Dienstag, 2. AugustHeute nacht bin ich ein paar mal hochgeschreckt. Das Irma Hotel kann ich leider nur eingeschränkt empfehlen. Mein Zimmer ist zwar groß, aber alles ist etwas abgewohnt, und am meisten stört mich, dass offenbar jeder, ganz egal ob Hotelgast oder nicht, durch einen der vielen Eingänge hereinkommen und in den Fluren herumwandern kann, anscheinend auch nachts.
Na ja, ich bin trotzdem halbwegs ausgeschlafen, und gegen halb acht mache ich mich auf den Weg zum Yellowstone NP. Beim Tanken akzeptiert die Zapfsäule trotzdem mehrfacher Versuche die Kreditkarte nicht, drinnen klappt es aber, und ich lasse noch ein paar Gallonen Sprit - hier ist es 85,5er - in den Tank laufen.
Dann breche ich auf und erreiche nach ein paar Kilometern den Chief Joseph Highway. Der schlängelt sich landschaftlich schön durch die Berge, und an einem Aussichtspunkte kann man nicht nur weite Landschaft, sondern auch kleine Chipmunks bewundern, die in der Morgensonne herumtollen.
Weiter geht die Fahrt, zuerst nach Cooke City und von hier aus in den Yellowstone NP. Den Jahrespass habe ich ja schon am Devils Tower gekauft, so bin ich schnell drinnen und freue mich, dass ich nach dem teilweise etwas stressigen Aufgalopp der Reise endlich hier bin.
Heute fahre ich die Strecke bis Mammoth Hot Springs, wo ich im Mammoth Hotel übernachte. Für unterwegs habe ich mir ein paar kleine Wanderungen und Aussichtspunkte notiert, und als erstes halte ich am Trailhead zum Trout Lake. Eine Strecke von ca. 1,5 km, dazu evtl. die Runde um den Trout Lake, das ist doch ein netter Auftakt. Das Bärenspray befestigte ich mit dem Holster am Gürtel, aber wie ich sehe, stehen schon andere Autos am Trailhead, damit fühle ich mich dann doch etwas wohler als wenn ich ganz alleine hier herumspazieren würde.
Der Weg zum Trout Lake ist ziemlich kurz und führt bergan, durch Wiesen und unter Bäumen hindurch.
Ein entgegenkommender Wanderer scherzt, ich solle besser schnell umdrehen, der View am See sei einfach nur furchtbar. Bald habe ich den See erreicht, in dem sich der gegenüberliegende Gipfel spiegelt. Tatsächlich, echt furchtbar!
Ich spaziere ein wenig am Ufer vorbei und versuche schließlich, Libellen zu fotografieren. Gar nicht so einfach, aber ein paar erwische ich dann doch.
Während ich so da stehe und auf die nächsten Libellen warte, raschelt es plötzlich neben meinem rechten Fuß. Ich bekomme einen ganz schönen Schreck, und über meinen Schreck erschreckt sich dann die Bisamratte oder der Otter oder der Biber, der sich hierher aus dem Wasser gearbeitet hatte und springt schnell wieder zurück in den See. Hm, wo ist der denn hergekommen? Ich beschließe, einfach mal zu warten, ich habe ja Zeit, und irgendwann schaffe ich es dann wenigstens, einen Schnappschuss zu machen.
Ein paar Vögel gibt es hier auch noch, und hoffentlich auch die Forellen, nach denen der See benannt ist, denn sie sind mittlerweile durch eine nicht einheimische Art bedroht.
Ich fahre weiter nach Westen und sehe bald die ersten Bisons, eine große Herde auf der anderen Seite des Flusses. Ein paar Tiere grasen getrennt von den anderen unter ein paar abgestorbenen Bäumen, und dann bemerke ich, dass ein Bison, das von meiner Flussseite aus auf die anderen Seite schwimmt. Ein Stück weiter stehen die Bisons schon dicht an der Straße und wollen offenbar auch zum Fluss. Ich schiebe mich lieber mal zum Auto zurück, damit ich notfalls flüchten kann.
Ein Stück weiter ist ein Nest zu sehen, und ich wende das Auto und halte an. Es sind wohl Falken, leider sehr weit weg, aber immerhin kann man erkennen, dass mindestens ein Jungtier im Nest sitzt. Ich beschließe, das gestern gekaufte Sandwich zu essen und suche mir einen Felsen ein wenig abseits, unter den Bäumen und direkt über dem Fluss, von wo aus man das Nest im Sitzen sehen kann und lege ein gemütliches Picknick ein.
Kaum habe ich zweimal in mein Sandwich gebissen, taucht neben mir eine asiatische Familie auf. Von überall aus kann man das Nest besser sehen als von hier aus, aber wenn ich hier sitze, muss es ja offenbar ein besonders toller Ausblick sein. Vermutlich ist das der Fluch des Teleobjektivs, der mir schon auf dem Kiss-Konzert zum Verhängnis geworden ist. Ich sehe einfach zu professionell aus. Ich erkläre der Frau, dass da ein Nest ist und dass man das Nest von dort drüben besser sehen kann, aber die asiatische Familie bleibt hinter mir sitzen und starrt nach oben, obwohl sie durch die überhängenden Zweige gar nichts sehen können. Als sie endlich gehen, taucht eine spanisch sprechende Familie auf. Mein Sandwich habe ich inzwischen gegessen und halte das Teleobjektiv nach oben Richtung Nest, aber das hindert den Familienvater nicht, mich hoffnungsvoll zu fragen, ob da ein Bär sei. Nein, kein Bär, ein Nest, erkläre ich, und dass man es von da drüben besser sehen kann. Die hoffnungsvolle Antwort lautet trotzdem „A bear?“ Nein, no bear! Just birds!
Natürlich bleiben sie alle hinter mir sitzen und warten geduldig, dass ich meinen exklusiven Posten räume. Das tue ich dann auch nach kurzer Zeit und steige wieder ins Auto.
Ein Stück weiter kreuzt dann das erste Bison fototauglich die Straße, und einem Bison direkt neben der Straße kann ich durchs Fenster in die Augen schauen.
An der Tower Junction biege ich dann kurzentschlossen nach links ab. Es ist erst Mittag, da kann ich mir ja noch ein bisschen was anschauen. Den ersten Stopp lege ich an den Calcite Springs ein, aber im Gegensatz zum Erklärfoto dampft da im Moment nichts. Bunt ist es hier trotzdem, das mag ich.
Ein Stück weiter südlich kann man dann noch schön auf den Fluss Yellowstone River und passenderweise ziemlich viel gelben Fels hinunterschauen, oben türmen sich Basaltsäulen von Vulkanausbrüchen vor unvordenklichen Zeiten, das mag ich auch.
Was ich nicht mag, ist der überfüllte Parkplatz beim Tower Fall. Nein, den hebe ich mir für irgendwann später auf, und außerdem habe ich das Gefühl, dass ich heute nicht mehr zu viel Sonne abgekommen sollte. Der Sonnenbrand vom ersten Tag ist immer noch nicht ganz weg. Also mache ich mich auf den weiteren Weg nach Westen und halte nur noch an den Undine Falls. Die sind auch sehr schön.
An den Mammoth Hot Springs erwartet mich dann richtig viel Betrieb. An der Kreuzung am Hotel schieben sich die Autos eins nach dem anderen weiter, und die Parkplätze sind dicht belegt. Ich stelle das Auto direkt vor dem Hotel ab, und zum Glück ist jetzt gegen halb vier mein Zimmer schon fertig, obwohl offiziell erst ab vier Uhr eingecheckt werden kann. Ich suche für das Auto einen Parkplatz hinter dem Hotel, was gar nicht so einfach ist, dann schleppe ich Sack und Pack mit dem einzig verfügbaren Aufzug hinauf in den dritten Stock und falle erst mal müde aufs Bett und trinke literweise Wasser. Es ist richtig heiß hier.
Nach einer Rast wage ich mich schließlich mit einer neuen Ladung Sonnencreme und der Hoffnung auf schönes weiches Abendlicht an den Sinterterrassen gegen sechs Uhr wieder nach draußen. O je, die Sonne knallt doch noch ganz schön runter. Also kehre ich in den Terrace Grills, dem Schnellrestaurant hier in Mammoth, ein und bestelle mir Chili und ein Coors. Mit dem Coors ist der junge Mann an der Essen- und Getränkeausgabe offenbar überfordert, ein Coors, was ist denn das? Wahrscheinlich darf er noch kein Bier trinken, so jung wie er aussieht.
Das Chili ist gar nicht schlecht, das schließlich doch organisierte Coors schön kalt, und als ich zu den Unteren Sinterterrassen aufbreche, ist auch die Sonne gnädiger. Viel los ist hier trotzdem noch, die Parkplätze sind gut belegt, und Heerscharen von Menschen schieben sich über die Boardwalks. Ich mache erst mal Station an der fotogenen untersten Terrasse.
Als ich dann die Treppen und Boardwalks entlang gehe, bestätigt sich leider, was ich schon gelesen hatte: Viele der Terrassen sind trocken und fangen an zu zerfallen. Ich kann mich noch an Stellen erinnern (oder glaube es zumindest), an denen ich vor neun Jahren Fotos von tropfenden Stalaktiten und Bäumen inmitten der aktiven Terrassen gemacht habe, aber hier ist jetzt nur noch Ödnis. Dafür scheint es eine neue, strahlend gelbe Quelle zu geben, die ich natürlich ausgiebigst fotografiere.
Dabei vergeht die Zeit, und als ich endlich oben ankomme, verschwindet die Sonne langsam hinter den Hügeln. Noch ein letzter Blick auf die Canary Spring, dann ist die Sonne weg. Aber trotzdem gibt es noch einiges zu sehen. Manche Ablagerungen sehen aus wie Mini-Terrassen, andere wie winzige Hoodoos, und ein bisschen Farbe finde ich auch noch.
Damit wäre der erste Yellowstone-Tag eigentlich abgeschlossen, aber halt, ich wohne ja hier in Mammoth, und natürlich begegne ich auf dem Rückweg zum Hotel den Wapitis, die sich hier regelmäßig auf den Wiesen tummeln. Auch heute abend fressen sich einige Tiere, unter anderem Mutter und Kalb, durch das saftige Grün. Aber auch hier gilt: mindestens 25 Meter Abstand, denn die Wapitis sind wilde, gefährliche Tiere.
Danach kehre ich ins Zimmer zurück, in dem es jetzt wärmer ist als draußen. Das Fenster lässt sich zwar öffnen, aber durch das Fliegengitter kommt nicht viel Luft hinein. Ich lasse alles weit offen und kuschele mich müde in die Kissen. Der erste Tag im Yellowstone hat mir schon gut gefallen, so kann es weitergehen!
Gute Nacht!