02.01.2015 - Schindlers Liste und mehrHurra, hurra, das Wetter ist schön! Nichts wie raus und auf den Weg. Der Nerd an meiner Seite geht gerne zu Fuß und so steht heute erst einmal der Marsch auf die andere Seite der Stadt jenseits der Weichsel zu Schindlers Fabrik an.
Die Ausflugsschiffe fahren leider im Winter nicht. Das hätte ich mir auch nett vorgestellt, sofern sie geheizt sind, und das ist leider auch etwas, was ich im Sommer verpasst habe.
Dass ich noch mehr verpasst habe als eine Schifffahrt, stelle ich beim Erreichen von Schindlers Fabrik fest, denn zwar war ich im Sommer dort, aber die Ausstellungen sind so wirr gestaltet, sehr unruhig und so, dass man schnell übersättigt ist, sodass ich wahrscheinlich an vielen Stellen damals abgeschaltet hatte. Umso besser, denn dann ist es heute für mich wieder sehr interessant.
Einige Stunden gehen wir durch die informative und auch bedrückende Ausstellung. Ich beschließe mir unbedingt den Film nochmals anzusehen, den ich zwar “damals” gesehen habe, aber nun spätestens nach diesem Aufenthalt nochmals sehen will. Das ist auch ein wohlmeinender Tipp an alle potenziellen Krakaubesucher. Der Film gibt vieles von der Stadtgeschichte wieder und vieles, was man in dem Museum zu sehen bekommt, sodass er sich einmal vor und einmal nach dem Besuch der Stadt lohnt.
K. interessiert sich vor allem für das Ende der Ausstellung, bei dem es um das Außenlager Plaszow geht, in dem Amon Göth, “der Schlächter von Plaszow” sein unmenschliches Unwesen trieb, und nun passiert das, was auf fast jeder Tour mit K. passiert: Wir machen uns erst auf den Weg in das ehemalige Ghetto, ich maulend neben K. her auf einer unwirtlichen Ausfallstraße. Aber auch das gehört zu Krakau, nicht nur die puppenstubenartige Altstadt und das nostalgische Kazimierz. Und so machen wir uns auf die Suche nach dem Steinbruch, wo die Zwangsarbeiter waren und wo das Außenlager Plaszow lag.
Es gibt noch ein kleines Stück der Originalghettomauer.
Den Steinbruch finden wir auch auf Umwegen. Wir überqueren dazu den Friedhof, auf dem wir einen Hinterausgang vermuten, den es jedoch nicht gibt. Hier ist es recht steil, und da wir nicht zurück gehen wollen, klettern wir über den Zaun und fühlen uns, als ob wir Gräber schänden, aber das tun wir nicht.
Wir landen zum Glück weich und unverletzt jenseits des Zauns, und entsprechend der zu diesem historischen Ort gehörenden Stimmung passt sich auch das Wetter an. Es wird kalt, windig und ungemütlich nass.
Unser Blick fällt auf die alte rostige Förderanlage im Steinbruch. Das Lager mit der Straße aus Grabsteinen, die in “Schindlers Liste” gezeigt wird, finden wir nicht. Wir gehen auf einem Trampelpfad zu einem Hügel mit Aussichtspunkt.
Ich finde mich sehr tapfer, als wir anschließend den Weg in die Stadt zurück suchen. Wir haben es ein bisschen eilig. K. verspricht mir alle Piroggen, die ich will, aber die Zeit drängt ein bisschen, denn wir haben für “Krakow Underground” eine reservierte Eintrittszeit, zu der wir unten sein müssen. Nee, heute hat er es nicht leicht mit mir. Immer diese Gewaltmärsche irgendwo hin. Aber na gut, ansonsten wäre ich weder im Ghetto noch im Steinbruch gewesen…
Krakow Underground ist sehr interessant. Meine Stimmung ist deutlich besser geworden, denn in einem kleinen und günstigen etwas abseits gelegenen Bistro, das Touris wohl sonst nicht so schnell finden, teilen wir uns einen Teller gemischter herzhafter Piroggen und einen mit gemischten süßen Piroggen.
Irgendwann im letzten Jahrzehnt entdeckte man mittelalterliche Schichten der Stadt und legte sie frei, sodass der gesamte Rynek neben den Tuchhallen aufgerissen war. Man deckte das freigelegte Mittelalter dann wieder mit Beton zu, und machte aus der Unterkellerung des Rynek ein sehr schön gestaltetes riesiges Museum, hochmodern mit Multimedia. Da immer nur eine bestimmte Anzahl an Personen dort sein darf, kauft man ein Ticket für eine konkrete Eintrittszeit, die man über das Internet reservieren kann, was man auch einige Tage im Vorfeld des Besuches tun sollte.
Im Grunde bekommt man hier einen Überblick über die Stadtgeschichte vom Mittelalter an und das in einer Mischung mit Heimatkunde. Uns beiden fällt auf, dass die Stadtgeschichte hier zwar im Mittelalter anzufangen scheint, jedoch irgendwie mit dem Papstbesucht in den 80ern aufhört. Von Solidarnosc und der neuen Republik ist nirgends die Rede. Sehr merkwürdig, aber vielleicht ist es auch nicht der Verdienst der Stadt, denn damit hat sich ja eher Danzig hervorgetan.
Mit einem kurzen Boxenstopp am Hotel gehen wir etwas später als sonst essen, wieder in Kazimierz. Dort haben wir gestern im Vorbeigehen ein Restaurant namens “Edo” gesehen, das asiatische Küche bietet. Und da “Edo” so beeindruckend aussieht und uns die Piroggen allmählich zu den Ohren wieder rauskommen, wollen wir mal so richtig gut asiatisch essen. Krakau bietet nämlich tolle Lokale mit Essen in toller Qualität für einen Spottpreis. Deshalb liest der geneigte Leser hier auch so viel über das, was wir hier so gegessen haben.
Aber Edo ist ein Flop, und es erweist sich als wahr, was der Reiseführer auch weiß: Bei ausländischen Lokalen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Tortellini auch eher das Aroma von Piroggen haben. Wir bestellen eine Art Fondue. Die Kellnerin ist offenbar nicht begeistert davon, denn das erfordert eine Menge Umstände auf dem winzigen Tisch. Satt, aber nicht unbedingt zufrieden mit den in Brühe gegarten Zutaten mit langweiliger Soße, wollen wir uns noch mit einem tollen Nachtisch trösten und landen wieder an der Szeroka und gönnen uns in schönem Ambiente einen netten Nachtisch und noch einen Drink.