Autor Thema: Menschen fotografieren...  (Gelesen 26982 mal)

Birgit

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Menschen fotografieren...
« am: 11. Januar 2014, 18:19:16 »
Hi zusammen,

ja ja, auch von mir mal eine Frage zum Fotothema, obwohl ich es damit so gar nicht habe. Ist auch keine technische Frage, sondern eher eine des praktischen oder auch ethischen Vorgehens:

Gerade in Indien habe ich ja eine Menge malerischer Szenen mit malerischen Leuten gesehen.

Wie macht ihr es denn generell beim Fotografieren von Menschen?

Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?

Ist ein menschenleeres Bild an vollen Orten überhaupt realistisch und erstrebenswert?

Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?

Zahlt ihr für ein Bild?

Gibt es für euch Tabus?

Lasst ihr ggf. auch mal jemanden posieren indem ihr ihn bittet etwas Bestimmtes zu tun?

Ich meine nun nicht die Angehörigen, die sich fett grinsend hinstellen und mit beiden Händen auf die Sehenswürdigkeit zeigen sollen ;)

Hatchcanyon

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #1 am: 11. Januar 2014, 18:33:55 »
Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?

Wenns wichtig ist auch mal 10-15 Minuten.

Ist ein menschenleeres Bild an vollen Orten überhaupt realistisch und erstrebenswert?

Sicher nicht immer.

Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?

Jemanden aufnehmen kommt eigentlich gar nicht in Frage, es sei denn die Person(en) sind nur kaum zu erkennendes Beiwerk. Etwas anderes ist es wenn man genau die Person(en) aufnehmen möchte, z.B. bei einem Zusammentreffen oder einer Feier. Da braucht man dann auch nicht fragen.

Zahlt ihr für ein Bild?

Die Frage hat sich noch nicht gestellt. In Ländern mit grosser Armut würden wir das aber bei entsprechenden Gelegenheiten sicher tun.

Gibt es für euch Tabus?

Armut, soziale Brennpunkte, Krankheit, Schmutz in dem Menschen leben (müssen), Gewalt auch gegen Tiere, Entstellungen, Verkrüppelungen und einiges mehr.

Lasst ihr ggf. auch mal jemanden posieren indem ihr ihn bittet etwas Bestimmtes zu tun?

Nein! Höchstens mal meine Frau oder mich wenn es z.B. als Grössenvergleich notwendig ist

Gruss

Rolf

Horst

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #2 am: 11. Januar 2014, 19:27:53 »
Wie macht ihr es denn generell beim Fotografieren von Menschen?
Situationsabhängig.



Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?
Nicht länger als eine halbe Stunde in der Regel aber nur 15 Minuten - dann kommt die Person eben mit aufs Bild.
Oft ist ein menschenleeres Bild aber auch gar nicht das was ich haben möchte.
Im Gegenteil, eine Person kann dem Bild Tiefe geben, Größenverhältnisse vermitteln, den roten Faden einer Story weiterspinnen, oder ein Bild einfach interessanter machen da Menschen immer das interessanteste Motiv sind.



Ist ein menschenleeres Bild an vollen Orten überhaupt realistisch und erstrebenswert?
Manchmal erstrebenswert - vor allem wenn es sich um Plätze handelt die man sonst voller Menschen kennt (z.B. der Markusplatz in Venedig).
Da helfen nur Momente zu erwischen wo eben weniger Leute da sind.



Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?
Auch das ist situationsbedingt. Leute die man per Tele heranholt sind ja in der Regel zu weit weg um sie zu fragen.
Da versuche ich mich dann auch "nicht erwischen zu lassen" (was bisher immer geklappt hat).
Bei Menschen die relativ nah sind gehe ich einfach mit der Kamera auf sie zu, so daß klar ist was ich beabsichtige und wenn sie nicht abwinken oder sich abwenden nehme ich das als Erlaubnis.
Ich habe aber auch kein Problem damit zu fragen was ich auch schon gemacht habe.




Zahlt ihr für ein Bild?
Habe ich bisher noch nie gemacht. Will ich nicht ausschließen aber ist eher unwahrscheinlich.



Gibt es für euch Tabus?
Natürlich. Außer denen die Rolf genannt hat würde ich mich vor allem aus rechtlichen Gründen in Deutschland viel mehr mit Personenaufnahmen zurückhalten.



Lasst ihr ggf. auch mal jemanden posieren indem ihr ihn bittet etwas Bestimmtes zu tun?
Müsste man öfter mal machen aber am besten sind natürliche Handlungen die man mit der Kamera festhalten kann.

Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Michael

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #3 am: 11. Januar 2014, 20:27:32 »
Rolf und Horst haben das, in meinen Augen, Wesentliche bereits gesagt. Dem möchte ich mich weitestgehend anschließen.
Zwei Punkte würde ich gerne noch ergänzen.

Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?
Wenn dem so ist, dann warte ich entsprechend (wenn die realistische Chance besteht, dass ich die Szene in endlicher Zeit menschenfrei bekomme). Bei belebten Plätzen, auf denen die Personen in Bewegung sind, kann auch eine Langzeitbelichtung (mittels Graufilter) helfen, die Menschen aus dem Bild verschwinden zu lassen. ;)

Zahlt ihr für ein Bild?
Ja, wenn das offensichtlich gewollt bzw. angeboten wird und ich dabei keinen Haken an der Sache erkennen kann, bspw. dass anderen Menschen oder Tieren dadurch Nachteile enstehen. Der Cowboy mit dem roten Hemd, der sich im Monument Valley am John Ford Point positioniert macht das i.d.R. auch nur für Cash. Ist doch o.k., wenn beide (Fotograf und Modell) was davon haben und offensichtlich keine Nachteile damit einhergehen.

Grüße aus der Pfalz,
Michael
...nach der Reise ist vor der Reise...

DocHoliday

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #4 am: 11. Januar 2014, 21:46:56 »
Jemanden aufnehmen kommt eigentlich gar nicht in Frage, es sei denn die Person(en) sind nur kaum zu erkennendes Beiwerk.

Verstehe ich nicht. Natürlich fotografiere ich manchmal auch Menschen. Und zwar als Hauptmotiv. Beispiele sind zum Beispiel Umzüge und Prozessionen. Aber auch Vorführungen wie z.B. Tänze. Manchmal auch einfach nur Typen, die mir gefallen. Gelegentlich versuche ich mich auch mal in Street-Fotografie. Meistfotografiere ich so offen, dass jeder die Chance, hat klar zu machen, wenn er das nicht will. Manchmal sind es auch Menschen in einer bestimmten Post, wobei ich dann versuche, sie so aufzunehmen, dass sie nicht zu erkennen sind.

Beispiel:
In Buenos Aires fiel mir auf, wie viele Menschen man in der Kirche tief ins Gebet versunken sah. Das wollte ich im Bild festhalten. Ich hätte es seltsam gefunden, sie anzusprechen und zu fragen, vor allem weil ich alleine damit ihr Gebet gestört hätte. Also habe ich sie so fotografiert, dass sie nicht als Person zu erkennen waren, die Situation, die ich einfangen wollte, aber rüber kam.



Auf der Straße reicht es m.E. offen mit der Kamera auf die Menschen zu zu gehen. Die meisten haben gar nichts dagegen.

Beispiel aus Barcelona


Dieser kommunikative Herr hat erst nachher mitbekommen, dass ich ihn fotografiert habe. Hat dann aber nur gegrinst und war offensichtlich einverstanden.


Ich bin aber auch schon auf Menschen zu gegangen und habe einfach gefragt, ob ich ein Foto machen darf, egal ob hier in D oder auf Reisen.

Bezahlt habe ich bisher nie für Fotos, würde das aber evtl. tun, wenn die Situation es richtig erscheinen lässt.






Gibt es für euch Tabus?

Eigentlich keine prinzipiellen Tabus oder zumindest nicht die, die Rolf genannt hat. Auch ein Mensch mit einer Entstellung oder Behinderung kann ein geeignetes Motiv sein, ohne dass man damit gleich seine Würde verletzt. Armut oder Schmutz gehören in manchen Ländern zum Straßenbild, natürlich darf man das auch fotografieren. Es kommt immer darauf an, wie man das tut und was man daraus macht.
Gewalt ist sicher kein Motiv aber eher weil man sich nicht daneben stellen und knipsen sondern helfen oder Hilfe holen sollte, wenn man Zeuge von Gewalt wird. 


Ein echtes Tabu fällt mir doch ein, dass offensichtlich nicht alle so sehen. Ich kriege immer wieder die Krise, wenn ich sehe, wie Menschen an Unfällen vorbei fahren und schnell mit dem Handy ein Foto machen, egal ob schon Hilfe da ist oder nicht. Zum Glück gab es noch kaum Handykameras als ich noch Notarzt gefahren bin, sonst wäre ich wahrscheinlich manchmal gar nicht mehr durch gekommen. War so schon manchmal schwierig genug, sich durch die sensationsgeilen Gaffer zu drängeln.


Shadra

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #5 am: 11. Januar 2014, 21:54:06 »
Zitat
Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?
Kommt darauf an. Hab ich Zeit, gibt es zwischenzeitlich noch etwas anderes zu sehen an dieser Stelle und ich will das Bild uuunbedingt menschenleer haben, dann kann das durchaus auch schon mal 30 Minuten gehen. Allerdings auch wirklich nur dann, wenn es absehbar ist, dass die Menschen auch wirklich dann aus dem Bild sind.

Zitat
Ist ein menschenleeres Bild an vollen Orten überhaupt realistisch und erstrebenswert?
Was ist ein voller Ort? Am Christkindlsmarkt ist es voll. Dort auf einen menschenleeren Moment zu warten eher unrealistisch. Und auch nicht wirklich erstrebenswert. Bei solchen Motiven gehören die Menschen einfach dazu.

Zitat
Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?
Bis jetzt haben alle mitbekommen, wenn ich sie fotografiert habe. Aber da muss man auch dazu sagen, dass (außer o.g. großen Menschengruppen) ich relativ selten Menschen als Hauptmotiv des Bildes fotografiere. Und wenn, dann sind es zu 99% Personen, die auch fotografiert werden wollen. Auf Conventions z.B. oder bei Showveranstaltungen.

Zitat
Zahlt ihr für ein Bild?
Wenn ich das Bild haben möchte, der Preis akzeptabel ist und ich davon ausgehen kann, dass das Geld auch der Person zugute kommt: ja
Aber die Frage hat sich für mich bisher erst 2 mal gestellt. Das mag allerdings auch an Mangel an Gelgenheiten liegen.

Zitat
Gibt es für euch Tabus?
Ja. Man muss nicht alles mit der Kamera festhalten.

Zitat
Lasst ihr ggf. auch mal jemanden posieren indem ihr ihn bittet etwas Bestimmtes zu tun?
Nur Personen, die ich kenne. Fremde würde ich niemals bitten, für mich zu posieren.
Schöne Grüße
Nele

Manche Menschen schwimmen mit dem Strom. Andere schwimmen gegen den Strom. Und ich steh hier mitten im Wald und find den blöden Fluss nicht!

Rainer

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #6 am: 11. Januar 2014, 21:59:31 »
Wie macht ihr es denn generell beim Fotografieren von Menschen?

Viele Jahre gar nicht - Menschen sollte es eigentlicht irgendwie nicht geben...

Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?

Als mir das noch so wichtig war, so lange, wie es sinnvoll erschien. Man kann es nicht erzwingen und das erkennt man ja auch irgendwann. Aber meine Einstellung hat sich in den letzten zwei Jahren ziemlich geändert.

Ist ein menschenleeres Bild an vollen Orten überhaupt realistisch und erstrebenswert?

Das ist nämlich die Frage. Viele Jahre habe und hätte ich das mit "Ja" beantwortet. Aber wenn ich ehrlich bin - das sind genau die Fotos, die irgendwie alle machen. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Objekte (autofreies Bild beispielsweise). Aber wie gesagt, seit wenigen Jahren entdecke ich für mich, dass Bilder an Leben gewinnen, ohne an Qualität oder Aussage zu verlieren, wenn Menschen (oder eben auch PKWs oder so) mit darauf sind. Ich fange immer mehr an, das gut zu finden. Ich meine jetzt nicht den klassichen Blödmann, der sich 1,5m vor mir aufbaut um das gleiche Motiv zu erfassen; den versuche ich weiterhin zu vermeiden. Aber der Spaziergänger im Nationalpark stört mich heute nicht mehr, im Gegenteil, ich habe gelernt, dass es Situationen gibt, wo das Vorhandensein von Menschen nicht nur die Szene belebt, sondern auch dem Betrachter die Möglichkeit gibt, die Größenordnungen besser zu erfassen. Letzteres ist beispielswiese ein Riesenproblem bei den Sequoias, ohne Menschen auf dem Foto wirken die gar nicht so, weil es keinen Anhaltspunkt, wie irrsinnig die eigentlich sind.

Aber ich gebe zu, ich habe noch nicht sehr viel Erfahrung damit, bewusst Menschen und scheinbar fremde Objekte in das Motiv zu integrieren, aber es ist eine sehr interessante Anforderung und macht mir immer Spaß.

Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?

Zahlt ihr für ein Bild?

Nein, ich frage nicht. Das war ja auch bis vor kurzer Zeit sowieso kein Problem. In unserem Texas Urlaub habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gezielt einen Menschen fotografiert (und habe das Foto auch hier gezeigt). Ich gebe zu, dass ich mich nicht wohl gefühlt habe, aber ich fand den Mann so faszinierend, der passte so stimmig in diese Welt, dass ich es (gegen meine Überzeugung) einfach gemacht habe.

Gibt es für euch Tabus?

Eigentlich genau das, was ich oben gemacht habe: einen Menschen zu fotografieren, der damit auch das Motiv ist. Wenn der mich nicht darum bittet, finde ich das eigentlich schrecklich. Ich bin auch unsicher, wie ich das in Zukunft behandeln soll. Aber wenn ich im Internet lese, dass manche Menschen "Streetfotografie" betreiben, denn stelle ich mir genau diese Fragen auch und wundere mich, dass das für andere kein Problem zu sein scheint. Für mich ist es ein Problem.

Ich habe allerdings noch niemals jemanden angesprochen, für mich zu posieren - das ist dann endgültig eine Droge zu hart, das kann ich nicht.

Silke

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #7 am: 11. Januar 2014, 22:29:38 »
Hi zusammen,

ja ja, auch von mir mal eine Frage zum Fotothema, obwohl ich es damit so gar nicht habe. Ist auch keine technische Frage, sondern eher eine des praktischen oder auch ethischen Vorgehens:

Gerade in Indien habe ich ja eine Menge malerischer Szenen mit malerischen Leuten gesehen.

Wie macht ihr es denn generell beim Fotografieren von Menschen?


Ich versuche, sie es nicht merken zu lassen. Oft hilft dabei ein guter Zoom. Gerade in Indien an den Ghats war das oft hilfreich, da ja da oft sogar ein Fotografierverbot besteht.

Zitat

Wie lange wartet ihr, wenn ihr ein menschenleeres Bild wollt?


Nur ein paar Minuten. Sonst kommen sie eben mit drauf.

Zitat

Wenn ihr jemanden fotografieren wollt, fragt ihr ihn vorher, schießt ihr heimlich euer Foto oder ganz offen?


Siehe oben, wenn möglichst heimlich. Wenn das nicht möglich ist, frage ich, meist reicht eine kleine Geste oder das zeigen auf die Kamera.

Zitat

Zahlt ihr für ein Bild?


Wenn es sich ergibt, zahle ich schon mal eine Kleinigkeit. Oft ergibt sich das ja in Ländern, wo die Menschen wenig Geld haben. Da ist so was ja oft die einzige Möglichkeit für die Menschen, etwas nebenbei zu verdienen.


DocHoliday

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #8 am: 12. Januar 2014, 00:13:14 »
Rainer, warum ist das ein Problem, Menschen zu fotografieren? Wenn ich offen auf sie zugehe und sie nicht heimlich mit dem Tele abschieße, können sie doch jederzeit deutlich machen, dass sie das nicht wollen. Das muss man dann natürlich respektieren.

Ich finde es viel problematischer, es so zu machen wie Silke und heimlich aus dem Hinterhalt mit dem Tele Menschen zu knipsen, die sich dessen nicht bewusst sind.
Ist kein persönlicher Angriff, Silke. Das ist ja eine Diskussion, die in vielen Fotoforen immer wieder geführt wird. Und jeder hat halt seine eigene Meinung.

Ich habe es auch schon ein paar mal erlebt, dass sich aus einem Foto, das ich gemacht habe, ein netter Kontakt ergeben hat. Zum Beispiel, weil der fotografierte das Bild sehen wollte oder einfach nur wissen wollte, warum ich das Foto gemacht habe. Daraus ergibt sich dann schon mal ein Gespräch.
Das Erlebnis wird man nie haben, wenn man heimlich knipst.

Ich bin jetzt nicht der große Street- und Menschenfotograf aber ich kann durchaus nachvollziehen, dass es Leute gibt, die Landschaften und leere Straßen völlig öde finden und nur Menschen fotografieren wollen.

Michael

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #9 am: 12. Januar 2014, 08:08:35 »
Diese Diskussion finde ich sehr interessant. Vielen Argumente, die hier genannt werden, kann ich mich auf den ersten Blick anschließen bzw. sage im ersten Moment "auf keinen Fall".

So ging es mir auch beim Lesen des Posts von Silke und dem Kommentar von Dirk.

Zuerst dachte ich bei dem Post von Silke:
Ich versuche, sie es nicht merken zu lassen. Oft hilft dabei ein guter Zoom. Gerade in Indien an den Ghats war das oft hilfreich, da ja da oft sogar ein Fotografierverbot besteht.

....

Siehe oben, wenn möglichst heimlich. Wenn das nicht möglich ist, frage ich, meist reicht eine kleine Geste oder das zeigen auf die Kamera.
Ne, auf keinen Fall, das würde ich nicht tun.

Und bei dem Post von Dirk
Ich finde es viel problematischer, es so zu machen wie Silke und heimlich aus dem Hinterhalt mit dem Tele Menschen zu knipsen, die sich dessen nicht bewusst sind.

dachte ich mir zunächst, dass ich das genau so sehe und entsprechend handele.

Allerdings, und das finde ich das interessante daran, lässt sich das im richtigen Leben nicht so einfach umsetzen.
Bei dem Bolas-Spieler in Llastres war es noch einfach: Zuerst ein wenig zugeschaut, dann nett gefragt und schließlich die Erlaubnis bekommen, ihn zu fotografieren:


Ebenso eindeutig war die Situation bei der spanischen Großmutter, die hat richtigen Spaß daran gehabt in die Kamera zu lächeln:



Gar nicht mehr so eindeutig und gar nicht so kompatibel mit dem was mir auf den ersten Blick richtig und gut erscheint, ist dann aber bspw. diese Szene:



Die beiden Herren unten rechts sind klar zu erkennen und mehr als nur Beiwerk in der Aufnahme. Eine Möglichkeit die beiden zu Fragen hätte wohl, zumindest theoretisch, bestanden. Allerdings dauerte diese Szenerie nur wenige Sekunden und die Chancen wären hoch gewesen, dass die beiden schon wieder ihre Positionen verlassen hätten, bis ich überhaupt bei ihnen gewesen wäre. Noch während ich eine zweite Aufnahme machte, gingen die beiden weiter und ich verlor sie aus den Augen, so dass ich mir auch nicht mehr nachträglich ihr 'o.k.' zu der Aufnahme erfragen konnte.

Gar nicht so einfach, ich weiß schon, warum ich meine Motive am liebsten in der Natur suche...  ;)

Grüße aus der Pfalz,
Michael
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DocHoliday

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #10 am: 12. Januar 2014, 10:25:39 »
Das letzte Bild ist sicher ein Grenzfall, was diese Diskussion angeht. Auf der einen Seite unproblematisch, weil Du die ganze Szene fotografiert hast und die nicht die beiden Herren als Einzelpersonen. Auf der anderen Seite werden sie dadurch zum Hauptmotiv, dass sie als einzige klar zu erkennen sind, weil sie inmitten des Gewusels still stehen.

Die reine Lehre gibt e also sicher nicht.


Ich bezog mich eher auf Bilder, weil das der spanischen Großmutter. So ein Bild aus der Ferne mit dem Tele zu machen, fände ich nicht in Ordnung.

Michael

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #11 am: 12. Januar 2014, 10:33:44 »
Hallo Dirk,

Die reine Lehre gibt e also sicher nicht.
genau darauf wollte ich raus. ;)

Ich bezog mich eher auf Bilder, weil das der spanischen Großmutter. So ein Bild aus der Ferne mit dem Tele zu machen, fände ich nicht in Ordnung.
Ja, das sehe ich absolut genau so.

Grüße aus der Pfalz,
Michael
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Rainer

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #12 am: 12. Januar 2014, 11:35:19 »
Rainer, warum ist das ein Problem, Menschen zu fotografieren? Wenn ich offen auf sie zugehe und sie nicht heimlich mit dem Tele abschieße, können sie doch jederzeit deutlich machen, dass sie das nicht wollen. Das muss man dann natürlich respektieren.

Es ist für mich ein grundsätzliches Problem, weil es ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt. Sicher gibt es Graduierungen, bei einem Fussballspiel sind sich die Spieler sicherlich bewusst, dass sie implizit einem Foto zustimmen. Der Mann mit dem Handy hat nur noch hilflos gegrinst - ist das wirklich eine Zustimmung oder nur die Resignation vor der Tatsache, dass eine Diskussion zu einem Streit führen kann, auf den er jetzt einfach keinen Bock (und keine Zeit) hat? Wieviele dieser "impliziten" Zustimmungen wären real auch erfolgt, wenn man (wie es eigentlich selbstverständlich wäre) vorher gefragt hätte, anstatt einfach vollendete Tatsachen zu schaffen?

Ich finde es viel problematischer, es so zu machen wie Silke und heimlich aus dem Hinterhalt mit dem Tele Menschen zu knipsen, die sich dessen nicht bewusst sind.

Und wo ist der Unterschied zu dem betenden Mann? Der hat doch zu 100% auch nicht gewusst, dass er da fotografiert wird. Spätestens dieses Foto könnte ich nicht machen. Das ist ein ganz intensiver Eingriff in die Intimsphäre, der Stuhl steht nicht aus Versehen so einsam und plakativ vor dem Bildnis, da möchte ein Mensch an diesem sakralen Ort mit sich und Gott alleine sein und mit einiger Sicherheit nicht beobachtet werden, geschweige denn fotografiert werden. Gerade wenn auch noch so schwierige Themen wie Glaube und Religion ins Spiel kommen, dann verhalte ich mich so zurückhaltend wie möglich.

Die Argumentation, man könne ihn ja nicht erkennen, verfängt nicht: erstens würde ich ihn auch nicht erkennen, wenn das Gesicht mit abgebildet wäre (ich kenne ihn ja nicht), zweitens würden ihn gute Bekannte oder Freunde mit erheblicher Sicherheit erkennen, dafür sind einfach viel zu viele Attribute zu sehen. Wenn Du dort kniehen würdest und ich würde Dich entsprechend religiös einschätzen und Du hättest so eine markante Tasche um dann würde ich Dich mit erheblicher Sicherheit an der Erscheinung erkennen. Mich stört fotografieren an solchen Orten so sehr, dass ich ja selbst auf meiner eigenen Hochzeit filmen und fotografieren in der Kirche verboten habe. Und dann gehe ich davon aus, dass Menschen, die ggf. noch erheblich religiöser eingestellt sind als ich (und damit muss ich in jedem Fall rechnen, wenn er da so einsam kniet), dass dieser Mensch das auch ganz sicher nicht will.

Und jeder hat halt seine eigene Meinung.

Das Grundproblem ist immer das gleiche und das können diese Foren nicht klären, wieweit stört man den Fotografierten in seiner Privatsphäre, wie verletze ich seine Würde und inwiefern ist eine nicht explizite Ablehnung (die ja auch ein erhebliches Aggressionspotential beim Betroffenen voraussetzt, wozu viele überhaupt nicht der Lage sind) eine explizite Zustimmung? Es ist ein Überrumpeln und Hoffen, dass es gut geht.

Fotografiere doch mal die Menschen in den USA am Flughafen, wenn sie beim Immigrationofficer vorsprechen. Ist doch eine interessante und plakative Szene. Würdest Du das machen?

Ich habe es auch schon ein paar mal erlebt, dass sich aus einem Foto, das ich gemacht habe, ein netter Kontakt ergeben hat.

Das hättest Du aber auch bekommen, wenn Du vorher fragst. Dann will dieser Mensch das. Aber einfach machen und implizit hinterher die fehlende Ablehnung als Einverständnis zu interpretieren geht mir zu weit.

Ich bin jetzt nicht der große Street- und Menschenfotograf aber ich kann durchaus nachvollziehen, dass es Leute gibt, die Landschaften und leere Straßen völlig öde finden und nur Menschen fotografieren wollen.

Ja, aber diese Menschen müssen ihrerseits respektieren, dass anderen Menschen eine Würde besitzen und ein Persönlichkeitsrecht. Landschaften haben das nicht.

Nicht problematisch finde ich im übrigen das letzte Foto von Michael: es ist für mich ein erheblicher Unterschied, ob ich einen bestimmten Menschen darstelle, oder ob ich eine Szene darstelle, zu der Menschen (als Masse) dazu gehören. Menschen (als Gesamtheit) gehören zu unserem täglichen Leben, aber das Individuum hat ein Recht auf seine Intimsphäre, die man stört, wenn man ihn gezielt zu einem Motiv macht.

Im Prinzip mag ich solche Diskussionen übrigens nicht besonders (hier dürfte es das erste Mal sein, dass ich überhaupt dazu schreibe), denn das ist ein sehr schwieriges Thema und mich graust es oftmals, wenn ich in Fotoforen lese, wie respektlos man damit umgeht. Die meisten machen sich da ihre eigenen "Regeln", ohne wissen zu können, wie der Einzelfall aussieht. Ich tue mir jedenfalls sehr sehr schwer damit, Menschen als Motiv abzulichten ohne das Einverständnis vorher eingeholt zu haben.

Silke

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #13 am: 12. Januar 2014, 11:51:22 »

Ich finde es viel problematischer, es so zu machen wie Silke und heimlich aus dem Hinterhalt mit dem Tele Menschen zu knipsen, die sich dessen nicht bewusst sind.
Ist kein persönlicher Angriff, Silke. Das ist ja eine Diskussion, die in vielen Fotoforen immer wieder geführt wird. Und jeder hat halt seine eigene Meinung.


Ich sehe es so, dass ich versuche, mich in die Position des Fotografierten hineinzuversetzen. Ich stelle mir also die Frage: würde es mich stören, in der Situation fotografiert zu werden? Und die beantworte ich für mich, dass es mich nicht stören würde, wenn ich es nicht merke.
Wir sind gerade in Indien auch oft fotografiert worden, manchmal wurden wir gefragt, manchmal haben es die Fotografen versucht, heimlich zu machen, manchmal haben wir es trotzdem gemerkt (und dann unser Zeichen gegeben, dass es o.k. ist).

Aber oft ergibt es sich auch so, dass man die Menschen fragen kann und das machen wir dann auch. Ablehnungen gibt es dann eigentlich selten.

Aber eine allgemeingültige Regel gibt es dazu sicher nicht. Das muss Jeder für sich selbst entscheiden.

Horst

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Re: Menschen fotografieren...
« Antwort #14 am: 12. Januar 2014, 13:13:02 »
Die meisten machen sich da ihre eigenen "Regeln", ohne wissen zu können, wie der Einzelfall aussieht. Ich tue mir jedenfalls sehr sehr schwer damit, Menschen als Motiv abzulichten ohne das Einverständnis vorher eingeholt zu haben.
Das hat sich eben so "eingebürgert" und das weltweit.
Wenn Du Dir die ganzen Online-Zeitungen ansiehst - was da letztendlich Leute (sicher oft ungefragt) irgendwo auf der Welt als Randnotiz auf ein Bild kommen ... oder guck Dir eine Doku im Fernsehen z.B. über irgendein Land an - ob da vorher jeder gefragt wurde der erkennbar durchs Bild läuft ....
Die Menschen sind heute ja selbst nicht mehr so zurückhaltend mit ihren Daten und Bildern ... denk an Facebook - was da nicht alles an Privatkram geschrieben und an Bildern hergezeigt wird.
Mir persönlich ist es eigentlich egal ob ich auf einem Foto drauf bin daß ein Japaner in seinem Freundeskreis oder einem japanischem Forum zeigt.
Ich bekomme es in der Regel ja nicht mit und somit stört es mich nicht.
Heutzutage wo jeder mit seinem Handy oder Tablet unterwegs ist fotografiert ja eigentlich an öffentlichen Plätzen immer irgendjemand irgendwen - lässt sich kaum mehr verhindern da nicht auch mal auf einem Foto zu landen.
Prinzipiell sehe ich einen Unterschied ob ich Leute fotografiere und das Foto veröffentliche die dann vom zu erwartenden Klientel erkannt werden können.
Also auf hier bezogen, Fotos/Film die in D aufgenommen und hergezeigt werden. Da achte ich darauf kein Bild zu veröffentlichen bei dem jemand hier drauf ist für den das nicht ok sein könnte.
Bei Leuten irgendwo sonst in der Welt tut es IMO niemandem weh.
Ich respektiere es allerdings wenn es mir bekannt ist, daß eine bestimmte Gruppe Menschen nicht fotografiert werden möchte (sei es aus religiösen oder anderen Gründen).
Das wäre eines der Tabus die ich immer einhalte.

Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.