Mittwoch, 10. AugustIch habe schlecht geschlafen, bin trotzdem gegen halb sieben wach und arbeite mich aus dem Bett. Ein Blick aus dem Himmel zeigt: Sonne, keine Wolken, Regenbogenwetter! Zumindest wenn man weiß, wo. Also raus aus der Cabin, rein ins Auto, Schlüsselabgabe nicht vergessen, bye bye Old Faithful, welcome Canyon. Bis dahin fahre ich dann aber doch deutlich über eine Stunde und komme schließlich gegen halb neun am Artist Point an.
Ups, was ist denn hier los? Ein paar Autos stehen da, aber vor allem drei Reisebusse, die gerade große Mengen asiatischer Menschen ausspucken bzw. wieder einsaugen. Als ich den View Point erreiche, kann ich mich aber trotzdem in der äußersten Ecke häuslich einrichten und das Stativ aufbauen, auch wenn ich mich dabei etwas schuldig fühle, denn jetzt haben die Asiaten es noch schwerer, sich gegenseitig vor den Lower Falls im Hintergrund zu fotografieren. Aber außer mir ist niemand so dreist, einen wertvollen Platz mit einem Stativ zu belegen, also kommen wir dann letztlich doch gut aneinander vorbei.
Der Blick durch den Canyon auf die Lower Falls ist wirklich klasse. Hm, sind wir vor neun Jahren nicht hier gewesen oder vielleicht zur falschen Tageszeit? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass der Blick mich damals beeindruckt hätte. Aber vielleicht war ich damals schon so mit den bunten Farben der heißen Quellen übersättigt gewesen, dass mich nichts mehr beeindrucken konnte.
Dass man am Fuß der Lower Falls morgens von hier aus einen Regenbogen sehen kann, hatte ich schon vor einiger Zeit gelesen, aber Michael (danke!) hat mir die genauen Zeiten verraten, und so warte ich in Ruhe. Hm, noch nichts. Aber vielleicht da unten in der Ecke? Nein, Wunschdenken. Aber jetzt! Langsam schieben sich die Regenbogenfarben vor den Fuß des Wasserfalls. Nur ein paar Minuten kann man das Spektakel sehen, und die volle Regenbogenpracht zeigt sich kaum länger als ein paar Sekunden. Dann verschwindet die Farbpalette nach und nach, die letzten Farben verblassen und es ist, als wäre nie etwas gewesen. Aber ich habe es gesehen – und fotografiert. Cool!
Danach mache ich noch ein paar Fotos von den bunten Canyon-Wänden. Auch die habe ich nicht so in Erinnerung, heute schwelge ich in Formen und Farben. Irgendwann muss ich mich dann aber doch von dem Artist Point trennen, ich kann ja schließlich den Asiaten nicht alles wegfotografieren.
Als nächstes steuere ich den Parkplatz am Uncle Toms Point an. Hm, eigentlich hatte ich den Plan, morgen früh den Uncle Toms Trail zu sehen, weil dort morgens ein Regenbogen zu sehen sein soll, aber hier hängt ein offensichtlich ganz aktuelles Grizzly-Warnschild. In aller Frühe und alleine werde ich mich also definitiv nicht runtertrauen. Vielleicht ein bisschen später, wenn mehr andere Touris dabei sind.
Der Blick vom View Point in der Nähe des Parkplatzes auf die Upper Falls ist dann enttäuschend, jedenfalls im Vergleich zum Artist Point. Aber dafür gibt’s hier ein goldiges Murmeltier zu sehen, das dem Wasserfall doch glatt die Schau stiehlt.
Okay, fast halb zwölf, ich beschließe, heute mal ein frühes Mittagessen einzuschieben und fahre ins Canyon Village. In der Cafeteria bestelle ich mir „Italian Sausages“, die mit Tomaten und Paprika serviert werden. Ich hatte mir so eine Art Tomaten-Paprika-Gemüse als Beilage vorgestellt, aber das ganze sieht dann so aus, dass ich Reis, Würste und ein wenig Tomaten-Paprika-Sauce bekomme und als Beilage Püree mit Bratensauce. Okay, die Kombination finde ich zwar merkwürdig, aber der Hunger treibts rein.
So, mein Plan sieht vor, den North Rim Drive zu nehmen, von dort aus zur Kante der Upper Falls zu spazieren und dann den Weg hinunter zur Kante der Lower Falls zu nehmen. Leider ist der Trail zu den Upper Falls aber gesperrt, also geht’s doch sofort runter zu der Kante der Lower Falls.
Hier kann man ganz tief unten am Fuß der Fälle auch einen, nein sogar zwei Regenbögen erkennen, sehr schön!
Während ich hier stehe und fotografiere, wandern die Regenbögen höher. Wahrscheinlich könnte man den ganzen Tag hier stehen und zuschauen, wie sich der Blick verändert. Eine Weile tue ich das auch und genieße entspannt den Blick durch den Canyon. Unten kann man auch Mini-Wasserfälle erkennen, die den Rand des Canyons hinabfließen.
Die Kante der Upper Falls steuere ich dann doch noch an, und zwar per Auto zum offiziellen View Point. Und was finde ich hier? Natürlich wieder einen Regenbogen!
Nach einem kurzen Spazierweg erreiche ich dann auch noch die Crystal Falls, aber der Weg lohnt sich nicht wirklich. Was sich dann eigentlich auch nicht lohnt, ist der kurze Stopp auf der Weiterfahrt, als irgendein gehörntes Tier zuerst über die Straße hüpft und dann gegenüber einen Hang hinaufklettert. Ich lenke das Auto neben die Fahrbahn, aber als ich genauer schaue, ist das Tier schon verschwunden. Also weiter.
Tja, und an dieser Stelle kommt der Teil aus dem Reisebericht-Titel wieder zum tragen, der von den vielen Dellen handelt. Ich schaffe es nämlich nicht, mit dem Auto wieder unfallfrei auf den Asphalt zurückzufahren. Stattdessen gibt es plötzlich ein übles Geräusch und ich weiß: Ich habe irgendwo aufgesetzt. Sch....!
Hektisch lenke ich das Auto auf die Fahrbahn zurück. Am liebsten würde ich sofort anhalten, aber wo denn bitteschön? Etwa wieder im Schotter? Nein, ich muss mir einen richtige Parkplatz suchen. Also fahre ich weiter zum Lookout-Point am North Rim, finde zum Glück sofort einen Parkplatz und springe aus dem Auto. Aha, da vorne. ich bin mit dem metallic-blauen Frontspoiler - oder wie auch immer man so ein unnötiges Teil nennt - offenbar voll im Schotter gelandet, denn auf dem kunstvoll geformten Teil liegen noch Steine. So ein Mist! Andererseits: Besser mit dem Frontspoiler im Schotter als mit irgendwas Wichtigem. Und gegen den Hagelschaden sind das auch nur noch Peanuts. Ich kann mir die Gesichter schon vorstellen, wenn ich das Auto mit diesen Macken zurückbringe, aber daran kann ich jetzt auch nichts ändern.
Stattdessen wandere ich ein Stück am North Rim entlang. Eigentlich wäre ich gerne weiter Richtung Observation Point gegangen, aber der Point ist gesperrt, weder die Straße noch der Trail dürfen benutzt werden. So bleibt es bei einem Spaziergang und weiteren schönen Blicken in den den Canyon.
Anschließend checke ich in der Canyon Lodge ein und bekomme mein Zimmer in der Dunraven Lodge zugewiesen. Die liegt ziemlich weit vom Hauptgebäude zusammen mit anderen Lodge-Gebäuden im Wald.
Und im Wald gibt’s auch wilde Tiere. In diesem Fall ein Bison, das sich gerade gemächlich über die Wiese neben dem Eingang der benachbarten Cascade Lodge frisst. Huch, das ist aber nah! Jedenfalls keine 100 Meter weg, sondern eher 20.
Ich stehle mich mit dem Koffer durch den Eingang meiner Lodge, der einladend offen steht. Falls das Bison Lust bekommt, sich die Lodge mal von innen anzuschauen, dann kann es problemlos durch die ebenerdige Eingangstür spazieren und sogar linker Hand bequem den Fahrstuhl in die oberen Stockwerke nehmen.
Ich bringe erst mal den Koffer und mich vor dem Bison in Sicherheit und ins Zimmer. Die Lodge sieht ziemlich neu aus, sehr schön, ein totaler Gegensatz zur rustikalen Cabin, und auch die Zimmer im Westflügel des Old Faithful Inn und des Mammoth Hotels waren deutlich schlechter gewesen.
Als ich wieder herunterkomme, steht das Bison ein paar Meter vom Eingang der Cascade Lodge entfernt. Ich treffe auf eine Mitarbeiterin, der ich das Bison zeige, und sie ruft erst mal an der Rezeption an und warnt mich, bloß nicht zu nahe an das Bison zu gehen. Als ich ein wenig später meinen Kram hochgeschafft habe und aus dem Fenster schaue, steht sie aber selbst nur 10 Meter vom Bison entfernt und macht Fotos mit dem Handy. Da muss ich doch grinsen.
Kurze Zeit später taucht ein Park Ranger mit Auto auf, und ich bin gespannt, was er macht. Die Antwort: Nichts. Er fährt wieder. Aber anscheinend bezieht eine Frau Posten und passt auf, was das Bison so macht.
Ein wenig später liegt das Bison neben der Lodge und schläft. Anscheinend fühlt es sich hier ganz wohl.
Ich fahre erst mal zurück zum Hauptgebäude, suche mir ein Plätzchen in der Lounge, bestelle Nachos und gönne mir eine Stunde bezahltes Internet. Zugriff auf den E-mail-Account zu haben ist fast sowas wie die erste Rückkehr in die Zivilisation.
Danach fahre ich Richtung Hayden Valley, um Ausschau nach Wildlife zu halten. Zuerst sehe ich am Fluß etwas weißes und hoffe auf einen Pelikan, aber es sind Schwäne. Ein Stück weiter stehen ein paar Autos, und als ich hier aussteige, finde ich dann doch den erhofften Pelikan.
Mehr Wildlife gibt’s für mich im Hayden Valley heute nicht zu sehen, von den allgegenwärtigen Bisons mal abgesehen, aber so eins habe ich ja quasi neben der eigenen Haustür. Zwar haben an einigen Pullouts Leute auf Campingstühlen Platz genommen und berichten von einem Wolf, aber den könnte man nur mit dem Fernrohr sehen. Ein Stück weiter gibt es anscheinend einen Bär, aber der ist mit dem bloßen Auge auch nicht zu erkennen. Als ich dann in einen Stau gerate und erst mal mindestens 10 Minuten überhaupt nichts geht, habe ich die Wahl: Weiter im Stau bleiben und hoffen, dass ganz vorne am Stauanfang das Fotoerlebnis des Jahres auf mich wartet. Oder drehen und schauen, ob ich noch was anderes finde. Weil es schon acht ist und das Fotoerlebnis des Jahres bei diesem Tempo vermutlich ohnehin in der Dunkelheit stattfinden würde, drehe ich und fahre nochmal am North Rim vorbei, denn ich will das Falkennest finden, das ich vorhin einfach nicht gesehen habe. Nach ein bisschen rumgesuche kann ich es dann doch unten auf einem Felsen erspähen. Es ist ein Falke im Nest, der gerade frisst. Durch den vergrößerten Live-View der Kamera kann man das ganz gut erkennen, aber auf den Fotos ist kaum mehr als ein Nest zu sehen. Na ja, vielleicht morgen.
Als ich nach Sonnenuntergang im Canyon Village ankomme, ist das Bison gerade auf dem Heimweg. Oder will es noch in die Cafeteria? Es spaziert jedenfalls dicht an meinem Auto vorbei Richtung Hauptgebäude.
Ich für meinen Teil verschiebe den nächsten Cafeteria-Besuch auf morgen und gehe ins Bett.
Gute Nacht!