Autor Thema: Japan mittendrin  (Gelesen 59312 mal)

Lidschlag

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Japan mittendrin
« am: 19. September 2015, 13:13:18 »
So, jetzt lege ich den Thread an, damit das endlich mal was wird mit dem versprochenen Reisebericht aus Japan.

Ich war im Mai 2015 drei Wochen in Japan.
Da ich jeden Tag Reisetagebuch von etwa 170 Buchseiten geschrieben und über 3000 Bilder gemacht habe, poste ich das Ganze hier in verkürzter Form.
Ich sitze aber an einem E-book, das dann den gesamten Text und vermutlich ein paar Bilder mehr enthalten wird.

Zum Einstieg poste ich die ersten Tage der Reise vom Text her komplett.
Ab dann gibt es die Kurzform.

Es können auch Tage und Wochen vergehen, ehe ich wegen beruflichen Verpflichtungen die nächste Folge posten kann.
Bitte habt Geduld mit mir.


Japan mittendrin!


Japan? Das ist doch das Land der Kirschblüten, der Geishas, der Samurai, die Heimat der Sushis und Animes.
Ist das aber nicht auch das Land, wo im zweiten Weltkrieg zwei Atombomben Hiroshima und Nagasaki ausradierten, wo ein Erdbeben der Magnitude 7,2 in den Neunzigern Kobe zerstörte und eine Tsunami in jüngster Zeit in Fukushima den Supergau zur Realität werden ließ? Und ist das nicht eines der teuersten Reiseländer der Welt? Da willst du hin?
Ja, will ich und das schon seit acht Jahren. Aber nie hat das Geld und die Zeit gereicht. Jetzt aber ist das Japan-Sparschwein bis zum Rand gefüllt und den Rest werde ich schon einrichten können.
Leider spreche ich kein Wort Japanisch. Aber mein Englisch ist ganz passabel.
Trotzdem will ich das Land nicht in einem Touristenbus kennen lernen, der die Gäste nach strengen Zeitplänen von einer Attraktion zu nächsten karrt, um sie nach erledigtem Tagesprogramm im für Europäer genehmen Hotel abzuliefern, wo man mit dem verköstigt wird, was das Hotelmanagement für europäisches Buffet hält.
Ich wünsche mir eine Reise mittendrin: die Rushhour in der U-Bahn Tokyos hautnah zu erleben, einen ganzen Tag lang ohne Zeitdruck durch Kyoto zu spazieren, im öffentlichen Bus bei kichernden Mädchen in Sailormoon-Schuluniformen zu sitzen, von Japans Küche zu probieren, was immer und wo immer es mir gefällt, dem Nordpazifik zuzusehen wie er an die Küste Japans schwappt, mit allen Sinnen Japan erfahren, riechen, schmecken, fühlen, hören, sehen mit mehr Zeit als eine übliche Pauschalreise erlaubt.
Und doch, ich traue mich nicht so recht alleine, denn die japanische Schrift kann ich auch nicht lesen. Deshalb mache ich mich auf die Suche nach einem Spezialveranstalter. Schließlich finde ich im Internet ein Reisebüro, das einem Japaner gehört. Er veranstaltet schon seit vielen Jahren Gruppenreisen in sein Heimatland, die etwas drei Wochen dauern und für mich bezahlbar sind, bezahlbar auch deshalb, weil die Reisen nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln stattfinden und es häufig Abende mit Selbstverpflegung gibt.
Hm, nun ist es doch eine Pauschal- und Gruppenreise!
Ja, aber eine besondere. Als Einzelreisende habe ich ein Einzelzimmer gebucht. An jedem Ort bleiben wir ein bis drei Tage, manchmal sogar länger. Es sind einige freie Tage eingeplant, die man selber gestalten kann und Ziele im Programm, die von westlichen Besuchern nicht so häufig oder gar nicht frequentiert werden, wie etwa Aoki, eine sehr ländliche Gegend bei Ueda. Wo das genau liegt, finde ich erst nach einigen Recherchen im Internet heraus. Ja, das sieht doch gut aus! Genau so eine Reise suche ich, näher dran am Alltag der Japaner als die üblichen Pauschalreisen.

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #1 am: 19. September 2015, 14:14:29 »
Von Frankfurt nach Tokyo

Um 10 Uhr an einem Donnerstag morgens im Mai geht es los. Ursprünglich wollte ich mit der Bahn an den Frankfurter Flughafen fahren. Aber die Lockführer streiken mal wieder. Ich schenke mir deshalb die Luxusvariante und lasse mich von einem Flughafentransport abholen. Am Flughafen angekommen, kann ich gut beobachten, wie die Fluggesellschaft, mit der ich fliegen werde, immer weiter Personal einspart und dafür den Fluggästen mehr Eigenleistung aufhalst. Ich muss sowohl selber elektronisch einchecken wie auch mein Gepäck selber wiegen und die ausgedruckte Schleife, die ich am Schalter von der Servicekraft bekomme, auch noch selber an meiner Reisetasche befestigen. Wie ich beim Wiegen feststelle, war das Packen eine Punktlandung. Fünfzehn Kilo sind das Wunschgewicht der Koffer beim Reiseveranstalter und genau fünfzehn Kilo zeigt die Waage an.
Bei der Reisekontrolle mache ich dann Bekanntschaft mit dem Ganzköperscanner und führe noch einen netten Smalltalk mit dem Sicherheitsbeamten, der meine Kamera durchcheckt.
Und dann begebe ich mich auf Wanderschaft zu Gate Z50 zum Flug nach Japan um 13:40 Uhr. Das Einchecken an Bord ist problemlos. Ich habe einen Fensterplatz und genieße den Sonnenuntergang. Da aber schon um sieben Uhr abends europäischer Zeit im Flugzeug das Licht ausgemacht wird, kann ich die ganze »Nacht« nicht schlafen.

Und ab gehts!



Sooooooo weit!




Schlaflos, aber wenigsten sieht man den Mond.




Japan!




Tokyo!




Als wir  am Freitag Morgen um sieben Uhr japanischer Zeit in Narita landen, hoffe ich, dass ich den Tag gut überstehe. Aber erst mal muss die Reisegruppe die Einreiseformalitäten hinter sich bringen.
Es hat hohen Unterhaltungswert wie vor den drei Einreiseschaltern zwei »Domteure« versuchen die endlose Touristenschlangen zu bändigen. Wie Marathonläufer rennen sie laut rufend die  Warteschlangen entlangen, teilen sie, leiten sie um, um sie dann erneut zusammenzuwinken, alles zu dem Zweck möglich viele Reisende in möglich kurzer Zeit vor den Einreiseschaltern zu ordnen.
Am Schalter werden die Abdrücke des rechten und linken Zeigefingers genommen. Hinterher darf man auf einen Blümchen umrahmten Bildschirm gucken, der eine Aufnahme von meinem übernächtigten und dadurch zerknautschten Gesicht produziert.
Nachdem das Gepäck geholt und der Zoll erledigt ist, passieren wir an den Rolltreppen einige sich freundlich verbeugenden Damen, die ein sanftes »Oheija goseimas« hinhauchen und mit makellos weißen Handschuhen die weitere Richtung weisen. Bald sitzen wir in der Kensei-Ubahn, die aus dem Bahnhof von Narita und an frisch gesetzte Reisfelder vorbeirollt. Bambus wippt neben hellgrünen Laubbäumen im Wind. Eine waschechte holländische Windmühle rauscht vorbei, genauso wie gepflegte Häuser und millimetergenau geschnittene Hecken und Bäume. Allmählich verstädtert die Gegend. Die Häuser werden höher, die Bebauung dichter. Nach siebzig Minuten sind wir in Tokyo angekommen, steigen in vier Taxis und fahren zu unserem Hotel im Stadtteil Asakusa.

Taxi nach Asakusa


Ilona

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #2 am: 19. September 2015, 17:01:58 »
Erste  :adieu:. Auch wenn es Tage oder Wochen dauert - wir haben doch Zeit  :cool2:.
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat" (Erich Kästner)


Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #3 am: 19. September 2015, 19:09:17 »
Erste  :adieu:. Auch wenn es Tage oder Wochen dauert - wir haben doch Zeit  :cool2:.

Ok, dann teile ich dir mal zum Einweichen und Genießen dein Plätzchen im Onsen zu . (^.^)

Andrea

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #4 am: 19. September 2015, 21:50:56 »
Huih, es geht tatsächlich direkt los. Das ist genau das, was ich nach einem mehr als chaotischen Nachmittag brauche. Schon jetzt komme ich durch deinen schönen Schreibstil total runter - das tut gut.

Was du von deinem Veranstalter und der Art des Reisens schreibst, klingt sehr gut. Hoffentlich erfüllen deine und meine Erwartungen sich auch!
Liebe Grüße, Andrea



www.antiwalks.eumerika.de

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #5 am: 19. September 2015, 22:46:47 »
Was du von deinem Veranstalter und der Art des Reisens schreibst, klingt sehr gut. Hoffentlich erfüllen deine und meine Erwartungen sich auch!

Youkoso (willkommen), Andrea!

Ich verrate nix. Lehn dich zurück und genieße den virtuellen Sake. Er muss aber noch ein bisschen köcheln.

Paula

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #6 am: 20. September 2015, 08:27:14 »
Oh Klasse da bin ich auch dabei! Was du über den Reiseveranstalter erzählst klingt wirklich interessant, ich bin sehr gespannt wie es weitergeht! Wieviele Leute waren in der Reisegruppe? War der Reiseleiter Deutscher oder Japaner? Japanisch konnte er wohl oder?
Viele Grüße Paula

Flicka

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #7 am: 20. September 2015, 08:53:41 »
Dann reserviere ich auch mal noch einen Platz im Shinkansen. Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen, soweit du sie hier berichtest. Darf ich fragen, was es mit dem geplanten E-Book auf sich hat?

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #8 am: 20. September 2015, 11:03:41 »

Allen neu Zugestiegenen ein herzliches Youkoso. 

Bitte nehmt Platz. Der Servierwagen mit Bentos und Erfrischunsgetränken ist schon auf dem Weg.

@Paula
Der Reiseveranstalter ist gebürtiger Japaner. Er führt die von ihm veranstalteten Reisen selber als Reiseleiter durch. Laufen zwei Reisen parallel, so wie im meinem Fall, unterstützt ihn eine Reiseleiterin. Sie hat in Japan Japanologie studiert und macht den Reiseleiterjob schon seit langer Zeit. Als ich vor der Reise Fragen hatte, konnte ich direkt mit ihr am Telefon sprechen.
Meine Reisegruppe bestand aus zwölf Leuten, inklusive der Reiseleiterin vier Frauen, acht Männer.

@Flicka
Was genau möchtest du denn über das E-Book wissen?

Flicka

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #9 am: 20. September 2015, 11:33:16 »

@Flicka
Was genau möchtest du denn über das E-Book wissen?

Nichts spezielles, ich war einfach nur neugierig.

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #10 am: 20. September 2015, 12:07:03 »

@Flicka
Was genau möchtest du denn über das E-Book wissen?

Nichts spezielles, ich war einfach nur neugierig.

Ah, ok!
Das Ebook ist noch nicht auf dem Markt. Ich erstelle es grade zusammen mit diesem Reisebericht.

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin - Tokyos Senjoji
« Antwort #11 am: 20. September 2015, 14:50:47 »
Im Hotel angekommen, bringen wir unser Gepäck in einen abschließbaren Raum, weil wir erst in drei Stunden unsere Zimmer beziehen können. Um die Zeit bis dahin zu nutzen, unternehmen wir eine ersten Besichtigungstour.
Bei fünfundzwanzig Grad und blauem Himmel spazieren wir zum Fluss hinunter, dort wo der Skytree links neben der Asahi-Brauerei in den Himmel ragt. Ausflugsboote schippern vorbei und Touristen lehnen sich über das Steingemäuer der Brücke nebenan, um die Aussicht und die Sonne zu genießen. Mich erinnert die Szenerie sehr an den Bund von Shanghai und die beiden Gebäude der Asahi-Brauerei bringen mich zum Schmunzeln. Das helle Bierglas mit Schaum in Form eines Hochhauses ist deutlich zu erkennen. Das kleine Gebäude rechts daneben, das wohl ein dunkles Bier mit Schaum darstellen soll, ist für mich aber eher eine schwarze Cappuccinotasse mit nach Kaffee duftendem Dampf. 



Die Fotoapparate der Gruppenmitglieder treten in Aktion und nach wenigen Minuten sind wir wieder unterwegs Richtung Senjoji-Temple, an dem wir vorhin vorbeigelaufen sind.
Man erzählt sich, dass 628 nach Christus  zwei Brüder eine Statue der Göttin Kannon (Göttin der Barmherzigkeit) aus dem Fluß Sumida gefischt hätten. Sie warfen die Statue mehrfach wieder ins Wasser, doch immer wieder wurde sie an der gleichen Stelle angeschwemmt. Deshalb errichtete man Kannon zu Ehren an dieser Stelle einen Tempel, den Senjoji. 645 nach Christus wurde er fertig gestellt und ist somit der älteste Tempel Tokyos. Da in Japan Buddhismus und Shinto eine Verschmelzung eingegangen sind, befindet sich auf dem Tempelgelände sowohl ein Schrein als auch ein buddhistischer Tempel.
Nun betreten wir diesen Tempel, der für seine riesigen Laternen bekannt ist, die in den Toren und am Tempel selber hängen. Wenn die Laterne am Eingangstor, dem Donnertor, herunterfallen würde, könnte sie einem mit ihrem Gewicht sicher erschlagen. Wie all die anderen riesigen Laternen des Senjoji ist sie aber mit vier dicken Tauen gesichert. Ich möchte sie mir von unten anschauen und entdecke ein interessantes, in den Holzboden geschnitztes Motiv. Ich ernte neugierige Blicke, als ich die Kamera für dieses Bild auf den Boden lege. Aber gleich danach versucht sich eine chinesische Reisegruppe ebenfalls an dem sich durch den hölzernen Himmel windenden Drachen.



Ist man unter der Laterne durchgegangen, dann taucht man in eine geschäftige, von Ständen gesäumten Flanierstraße ein, in der alles zu finden ist, was Touristen und Japaner sich zur Zerstreung wünschen: Buden mit Fächern, Ess-Stäbchen in den verschiedensten Hölzern und Designs, Schals, Schuhe, Socken, No-Masken, Schreibutensilien, Stofftieren und Devotionalien für den Hausgebrauch, Kimonostoffe, Andenkennippes und Spielzeug. In der Mittagshitze  wabbern Jahrmarktsdüfte über den Ständen, die Süßigkeiten anbieten. Jede Tüte Leckereien ist frisch zubereitet und erhält beim Verkauf vor den Augen des Kunden einen Datums- und Firmenstempel und vielleicht noch ein Schleifchen als Verzierung. Trauben von Schulklassen auf Klassenfahrt sammeln sich wie schwärmende Bienen vor Süßigkeitsbuden. Rentner probieren mitten im Gewühl Schuhe, die ein paar Stände weiter angeboten werden. Männer kaufen die Taschen, die ihre Anbeteten grade in den Tiefen eines Lederladens erstöbert haben oder den Parfümflacon, der so exotisch aussieht. Der Menschenstrom wälzt sich nicht nur in eine Richtung. Die einen verlassen das Tempelgelände, die anderen streben zum Hauptgebäude, Grüppchen, die sich gegenseitig ausweichen, Pärchen, die sich in dem ständigen Hin und her ein Durchkommen suchen, Leute, die sich am Rand des Gewühls durchschlängeln.



Wenn man das zweite Tor mit drei riesigen Laternen passiert, werden die Geräusche der Geschäftsstraße leiser, doch auch hier drängen sich die Menschen auf dichtem Raum. Man ist im Tempelvorhof angelangt, wo man Talismane in Form von kleinen, mit Brokatstoff überzogenen Täfelchen gegen die Übel dieser Welt erstehen kann, wo Weissagestäbchen in Blechdosen geschüttelt werden, um die Zukunft vorherzusagen, wo ein großes Räucherbecken vor sich hinqualmt und demjenigen Linderung oder Heilung verspricht, der den Rauch dorthin fächelt, wo es am meisten schmerzt. Und hinter dem Räucherbecken hängt die letzte Laterne, unter ihr der Bittaltar, an dem man Kannon seine Ehrerbietung erweisen kann, wenn man vom Einkaufsstress erschöpft die Stufen zu den mächtigen Tempeltüren bewältigt hat.







Nach dieser ersten japanischen Reizüberflutung geht es wieder zurück zum Hotel. Unsere Reiseleiterin zeigt uns noch den kleinen Combini, einen Minisupermarkt, der nur ein paar Schritte weit vom Hotel entfernt liegt und vierundzwanzig Stunden lang geöffnet hat. Wer mitten in der Nacht Hunger bekommt, findet hier noch ein frisches Gericht, das auf Wunsch gleich in der Mikrowelle aufgewärmt wird. Und wer Lust auf eine kleine Portion Sushi hat, findet das ebenfalls frisch und verbrauchsfertig im Kühlregal.  Hölzerne Stäbchen dazu bekommt man kostenlos an der Kasse.
Anschließend holen wir unser Koffer aus dem abschließbaren Raum und bekommen unsere elektronischen Zimmerschlüssel. An den Ansprüchen von Europäern orientiert man sich hier im nicht. Vielmehr ist das Hotel Teil  einer Hotelkette, die hautsächlich japanische Geschäftsreisende anspricht, aber auch gerne von chinesischen Reisegruppen gebucht wird. Die Hotel liegen immer in der Nähe von U-Bahnstationen, die in wenigen Minuten Fußmarsch zu erreichen sind.
Es gibt nur japanisches Frühstücksbüffet und in der Lobby steht ein Getränkeautomat, aus dem allerlei Getränke gezogen werden können. Eine Flasche grüner Tee kostet zweihundert Yen und eine Dose Sake (Reisschnaps) fünfhundert Yen. Neben dem Aufzug befinden sich drei Waschmaschinen, Trockner und ein Waschmittelautomat. Für zwanzig Yen bekommt man Waschmittel und für jeweils hundert Yen hat man innerhalb einer Stunde sein Wäsche gewaschen und getrocknet. In den folgenden Wochen werden wir immer in den Hotels dieser Kette wohnen.
Auch wenn ich jetzt dringend eine Dusche und frische Kleider brauche, hat es doch gut getan nach zehn Stunden Flug die verspannten Muskeln durch ein wenig Bewegung zu lockern. Als ich mein Zimmer im 7. Stock des Hotels beziehe, bekommt das Wort Nasszelle für mich eine ganz neue Bedeutung. Große Europäern mit Veranlagung zur Klaustrophie könnten hier drinnen ein Problem bekommen. Um zu duschen,  gerät das Steigen über den Badewannenrand, zur gymnastischen Übung, weil die Badewanne für Nichtjapaner ungewöhnlich hoch gehalten ist. Kein Wunder, denn die Japaner baden eher sitzend in heißem Wasser ohne Badezusätze, als dass sie duschen. Und genau dafür sind die Wannen ausgelegt.
Nach der Dusche ist es ein wunderbares Gefühl frische Kleider anziehen und sich endlich mal wieder ausstrecken zu können.
Zufrieden stelle ich fest, dass das Bett für meine 1,78 cm völlig ausreicht. Nur das Kopfkissen ist so bretthart wie ein Holzkeil, den man sich in der Edozeit zum Schlafen untern den Nacken schob.
Auf einem Sideboard steht ein Heißwasserkocher und einige Tütchen mit grünem Teepulver. Eines enthält eine für europäische Gaumen gewöhnungsbedürfte Geschmacksrichtung: Konbu-Tee (Seetangtee). Ich probiere das gleich mal aus .... und lasse es den Rest der Reise dann sein. Um den salzigfischigen Geschmack loszuwerden, koche ich einen grünen Tee und verspeise dazu genüsslich das Sushi, das ich aus dem Combini mitgebracht habe. Während mein Blick aus dem Hotelzimmefenster über den Betondschungel Tokyos schweift, warte auf den Sonnenuntergang, denn ich möchte noch einmal zum Senjoji-Tempel, um Nachtaufnahmen zu machen. Die Zeit vertreibe ich mir auch damit, durch das japanische Fernsehen zu zappen. Ich verstehe kein Wort, aber das Gequassel des japanischen Verkaufsfernsehen hat eine beruhigende Wirkung. Wie überall in der Welt werden auch hier Pillen gegen jedes Zipperlein und Cremes für die nie enden sollende Schönheit verkauft. Zwischendurch nicke ich kurz ein. Doch eine Stunde später bin ich wieder wach.
Als die Sonne die Wolkenkratzer in goldenes Abendlicht hüllt, ziehe ich los und wundere mich, dass ich immer noch fit bin, denn schließlich habe ich eine Nacht nicht geschlafen. Ich frage mich, wann der Jetlag, ausgelöst durch die acht Stunden Zeitverschiebung, mit aller Härte zuschlägt.
Als ich nach zwanzig Minuten Fußmarsch am Senjoji-Tempel ankomme, herrscht dort immer noch reges Treiben. Doch jetzt schließen die Buden der Flaniermeile. Nur vor dem Donnertor vergnügen sich Jugendliche mit Selfies, indem sie ihre Handys an lange Stative klemmen und versuchen möglichst originell zu posieren. Büroangestellte treffen sich hier nach Feierabend zum Abendessen. Neben mir gibt ein junger Mann ein Interview und wird dabei gefilmt. Ein Brautpaar stellt sich vor die rote Laterne, sie im weißen Brautkleid, er im schwarzen Frack und lassen sich von ihrem Fotografen  fürs Hochzeitsalbum verewigen.
Ich schraube den Neutraldichtefilter auf die Kamera, um durch die vorbeilaufenden Menschen Geistereffekte zu erzeugen oder sie ganz aus dem Bild zu verbannen.



Danach schlendere ich durch hell erleuchtete Budenstraße, deren Geschäfte jetzt geschlossen sind, hinunter zum Tempel. Es kommt Wind auf und die großen Laternen beginnen leicht zu schaukeln. Ich hoffe, dass ich wenigstens eine scharfe Langzeitaufnahme von den riesigen Laternen machen kann.
Für mich entfaltet der Senjoji erst jetzt seinen Zauber. Ohne die Menschenmassen wirkt er wie eine Insel der Ruhe, mystisch im gelblichen, warmen Scheinwerferlicht.








Ich gehe langsam zurück und wandere durch die Restaurantstraßen rund um den Tempel, die sich einen leicht historischen Anstrich geben.
Im Hotel angekommen, glaube ich zuerst, ich könnte nicht schlafen, doch dann wache ich am nächsten Morgen ausgeruht auf, ohne dass ich gemerkt hätte, eingeschlafen zu sein.

Paula

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #12 am: 20. September 2015, 15:47:37 »
Unsere erste Station war auch Asakusa (wir waren aber in einem eher westlichen Hotel) und den Tempel haben wir natürlich auch angeschaut. Natürlich wußten wir von der Geschichte viel weniger als du jetzt berichtet hast, man sieht gleich dass es Vorteile hat einen Guide zu haben.
Wie heißt denn diese Hotelkette? Hast du vielleicht einen Link? Vor allem dass man da waschen kann finde ich super, wir hatten in Japan nur einmal ein Hotel mit Waschmachine und Trockner, dabei ist das so praktisch! Und wenn man nur 15 kg Gepäck mitnehmen soll geht es auch nicht ohne waschen.
Viele Grüße Paula

Lidschlag

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #13 am: 20. September 2015, 16:06:24 »
Wie heißt denn diese Hotelkette? Hast du vielleicht einen Link?

http://www.toyoko-inn.com/eng/

Die Hotels sind wahrhaftig keine Schönheiten und liegen auch nicht an landschaftlich oder touristisch reizvollen Stellen.
Aber sie sind richtig praktisch. In den Früstücksräumen gibt tagsüber freien Tee und Kaffee und wer sich ein Cupnudelgericht warm machen möchte, kann das in der ebenfalls im Frühstücksraum aufgestellten, kostenlosen Mikrowelle tun.
Wenn man eine Mitgliedschaft im »Toyoko Inn Club International« beantragt, bekommt man sein Zimmer noch ein wenig günstiger. Die Mitgliedschaft kann beim ersten Hotel, in das man bei der Kette eincheckt, eingerichtet werden. Das ist kostenlos und das Foto für die Mitgliedskarte wird von den Mitarbeitern selber gemacht. Mitgliedschaft ist aber kein Muss.
Dass die Mannschaft an der Rezeption Englisch spricht ist möglich, man darf es allerdings nicht erwarten. Deutsch spricht dort niemand, eher als zweite Fremsprache Chinesisch, als dritte vielleicht Englisch.

MisterB

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Re: Japan mittendrin
« Antwort #14 am: 20. September 2015, 16:14:47 »
Hi.
Also von mir aus musst du nicht den Rest in Kurzform machen. Ich finde den Text so nicht zuviel.
Ggf. kannst du am Ende ja noch etwas über Preise, Kosten und den Veranstalter schreiben.
Bisher hatte ich nur einen Japanbericht als Individualreise gelesen. Jetzt etwas zum Vergleich was "organisiert" ist, könnte interessant sein.

Gruß
Bernd
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