Da ja viele in meiner Altersklasse hier sind, dachte ich, ihr könnt mir vielleicht raten?
Ich bin wahrscheinlich der älteste hier im Thread und habe komischerweise nur "mittlere" Probleme. Ähnlich wie Andrea trage ich seit anno dunnemal eine Brille gegen Weitsichtigkeit mit +3,5 Dioptrin. Aber die sog. "Alterssichtigkeit" hat nichts mit weitsichtig oder kurzsichtig zu tun, das ist im Prinzip die Unfähigkeit der Linse zu "akkomodieren", da die Linse im Alter immer starrer wird. Durch das Akkomodieren zieht sich die Linse zusammen, wodurch sich die Brechkraft erhöht und dadurch kann man Dinge scharfstellen, die sich nahe am Auge befinden. Das ist reine Physik.
Von daher trifft dieses Problem der Alterssichtigkeit eigentlich irgendwann jeden Menschen, egal ob er schon eine Brille trägt oder nicht. Denn die vorhandene Brille korrigiert nur den grundsätzlich verformten Augapfel, bei Kurzsichtigkeit ist der Augapfel zu lang, d.h. die "Leinwand" (= Netzhaut) ist zu weit weg und bei Weitsichtigkeit ist der Augapfel zu kurz, die Netzhaut ist zu nahe an der Linse. Aber die Linse ist eben auch flexibel und gleicht es aus, ob man einen nahen oder fernen Gegenstand fokussiert. Und diese Fähigkeit "Nah und Fern" zu unterscheiden, die geht im Alter verloren. Deswegen benötigt jeder Mensch irgendwann eine Brille, die ca. +1 bis +2 Dioptrin auf die vorhandene Brille aufaddiert oder eben eine nicht vorhandene Brille notwendig macht, um nahe Gegenstände fokussieren zu können.
Für Andrea (und für mich) bedeutet das, um Lesen zu können brauchen wir (irgendwann) eine Brille, die +2 Dioptrin über der aktuellen Brille liegt, also bei Andrea macht das dann +5 Dioptrin, bei mir auch ungefähr. Wer kurzsichtig ist und beispielsweise wie Flicke mit -8 Dioptrin auf der Nase herumläuft (das ist schon ein ordentlicher Wert!), der benötigt irgendwann zum Lesen nur noch -6 Dioptrin. Deswegen haben manche Menschen ja auch das außergewöhliche Erlebnis, wenn sie Zeit ihres Lebens mit ca. -2 Dioptrin herumgerannt sind, dass sie auf einmal ohne Brille zurechtkommen (zumindest im Nahbereich).
Was nun meine persönliche Situation betrifft, ich sehe inzwischen zwar auch deutlich schlechter im Nahbereich als noch vor 10 Jahren, aber eigenartigerweise komme ich immer noch mit einer Uraltbrille zurecht. Winzige Schriften auf Landkarten (wo beispielsweise die Einwohnerzahl oder die Höhe einer Stadt angegeben ist), die kann ich leider nicht mehr erkennen, aber das braucht man auch nur selten. Für den täglichen Lesebedarf komme ich nach wie vor mit meiner normalen Brille zurecht. Das ist sehr ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen, immerhin bin ich schon 55 Jahre alt, da haben die meisten den "Übergang" zur Alterssichtigkeit lange hinter sich. Ich habe mir dennoch auch inzwischen eine stärkere Brille gekauft (ich habe einfach eine Billigbrille Online bei Mr. Spex bestellt), damit kann ich beispielsweise im Flieger relativ entspannter auf meinem Tablet spielen oder Filme sehen, das strengt mich sonst auch ziemlich an.
Wesentlichen Einfluss hat übrigens auch die Helligkeit, denn helles Licht führt zur Verengung der Pupille und damit nähert sich das Auge dem Prinzip einer Lochkamera an, was das Sehen deutlich erleichtert, weil nicht nur die Linse die Strahlen fokussiert, sondern auch die fast geschlossene Pupille. Deswegen kann man bei sehr hellem Licht viel besser lesen als bei wenig Licht. Wie wichtig diese Funktion der Pupille ist, hat Andrea hier ja auch schon beschrieben, wenn man nämlich die berühmten Augentropfen im Auge hat, die lediglich die Pupille vorübergehend "lahmlegen" (und damit maximal öffnet), ist nicht nur alles mördermäßig hell, sondern man sieht auch so gut wie gar nichts. In diesem Zustand ist allein die Linse für die Fokussierung aktiv.
SO, das war ein wenig Theorie, jetzt zu Birgits konkreten Problemen:
a) an dieses "Verzerren" der Brille am Computer wirst Du Dich gewöhnen (genau wie Michael es sagt). Das geht und ging mir immer so, wenn ich eine neue Brille bekam. Da ist nicht nur dieser zylindrische Effekt für verantwortlich (es haben ja auch gar nicht alle Menschen den sog. "Astigmatismus"), sondern auch unsere Eitelkeit. Denn die modernen Brillen werden mit Kunststoffgläsern ausgestattet, die einen deutlich höheren Brechungsindex besitzen als normales Glas und diese Linsen werden auch noch in ganz spezieller Weise geschliffen. Das Ziel ist es, eine möglichst dünne Linse zu bekommen, die einfach kosmetisch nicht so auffällt. Der Preis ist dafür, dass diese "Gläser" (die eigentlich gar kein Glas sind) ziemlich verzerren, je dezentraler ein Objekt ist. Aber wie gesagt, da gewöhnt man sich dran. Bei manchen Brillen ist es anfangs so schlimm, dass man beim Laufen das Gefühl hat, man wäre auf einem schwankenden Schiff oder so. Aber das legt sich, auch wenn man es kaum glauben mag. Das liegt übrigens daran, dass der Sehnerv ein ganz besonderer Nerv ist, denn er ist unmittelbarer Bestandteil des Gehirns. Und auf diese Weise "lernt" das Auge sehr schnell, Unregelmäßigkeiten auszugleichen oder zu integrieren. Ich habe beispielsweise auch in Folge der schrecklichen OP von 1997 auf dem rechten Auge einige Narben auf der Netzhaut (wahrscheinlich verursacht durch extrem hohen Blutdruck während einer fehlerhaft durchgeführten Dialyse) und ich habe da regelrechte Löcher im Gesichtsfeld. Diese Löcher bemerke ich kaum noch, nur wenn ich auf große helle Flächen schaue, mit regelmäßigen Mustern, dann kann ich sie ausmachen. Im normalen Alltag kann ich sie nicht mehr ausmachen - das hatte damals, als das diagnostiziert wurde, ein konsiliarisch bestellter Augenarzt vorausgesagt.
b) das Problem der "nicht passenden" Gleitsichtbrille. Du sprichst von "Reklamation", das ist aber keine Reklamation. Jeder(!) halbwegs honorige Optiker bietet Dir eine Nachbesserung so lange an, bis Du 100% zufrieden bist. Da musst Du weder ein schlechtes Gewissen noch sonst irgendwelche Vorbehalte haben. Sehen ist ein kostbares Gut und insbesondere lassen sich Optiker ihre Leistung fürstlich(!) vergüten. Die Optikerbranche ist die Branche schlechthin mit den höchsten Gewinnaufschlägen; bei Brillen und Konkaktlinsen beträgt der Verkaufsaufschlag im Vergleich zum Einkaufspreis zwischen 500% und 1000% (ja, richtig gelesen!). Mit einiger Sicherheit hast Du alleine für die Gleitsichtbrille mehrere Hundert Euro ausgegeben. Du MUSST beim Optiker die Brille zurückgeben und darum bitten, dass sie neu gemacht wird (nur das Gestell wirst Du beibehalten, aber die Gläser müssen neu gemacht werden).
Ich habe das ganze Drama mit Sylvia in den letzten Jahren durchexerziert. Während ich relatives Glück hatte (s.o.), kämpft Sylvia auch seit gut 8 Jahren mit schlechter werdenden Augen. Bei Sylvia ging das allerdings dramatisch immer schlechter, ich hatte zwischendurch schon die Sorge, sie hätte irgendeine schwere Augenkrankheit, so große Probleme hatte sie beim Lesen und beim Fernsehen. Wir haben im 2-Jahresrhythmus die Brillen ausgetauscht, aber es war NIE wirklich gut.
Irgendwann hatte ich dann eine Idee und die war es dann auch: Sylvia hatte ihr ganzes Leben lang eine leichte Weitsichtigkeit (1,75 Dioptrin). Nun ist es aber so, dass ein junger Mensch mit sehr flexibler Linse eine Weitsichtigkeit durch Akkomodation und entsprechend angestrengte Augen ausgleichen kann. Das führt auf Dauer bei einigen Menschen zu Kopfschmerzen (Sylvia litt immer wieder unter schweren Kopfschmerzen), aber viele erkennen den Zusammenhang zur falschen Brille nicht. Die Brille von Sylvia war schlicht und ergreifend immer zu schwach gewesen. Und da bin ich vor einem Jahr auf die Idee gekommen (nachdem Sylvia wieder anfing zu jammern, dass sie kaum lesen könnte mit der Brille, die gerade ein Jahr alt war) und habe ihr einfach meine Brille mit 3,5 Dioptrin gegeben. Und siehe da - das reichte zum Lesen zwar immer noch nicht richtig aus, aber Sylvia meinte sofort, dass in der Ferne alles viel besser aussähe und dass auch Fernsehen gut ginge. Daraufhin sind wir zum Optiker gegangen und ich habe ihm ausführlich erklärt, dass ich der Meinung wäre, dass bisher alle Brillen (die wir alle bei ihm gekauft hatten) zu schwach gewesen wären, wahrscheinlich weil Sylvia bei den Sehtests immer versucht hat, so gut wie möglich alles zu erkennen, anstatt die Augen zu entspannen und die Gläser die Arbeit machen zu lassen.
Und dann kam es auch so: Sylvia hat jetzt stärkere Gläser als ich, aber sie ist glücklich, sie kann sehr gut lesen, sie hat wieder Freude daran, auf dem Fernseher Tennis zu sehen, sie hat davor noch nicht einmal erkannt, ob eine Sportsendung in HD ausgestrahlt wurde (was man bei uns sofort sieht, das ist ein ganz anderes Bild). Wir haben darauf hin mehrere Brillen für Sylvia bestellt, eine starke Lesebrille (die benutzt nur ganz selten), eine "Computerbrille", die zieht sie am Arbeitsplatz auf, eine Gleitsichtbrille (die hat sie eigentlich immer auf) und dann noch eine normale Fernbrille, damit betriebt sie Sport.
Das klingt jetzt wie Overkill, aber nur die Gleitsichtbrille war wirklich richtig teuer, sonst haben wir etwas einfachere Gläser bestellt. Der Sinn besteht einfach darin, dass eine Gleitsichtbrille zwar in der Theorie immer "passen" soll, aber Du selbst bemerkst eben auch das Problem, dass man nur in bestimmten horizontalen Bereichen gut sehen kann. Außerdem verzerren diese Brillen auch extrem und der Gewöhnungsprozess kann Monate dauern. Inzwischen hat sich Sylvia an die Gleitsichtbrille gewöhnt, so dass sie nur noch sehr selten eine andere Brille aufsetzt. Aber alleine die Psychologie war wichtig, dass sie im Falle des Falles eine andere Brille aufsetzen konnte.
Also Du bist sicherlich nicht allein mit diesen Problemen, das ist von Person zu Person verschieden und Du darfst auf gar keinen Fall den Fehler machen und resignieren - quäle den Optiker bis aufs Blut, der bekommt ein Schweinegeld dafür und Du hast den Anspruch auf eine gute Brille und auf gutes Sehen! Das geht übrigens im Zweifelsfall soweit, dass Du irgendwann auch die Brille zurückgeben kannst und Dein Geld zurück bekommst, wenn sich keine befriedigende Lösung finden läßt. Aber dieser Fall wird wohl eher selten eintreffen.
Mit Kontaktlinsen habe ich auch mal herumexperimentiert, bin aber schon lange von "geheilt"; ich finde eine Brille einfach praktischer, auch wenn sie mal beschlägt. Aber das Gewürge mit dem Möbelwagen im Auge kann ich nicht ab...
Last not least gibt es übrigens auch die Möglichkeit einer Operation, da wird die Hornhaut leicht angeritzt und so verformt, dass sie ihrerseits schon zur geeigneten Lichtbrechung beiträgt. Meine Schwägern (Frau meines ältesten Bruders) hat Zeit ihres Lebens Brille getragen und hat sich vor ein paar Jahren zum 50. Geburtstag die Augen-OP gegönnt. Die ist absolut glücklich damit. Kostet aber ein paar Taler, die Erfolge sind angeblich sehr gut.