich, dass ein paar Bäume weniger hier nicht schaden könnten, aber trotzdem sind die Wasserfälle mit den hoch aufragenden Felsen durchaus fotogen. Runter zum Fuß der Fälle kann man wohl seit einiger Zeit nicht mehr gehen.
Es ist schon etwa halb zwölf, als ich weiterfahre. Eigentlich will ich zu den Artist Paintpots, aber dann biege ich spontan noch zu den Virginia Cascades ein.
Was für die Bäume an den Tower Falls gilt, gilt auch hier: Weniger wäre eindeutig mehr. Aber ich vermute, dass eine Petition mit dem Ziel, die Bäume rund um die Wasserfälle einfach wegzuroden, wohl wenig Erfolg hätte. Freie Sicht auf einen Fluss (den Gibbon River?) gibts dann immerhin auf der Weiterfahrt.
Als nächstes erreiche ich dann wie geplant die Artist Paintpots, auch wenn ich erst mal in einer Schlange auf der Zufahrtsstraße auf einen Parkplatz warten muss. Einige Leute drehen genervt, aber das kann mir nur recht sein, dann kriege ich eher einen Platz. Letztlich sind es kaum mehr als fünf Minuten Wartezeit, dann steht das Auto in einer Parklücke. Alles halb so wild.
Die Paintpots hatten wir vor neun Jahren an einem kalten Morgen besucht, und es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich die Eindrücke sein können. Damals hat es überall gedampft, heute ist es so heiß in der Sonne, dass nur vereinzelte Dampfwolken aufsteigen. Die Gegend bietet ein buntes Potpourri an Farben, heißen Quellen, einem Geysir und Schlammtöpfen, und außerdem stimmt sie mich wunderbar auf die Gegend um den Old Faithful ein.
Besonders gefallen mir die Schlammtöpfe.
Hier wird gerade ein Oktopus-Alien-Baby geboren:
Auf der Weiterfahrt zum Old Faithful, mache ich erst noch halt an der Beryl Spring. Die dampft ganz schön, aber irgendwann steht der Wind dann noch günstig für ein Foto:
Dann komme ich an den Gibbon Falls vorbei. Es gibt zwei View Points – und natürlich wieder ein paar überzählige Bäume.
Während ich hier stehe und versuche, ein paar Fotos mit längerer Belichtungszeit zu machen, merke ich, wie mir die Hitze durch die Schuhsohlen dringt. Ich kann kaum noch stehen bleiben, und von oben knallt mir seit heute morgen immer wieder die Sonne auf den Kopf. Es ist jetzt drei Uhr und richtig heiß, und die Frage, ob ich noch die geplante kurze Wanderung mache oder zum Old Faithful fahre ist schnell entschieden, und so biege ich an der Madison Juction nach Westen ab. Hier wird der Verkehr dichter, und und ganz schlimm wird es im Bereich der Grand Prismatic Spring. Okay, wenn ich hierher will, dann werde ich das sicher früher am Tag machen, beschließe ich. Dann erreiche ich aber das Old Faithful Inn, checke ein und schleppe den Koffer in mein Zimmer im Westflügel. Leider handelt es sich dabei um einen motelartigen Anbau, aber das wusste ich ja vorher.
Ein oder zwei Fotos will ich noch von der hölzernen Hotelhalle machen, aber vorher stelle ich mich an, um für heute Abend im Restaurant zu reservieren, denn zur Abwechslung will ich mal was richtiges essen. Die Mitarbeiterin bei der Reservierung nennt mir zwei Alternativen: Entweder jetzt oder erst ab neun. Ab neun? Bis dahin bin ich vor Hunger gestorben, also wähle ich die „Jetzt“-Alternative und so geht’s halt um halb fünf zum Abendessen. Zum Glück sind um mich herum die Leute auch in verstaubte Tagesklamotten gekleidet, da komme ich mir an dem schön eingedeckten Tisch nicht ganz so deplaziert vor. Ich gönne mir ein Glas Riesling und nehme das Buffet, schaue mich noch ein wenig im Old Faithful Inn um und rolle schließlich zufrieden, wenn auch um 48 Dollar ärmer, ins Zimmer und lege mich eine Weile aufs Bett.
Um sieben zieht es mich dann doch wieder raus: Zumindest den Old Faithful will ich heute noch sehen. Am Visitor Center gibt es für den Old Faithful folgende Vorhersage: 8.15 Uhr +/- 10 Minuten. Aber da steht auch, dass der Castle Geysir um 7.30 Uhr +/- 45 Minuten ausbrechen soll. Castle Geysir schlägt eindeutig Old Faithful, und außerdem ist der Castle Geysir nach dem Great Fountain Geysir mein zweitliebster Geysir. Also los, nach meiner Erinnerung liegen zwischen Old Faithful und Castle Geysir höchstens 200 Meter.
Ein paar unwesentliche Meter mehr sind es dann doch, komisch, wie in der Erinnerung Entfernungen zusammenschrumpfen. Zwischendurch sehe ich schon Dampfwolken über den Bäumen aufsteigen und habe Angst, dass ich das Spektakel verpasse. Aber nein, der Castle Geysir wartet brav, bis ich ihn erreicht und mir einen Platz gesucht habe. Und ein paar Minuten später geht die Show schon los.
Ich bin begeistert, Geysir-Ausbruch im Abendlicht, und dann gibt’s auch noch einen Regenbogen.
Und dann rufen ein paar Leute plötzlich „The Beehive“, und tatsächlich, in einiger Entfernung, aber noch gut sichtbar, geht der Beehive-Geysir los.
Ein toller erster Abend hier im der Old Faithful Gegend, denke ich und will mich schon auf den Weg zum Old Faithful machen, der vielleicht noch nicht ausgebrochen ist, als der Wind dreht, und auf der anderen Seite des Castle Geysir ebenfalls ein Regenbogen erscheint. Das macht der doch nur für mich, denke ich, und kann mich kaum losreißen.
Irgendwann mache ich mich dann aber doch auf den Weg zum Old Faithful, der heute seinem Namen keine Ehre macht, denn er ist schon eine Viertelstunde überfällig. Oder er hat extra auf mich gewartet, denn er legt los, als ich gerade ankomme. Die Sonne ist inzwischen aber untergegangen, und gegen den tollen Ausbruch eben kommt der Old Faithful nicht an.
Trotzdem ein sehr schöner Abend, und es gibt hier ja noch so viele Geysire zu entdecken. Ich überlege, ob ich nach Sonnenuntergang noch das zuhause ehrgeizig geplante Foto-Projekt "Milchstraße hinter Geysir-Ausbruch" in Angriff nehme und einen geeigneten Geysir ansteuere, aber als mein Körper mal das Bett berührt hat, will er nicht mehr raus. Ich bin einfach hundemüde. Und morgen ist auch noch ein Tag.
Gute Nacht!