Samstag, 5.9.15: UclueletEs war kaum anders zu erwarten: Nach dem schönen Tag gestern verpasst die Sonne leider ihr heutiges Date mit mir. Stattdessen die altbekannten Wolken. Ich hoffe, dass es wenigstens trocken bleibt, als ich mich nach meinem leckeren Frühstück gegen zwanzig nach neun auf den Weg mache, zum Treffpunkt für die Tour von Archipelago Cruise in Ucluelet.
Die Tour habe ich vor ein paar Tagen telefonisch von unterwegs gebucht. Vor der Buchung hat mich Toddy, die Skipperin, darauf hingewiesen, dass die Chance, Wale zu sehen, sehr gering ist. Auf Wale war ich für die heutige Tour ohnehin nicht aus, eher auf sonstiges Wildlife und die Landschaft der Broken Group Island, die auch Teil des Pacific Rim NPs sind. Aber den Hinweis finde ich fair, sie hätte mir ja sonst was versprechen können. Anscheinend haben sich die Wale früher oft in den Buchten des Broken Group Islands Archipels aufgehalten, sind seit zwei Jahren aber nur noch weit draußen zu finden, so verstehe ich jedenfalls die Erklärung, die wir heute an Bord bekommen. Es sind etwa 20 Leute an Bord, auch einige Deutsche. Die Tour soll etwa fünfeinhalb Stunden dauern, aber falls wir irgendwo auf einen Wal treffen, der sich auf den Strand wirft und mit einem Bären einen Kampf auf Leben und Tod austrägt, werden wir auch länger draußen bleiben, versichert uns Alan, der Skipper. Alan und Toddy sind ihre eigenen Chefs. Ihnen gehört das Schiff, und sie leben sogar an Bord. Sie laden uns herzlich ein, uns an Bord wie zuhause zu fühlen.
Los geht’s erst mal in Hafennähe, wo wir kurz hintereinander zwei Weißkopfseeadler in den Bäumen finden. Der erste putzt sich ausgiebig und weigert sich, in die Kamera zu schauen. Der zweite setzt sich aber mustergültig mit strengem Adlerblick in Pose.



Ein Kalifornischer Seelöwe kommt neugierig zum Schiff und winkt und spielerisch mit einer Flosse, danach sehen wir noch einen Kanadareiher, den größten Reiher Nordamerikas.




Langsam nimmt da Schiff Fahrt auf zu den Broken Islands. Unterwegs gibt es wieder einen kalifornischen Seelöwen und Seehunde zu sehen. Kalifornische Seelöwen kommen hier nicht so oft vor wie die Stellerschen Seelöwen. Sie sind eigentlich in Kalifornien und Mexiko beheimatet, ziehen aber außerhalb der Fortpflanzungszeit bis nach Kanada hinauf.




An einem der Felsen mitten im Seetang sucht Toddy nach einem Seeotter, und tatsächlich werden wir fündig. Es sind drei, eine Mutter, die rückwärts schwimmend ihr Kind auf dem Bauch trägt und einzelner Seeotter. Das Junge ist schon fast größer aus die Mutter, die Arme müht sich ganz schön ab. Leider sind die Wellen hier relativ hoch, und ich schaffe es kaum, überhaupt ein Foto zu machen. (Tatsächlich sieht man aber auf den Fotos, genau genommen sind es Ausschnitte von Bilden mit 600mm-Tele, noch mehr als vort Ort mit bloßem Auge).



Seeotter können bis zu 1,80m groß bzw. lang werden und leben vor allem in Seetangwäldern, vor allem entlang der Küsten im Nordpazifik, aber in einzelnen Beständen auch an der kanadischen und der kalifornischen Küste. Sie wurden wegen ihres dichten Pelzes gejagt und fast ausgerottet. Seit 1911 sind sie geschützt, und die Bestände haben sich wieder erholt, von ehemals ca. 1000 Tieren auf heute über 100.000 Tiere.
Die Fahrt führt uns tiefer ins Archipel hinein. Ich finde, dass sich schon wegen der Insellandschaft ein Ausflug hierher lohnt. Immer wieder fahren wir auch an Kajakfahrern vorbei. Einerseits muss es toll sein, hier zu paddeln, aber andererseits bin ich doch froh, dass wir mit dem schnellen Schiff verschiedene Spots ansteuern können.


Wir halten eifrig an den Stränden nach Bären Ausschau, entdecken aber leider keinen. Immerhin gibt es unterwegs noch eine Seelöwenkolonie zu sehen. Es sind Steller-Seelöwen, die hier viel häufiger sind als die kalifornischen Seelöwen.


Dann wird es langsam Zeit, Anker zu werfen und an Bord zu Mittag zu essen. Die Skipper stellen Tische und Stühle auf, jeder bekommt einen Picknickkorb mit dem vorher bestellten Essen. Ich hatte Hühnchen vorbestellt und habe eigentlich ein Chicken-Sandwich in einer Plastikbox erwartet, aber wir speisen stilvoll „richtiges“ Essen von echtem Geschirr.
Schließlich geht die Fahrt weiter. Immerhin gibt es noch Austernfischer zu sehen, und auf den Felsen räkeln sich Seehunde, aber immer noch keine Spur von den erhofften Schwarzbären.


Wir erreichen schließlich wieder das Festland und nähern uns, immer in Tuchfühlung zu bärenverdächtigen Stränden, schließlich wieder dem Hafen. Immer noch kein Bär, und der Skipper spricht schon Abschiedsworte. Aber wir haben dann doch noch Glück, einer der Gäste entdeckt einen Bär an einem Strand, und obwohl der Bär ohne Fernglas nur wie ein brauner kleiner Klumpen aussieht und relativ schnell im Wald verschwindet, haben wir ihn immerhin gesehen. Leider war er so weit weg und ist so schnell verschwunden, dass es nicht einmal für ein unscharfes "Beweisfoto" reicht. Schade, aber nicht zu ändern. Ich werde ja hoffentlich noch Gelegenheit haben, Bären zu sehen.
Immerhin fliegt auf dem Weg zum Dock noch ein Kanadareiher vorbei. Die Schiffe, die wir heute morgen draußen gesehen haben, liegen wieder im Hafen. Und mir bleibt schließlich auch nur der Abschied von der schönen "Raincoast Maiden". Ich kann an dieser Stelle schon sagen, dass ich mich in diesem Urlaub auf keiner Tour so gut aufgehoben gefühlt habe wie hier im "Wohnzimmer" unserer Gastgeber.



Als ich am späten Nachmittag wieder im Guesthouse ankomme, bin ich ausgekühlt und müde. Jetzt eine Weile die Füße hochlegen, denke ich, dann will ich je nach Form auf der Suche nach einem Restaurant durch Ucluelet spazieren oder dafür nach Tofino fahren. Aber später fängt es wieder heftig zu regnen an. Das ist kein lässiges Herumspazier-Wetter, sondern ein Ich-bleibe-daheim-Wetter. Also gibt’s keinen Restaurantbesuch, sondern einen Kurzbesuch im Supermarkt in Ucluelet, wo ich mir aus einen sündhaft teuren Salat und Antipasti zusammenstelle, meine Beute mit einem Sprint durch den Regenschauer zum Auto bringe und wieder im Zimmer zu Abend essen. Wozu habe ich schließlich ein Zimmer mit Küchenecke angemietet?
Morgen soll es wieder an die Ostküste von Vancouver Island gehen, und in Campbell River warten schon die nächsten Touren auf mich. Also ziehe ich heute abend lieber schon mal den Inhalt einer Speicherkarte aufs Laptop und lade die leeren Akkus auf.
Gute Nacht!