Fortsetzung:Wir steigen wieder in die kleinen Busse und fahren weiter. Die Guides scherzen, dass hier das Wasser zeitweise so hoch steht, dass die Lachse den Weg kreuzen. Dann halten wir plötzlich an, denn einer der Guides hat im Unterholz neben der Straße einen Bär gesehen. Wir müssen erst warten, dürfen dann aussteigen und starren angestrengt in den Wald, wo man ab und zu ein ziemlich nahes Knacken hört. Andere Gäste deuten öfter aufgeregt in den Wald, ich sehe aber nichts und wir steigen schließlich wieder ein.
Dann aber doch bald der nächste Stopp: Ein kleines Stück weiter hat es sich ein Grizzly gemütlich gemacht und liegt im Dickicht.

Von hier hat man auch einen tollen Blick auf die wolkenumhüllten steilen Berge am Fjord:

Wir fahren weiter und kommen zu einer Stelle, wo der Wald den Blick auf den Fluss frei gibt. Hier kann man zwei Bären im Unterholz erkennen, also steigen wir wieder aus. Die Bären schauen zu uns hinüber, machen einen Abstecher zum Fluss und verschwinden dann lieber doch wieder im Wald.



Die Guides sind sich offenbar unschlüssig. Warten oder doch weiterfahren?

Wir werden zu den Bussen zurückdirigiert, aber die Bären sind noch ganz nahe, also warten wir. Und dann winkt uns schließlich einer der Guides: Die Bären sind wieder im Fluss, wir dürfen zurückgehen. Ja, da sind sie, eine Mutter und ihr Junges. Das Junge jagt plötzlich im Wasser hinter den Lachsen her und direkt auf uns zu, es hat anscheinend überhaupt keine Scheu. Mir zittern die Knie, unglaublich!


Das Junge schafft es, den großen Lachs zu erbeuten und schaut zu der Mutter hinüber, als wollte es seinen Fang vorzeigen.

Die Mutter ist aber selbst beschäftigt. Sie hat einen Lachs erwischt und mit den Vorderpfoten fixiert. Hm, mal testen, wie er schmeckt. Uns wirft sie zwischendurch schwarze Blicke zu. Wir sollen bloß nicht wagen, ihr das leckere Lachsfilet wieder abzunehmen!



So richtig konnte der Lachs aber doch nicht überzeugen, er durfte entkommen, und die Bärin jagt hinter dem nächsten Beutestück her.

Zwischendurch tollt auch das Junge wieder herum und holt den nächsten Lachs aus dem Wasser.

Ich nehme den Finger kaum noch vom Kameraauslöser, Wahnsinn! Und als Zugabe balgen Mutter und Kind noch ein wenig herum.

Auf der Weiterfahrt am Fluss entlang entdecken wir weitere Grizzlys. Aus einiger Entfernung sind wieder eine Mutter und ihr Junges zu sehen. Sie verschwinden aber bald wieder im Wald.


Schließlich kommen wir zu einer Beobachtungsplattform, an der zwei Flüsse zusammenfließen. Zuerst sind wir noch alleine dort und schauen uns eifrig nach allen Seiten um. Dann erscheint in der Entfernung aber eine Bärin. Sie spaziert am Fluss entlang, vertreibt ab und zu ein paar Möwen und fängt dann an zu fressen. Die anderen Bären haben teilweise nur ein paar Bissen von jedem Lachs genommen, diese Bärin frisst aber alles, was sie kriegen kann. Sogar ein Fischgerippe wird testweise angeknabbert.





Unser Guide erklärt uns später, dass sie sich genügend Reserven anfuttert, um während der Winterruhe ihre Jungen auf die Welt zu bringen. Grizzlys bringen nur alle zwei bis drei Jahre Junge zur Welt, meist ein bis drei Jungtiere.
Es ist einfach unglaublich, die Bärin kommt immer näher, frisst in aller Seelenruhe direkt gegenüber der Plattform und stopft Lachs um Lachs in sich hinein. Sie stemmt sich mit den Vorderpfoten auf die Fische und reisst mit dem Maul das Fleisch und die Haut ab. Irgendwann setze ich die Kamera ab und genieße nur noch das Schauspiel. Ich stehe hier in der Wildnis und schaue einem wunderschönen Grizzly beim Lachsfischen zu. Mich überläuft ein richtiger Schauer, und plötzlich habe ich einen Kloß im Hals. Es ist einfach fast zu schön um wahr zu sein.




Irgendwann spaziert die Bärin weiter und die Guides rufen zum Aufbruch. Ich bin völlig bärensatt, das hätte ich heute morgen noch nicht zu träumen gewagt. Auf der Schifffahrt zurück nach Campbell River sichte ich die Fotos und stelle fest, dass ich viele Fotos löschen werde, die ich mir heute morgen noch sehnlich gewünscht hätte.
Auf der Rückfahrt zum Festland setzt heftiger Regen ein, aber nachdem es heute bis auf ein paar Sprühregenschauer trocken geblieben ist, kann ich das gut verkraften. Wir treffen nochmal auf eine kleine Delfinschule. Und zum Sonnenuntergang zeichnet sich am Horizont immerhin ein gelblicher Streifen ab.

Ich gönne mir heute abend wieder einen leckeren Burger und Bier im Pub in der Painters Lodge und treffe dort noch auf ein Paar, das auch auf der Tour war. Wir schwelgen nochmals in Erinnerungen, bis ich mich verabschiede und müde ins Bett falle.
Morgen soll das Wetter besser werden – wie oft habe ich das in den letzten Tagen schon gedacht, aber diesmal scheint es wirklich zu stimmen. Ich will nach Quadra Island, und nachmittags steht dann die Fahrt hinauf in den Norden nach Telegraph Cove an.
Gute Nacht!