5. April 2014: Kyoto – Arahiyama - KyotoAls ich heute morgen aufwache, wird mir bewusst, dass ich jetzt schon seit einer Woche in Japan bin. Schon oder erst? Eigentlich kommt es mir vor, als würde ich schon viel länger durchs Land reisen. Bei vielem habe ich inzwischen schon Routine. Ich weiß, wie ich Zug- und U-Bahntickets kaufe und wie mein Railpass funktioniert. An vielen Sehenswürdigkeiten gibt es kleine Imbisse, an denen man sich für eine Pause setzen und für wenig Geld eine frischgekochte Mahlzeit bekommt, und für den Durst stehen fast überall Getränkeautomaten.
Was mir fehlt: Meine geliebte Cola light. Die scheint es in Japan nirgends zu geben, höchstens ab und zu mal Cola Zero. Also greife ich notgedrungen ab und zu auf das das „echte“ Cola zurück, um mir morgens als Nicht-Kaffeetrinkerin einen Koffein-Schub zu holen. So auch heute morgen, als ich mich gegen acht Uhr auf den Weg nach Arashiyama mache. Dazu noch zwei Teilchen von dem Backstand im U-Bahnhof, denn auf Reisbällchen zum Frühstück habe ich heute morgen keine besondere Lust.
Zunächst geht es mit der U-Bahn zwei Stationen zum Hauptbahnhof und von hier aus mit dem JR-Zug nach Arashiyama. Hierher fährt die Sagano Linie. Auf der kurzen Zugfahrt frühstücke ich und stelle fest, dass die Backwaren etwa die Qualität meiner eigenen Backerzeugnisse haben, also auf dem deutschen Markt nur unter Einschränkungen verkäuflich wären. Besser als Reisbällchen und Misosuppe sind sie aber allemal.
In Arashiyama gehe ich als erstes zur Togetsukyo-Brücke und überquere den Fluss, an dessen Ufer einige schöne Kirschbäume stehen. Hier ist schon ganz schön was los. Auch die ersten Planen für das abendliche Hanami werden schon ausgelegt. Im kleinen Park stehen verschiedene Kirschbäume, und die Blüten leuchten in der Sonne.
Von hier aus ist es zurück über die Brücke nur ein kurzer Weg bis zum Tenryuji-Tempel. Der Tempel wurde ursprünglich 1339 gebaut, wurde aber mehrfach zerstört. Die heutigen Tempelgebäude sind höchstens 150 Jahre alt. Viel zu sehen ist im Tempel nicht, aber immerhin schaut ein Drache böse von der Wand.
Interessanter als der Tempel ist der Garten. Zuerst bin ich etwas enttäuscht, weil der Garten rund um den Teich so früh im Jahr noch ziemlich kahl ist und offenbar nur eine einsame Kirsche zu bieten hat. Aber im hinteren Teil des Gartens findet man sich dann plötzlich im Kirschblütenparadies wieder. Hier gibt es mehrere verschiedene Sorten, die von weiß bis rot in verschiedenen Farben blühen. Wunderschön. Ich komme mir vor wie im Märchenkirschwald.
Den Tempel kann man durch ein Tor im hinteren Teil des Gartens verlassen und steht dann direkt in einem Bambuswald.
Nur ein paar Schritte weiter biegt der Weg zur Okochi-Sanso-Villa von der Hauptroute ab. Die Villa selbst kann man nicht besichtigen, sondern nur den Garten. Dafür werden Y 1000 Eintritt verlangt, ganz schön happig, aber immerhin ist in dem Preis auch eine Tasse Matcha-Tee und eine Süßigkeit inbegriffen, und weil es inzwischen schon fast halb zwölf ist, kommt mir das ganz recht. Der Garten ist im Sommer oder Herbst wahrscheinlich sehr schön, aber nach der Blütenpracht vom Tenryuji-Tempelgarten bin ich nur noch schwer zu begeistern.
Der Weg führt weiter Richtung Norden, und ab hier reihen sich entlang der Berghänge verschiedene kleine Tempel. Ich besuche zuerst den Jojakkoji-Tempel, der einen kurzen Fußmarsch entfernt liegt. Hier sind außer mir nur eine Handvoll Besucher unterwegs, und der Tempelgarten wirkt ein wenig verschlafen.
Danach schaue ich in ein schönes Souvenirgeschäft und bekomme sofort eine Tasse Tee serviert. Den schlürfe ich dankbar, denn inzwischen verschwindet die Sonne immer öfter hinter den Wolken, und ist ziemlich kalt.
Den nächstgelegenen Tempel, den Nisonin, besuche ich auch. Die Gebäude sind hier größer, ein paar mehr Menschen sind auch unterwegs, und im Tempel sieht man auch ein paar Wandmalereien.
Im weiteren Verlauf führt die schmale Straße durch ein Wohngebiet und an kleinen Geschäften und Restaurants vorbei. Wer hier wohnt, ist offenbar wohlhabend. Als ich das folgende Foto mache, beginnt es plötzlich um mich herum zu blinken und zu tröten und hört erst auf als ich ein paar Schritte zurückgehe. Offenbar habe ich gerade eine Alarmanlage ausgelöst, also schnell weg.
Als nächstes will ich eigentlich zum Adashino Nenbutsuji Tempel, aber an dem laufe ich erstmal versehentlich vorbei und merke es erst, als ich am Otagi Nenbutsuji Tempel ankomme. Überhaupt könnte die Ausschilderung hier in der Gegend etwas besser sein, zumindest auf englisch. Wie es auf japanisch aussieht, kann ich ja nicht beurteilen. Also erst mal zum Otagi, zum Adashino gehe ich auf dem Rückweg.
Der Otagi Nenbutsuji Tempel ist bekannt für seine etwa 1200 Steinfiguren. Sie sind erst 20 – 30 Jahre alt und ganz individuell gearbeitet, manche betend oder andächtig, andere fröhlich oder frech. Eine Zeitlang bin ich ganz alleine hier und schlendere zwischen den Figuren umher.
Auf dem Rückweg besuche ich den Adashino Nenbutsuji. Hier kann die Gottheit direkt aus dem Tempel auf die Kirschblüten schauen, da hat sie wenigstens was zu sehen, das finde ich sehr nett. Gegründet wurde der Tempel schon im 9. Jahrhundert. Auf dem Tempelgelände sind Hunderte von Steinstatuen für die Seelen von Verstorbenen aufgestellt.
Ab jetzt gibt es zwei Alternativen: Auf dem selben Weg wieder zurück zum Bahnhof oder den Fußmarsch zum Daikakuji-Tempel in Angriff nehmen. Ich entscheide mich für den Tempel, denn der soll zur Kirschblüte sehr schön sein. Zuerst ist der Weg auch ausgeschildert, aber ab der nächsten Weggabelung muss der Reisende dann leider selbst schauen, wie er klarkommt. Ich frage mich mal wieder durch und erreiche schließlich nach einer knappen halben Stunde den Tempel. Zuerst schaue ich mir den Garten an, der an einem von Kirschbäumen gesäumten Teich liegt. Hier gibt es Enten, und zwitschernde Vögel fliegen durch die Kirschbäume.
Das Gelände und der Tempel wurden schon im 9. Jahrhundert angelegt, zuerst als Palast und Garten für den damaligen Kaiser Saga. Später wurde der Palast in einen Tempel umgewandelt. Der Tempel gefällt mir sehr gut. Von hier aus hat man den Blick auf einen schönen Kirschbaum an einem der Tore, und viele Räume im Tempel sind mit Wandgemälden geschmückt. Mir gefällt vor allem der Raum mit den kleinen Hasenbildern. Anscheinend bin ich schon auf dem besten Weg dazu, alles total kawaii zu finden.
Müde, aber zufrieden mache ich um kurz nach halb fünf schließlich zurück auf den Weg zum Bahnhof. Gut, dass ich noch zum Daikakuji-Tempel gegangen bin. Der hat mir heute von allen Tempeln am besten gefallen. An der ersten Weggabelung ist leider nichts von einer Ausschilderung zu sehen, also frage ich eine Japanerin. Die versteht aber Train oder Railway Station nicht, und gerade, als ich mein japanisches-deutsches Phrasenbuch herauskramen will, fällt mir ein: Bahnhof heißt Eki. Ich frage also nach dem Eki, und das versteht sie jetzt zwar, aber sie weiß auch nicht genau, wie man von hier zum Eki kommt. Netterweise geht sie aber noch ein paar Meter mit mir in die vermutete Richtung und zeigt mir dann den Weg. An der nächsten Hauptstraße kaufe ich mir eine Bento-Box mit Sushi für heute abend und frage dann nochmal souverän nach dem Eki, und von hier aus ist es auch gar nicht mehr weit und ich komme schließlich um kurz vor fünf dort an. Der Zug zurück nach Kyoto ist mal wieder richtig voll. Wahrscheinlich wollen die alle am Samstagabend in die Stadt. In die Stadt will ich auch, aber ich will ins Hotel, denn heute brennen mir die Füße vom Asphalttreten und so bin ich froh, als ich die U-Bahn-Fahrt zum Hotel hinter mich gebracht habe.
Das Hotel verlasse ich heute nur noch, um nebenan im CD-Laden etwas zu stöbern. Seit dem Besuch bei Naomi gehen mir ja die Takarazuka-Shows nicht mehr aus dem Kopf, und anscheinend haben die Shows dieses Jahr das hundertjährige Jubiläum und feiern das mit einer Gala, über die auch im Fernsehen berichtet wird. Tatsächlich hat der Laden auch Takarazuka CDs und DVDs. Wenn schon, dann eine DVD, denke ich und greife zu Romeo und Julia. Beim Preis von 15000 Yen, über 100 Euro, stelle ich das gute Stück dann aber doch schnell ins Regal zurück.
Den Abend verbringe ich damit, Wäsche zu waschen, Sushi zu essen, die Fotos auf dem Laptop zu sichern und den Reisebericht der letzten Tage weiterzuschreiben. Auf der Japan-Guide-Seite schaue ich mir die aktuelle Kirschblütenprognose an. Dort bestätigt sich leider, was ich schon befürchtet habe: Die Kirschblüte in Kyoto wird wohl schneller beendet sein als gedacht, schuld sind wahrscheinlich Regen und der auch heute immer wieder böige Wind. Der Wetterbericht verheißt mal wieder nichts gutes und zeigt Menschen, die durch heftige Schnee- und Regenfälle laufen. Mal schauen. Wenigstens würde ich in meiner roten Jacke im Schneetreiben nicht so schnell verloren gehen.
Ausgaben des Tages:U-Bahn-Fahrten Y420
Tenryuji Tempel Y 600
Okochi Sanso Villa Y 1000
Jojakkoji Tempel Y 400
Nisonin Tempel Y 500
Otagi Nenbutsuji Tempel Y 300
Adashino Nenbutsuji Tempel Y 500
Daikakuji Y 500
Snacks und Getränke Y 1000
Sushi-Box Y 780
Eine Woche Japan gemeistert zu haben: unbezahlbar