Oh jemine, was habe ich hier denn angezettelt?
Eigentlich dachte ich immer, ich könnte mich zum Thema des Fotografierens ganz gut auf meinen gesunden Menschenverstand verlassen, aber in der letzten Zeit geht es mir eben so, dass ich gar nicht mehr so auf die ganz menschenleeren Fotos stehe. So hat beispielsweise mein Freund Fotos vom Sonnenuntergang am Delicate Arch nicht toll gefunden. Erst, nachdem er eins mit Leuten gesehen hatte, die drunter standen, war das anders. Erst da hat er kapiert, wie riesig der Arch ist.
Natürlich hatte ich in Indien immer lieber indische Gläubige in malerischen Gewändern auf Tempelfotos als europäische Touristen in praktischer Wanderhose, Mottoshirt und dickem Bauch mit Kamera davor, aber auch die ließen sich nicht immer meiden. Dann habe ich die halt hingenommen, auch wenn ich schon immer gewartet hatte, bis die Schlange stehenden Touris aus aller Welt fertig damit waren sich gegenseitig zu knipsen.
Da fand ich es eigentlich ganz dankbar und letztlich auch fair, dass ein Foto ein Geschäft sein kann und mit einem Trinkgeld belohnt wird. Dann ist es eben eindeutig und ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben.
Menschen als Motiv finde ich superspannend inzwischen. Ich habe auch eine Bekannte, die meines Erachtens unangemessen gnadenlos drauf hält und die Bilder dann auf ihre Website stellt. Ist das schon Kunst, wenn jemand begabt ist, durchaus schöne Fotos macht, diese veröffentlicht und somit rechtlich OK? Ich hätte so massiv durchaus meine Probleme damit.
Ich erinnere mich an eine Gelegenheit, bei der ich mal jemanden gefragt habe, ob ich fotografieren darf. Er war stolz wie Oskar, aber hatte sich leider in Szene gesetzt für das Bild, sodass das Bild dann ganz anders aussah, als wenn er einfach mit dem weiter gemacht hätte, was er gerade getan hat.
Dass das ein Problem sein könnte, ist mir lange nicht bewusst gewesen. Dann war ich mit meinem damaligen Freund, einem Marokkaner, in seiner Heimatstadt Marrakech und wollte jemanden fotografieren, der gerade versuchte seinen voll beladenen Handkarren durch den Souk zu zerren. M. hatte mich davon abgehalten: "Bist du blöde, der rackert sich hier ab und hat gerade ein gewaltiges Problem und du hast nichts besseres zu tun als zu fotografieren? Wie würdest du es denn finden, wenn jemand sich neben dich stellt und nichts Besseres zu tun hat als zu fotografieren, wenn dir gerade mal wieder deine Einkaufstasche vom Fahrrad gefallen ist und du versuchst deine Sachen wieder zusammenzusammeln?
Ich bekenne mich schuldig: Ich fotografiere Menschen auch inzwischen oft ohne zu fragen, teilweise auch heimlich, und höre erst damit auf, wenn der Betreffende deutlich macht, dass er das nicht will, aber dann höre ich auch auf. In Indien habe ich mit ein bisschen trotz drauflos geknipst, weil es mir ähnlich ergangen ist wie Silke. Heimlich oder ganz offen wurde ich auch mehrfach am Tag abgelichtet. Damit habe ich auch grundsätzlich kein Problem, außer natürlich es wären irgendwie kompromittierende Situationen.
Ach ja, und in Taos ist das Fotografieren von Menschen tatsächlich richtiggehend untersagt, aber zumindest als ich dort war, ließ sich ohnehin niemand blicken! Meinen Reisebericht schreibe ich ja meistens begleitend zur Reise mit und in dem habe ich gerade nachgelesen:
Schilder stellten strenge Regeln auf, dass man keine Bewohner fotografieren dürfe (es ließen sich ohnehin kaum welche blicken) und auch im Dorf waren an verschiedenen Stellen Barrieren aufgebaut, die "no trespassing" befahlen.
Ach ja, Eintritt am 31.10.2010:
Bereits die Reiseführer neben meinem Bett hatten ja allesamt auf den stolzen Eintrittspreis von 10 USD und die Gebühr pro Kamera in Höhe von 6 USD hingewiesen