14.Tag, 13.7.2013, SamstagDass der Knackpunkt einer Reise an einem Fluß hängen kann ?
Eher ungewöhnlich und stimmt ja auch nicht, es sind zwei Flüsse.
Zwei oftmals tiefe Flüsse an der Nyidalur Hütte gilt es auf dem Weg nach Süden einmal quer durchs Hochland auf der Sprengisandur – der F26 – zu bewältigen, zu furten.
Im Internet gibt es nicht wenige bewegte Bilder in denen man in meist wackeligen Aufnahmen abgesoffene Autos und deren hilflose Fahrer bewundern kann.
Um möglichst gute Bedingungen an den Furten zu haben überquert man einen Schmelzwasserfluss am besten frühmorgens. Durch die niedrigeren Temperaturen in der Nacht haben diese Flüsse morgens immer deutlich weniger Wasser und sind dadurch natürlich leichter zu passieren.
Ob das für unseren Nissan mit 45 cm Wattiefe reicht werden wir sehen.
Wenn nicht – müssten wir die Strecke von der Furt bei Nyidalur bis zur Ringstraße nach Norden wieder zurück und dann über die zweite Hochlandquerung, die F35 nach Süden vorstoßen.
Nicht nur, daß wir diese Strecke schon kennen – sie würde uns von hier aus 2 Tage und einiges an schönem Wunschprogramm im Hochland kosten. Deshalb hatten wir auch die Unterkunft – das Kidagil Guesthouse „strategisch“ so gewählt, daß wir die Entfernung zur Hütte mit den tiefen Furten so kurz wie möglich halten.
So sind wir nach einer kurzen Nacht um 5.30 Uhr auf den Beinen, beladen eilig das Auto und brausen bei strahlendem Sonnenschein los.
Auf nach Süden zum Beginn der F26, der Sprengisandur.
Nach 5 Minuten sehen wir doch tatsächlich einen Polarfuchs über die Fahrbahn trippeln – aber damit hatten wir nicht gerechnet – die Kameras liegen noch auf dem Rücksitz verstaut.
Einsame Farm am Rande des Hochlandes.
Kurz vor Beginn der F26 ist ein Gatter zu öffnen und dann sind wir auch schon auf dem Weg ins Hochland in die Missetäterwüste wie sie in früheren Zeiten genannt wurde, als man Menschen die sich aufgrund ihrenTaten nicht mehr in der isländischen Gesellschaft blicken lassen durften in das Hochland verbannte, was oft einem Todesurteil gleichkam.
Gleich am beginn der F26 gibt es einen Wasserfall der zu unseren absoluten Favoriten dieser Gattung Natur gehört – der Aldeyarfoss.
Das Licht steht morgens ungünstig, aber ein kurzer Stop muss trotzdem sein.
Eindrucksvolle Basaltsäulen gibt es am Aldeyarfoss zu bewundern.
Außerdem das wahrscheinlich letzte Blümchen an diesem Tag.
Danach geht es erstmal ungebremst weiter nach Süden – es gilt möglichst früh an den Furten anzukommen.
Weit schweift der Blick durch die schwarzen und braunen Lavalandschaften.
Die Piste ist größtenteils ordentlich zu fahren – aber dazwischen gibt es immer mal wieder kernige Passagen mit Steinen und Löchern die höchste Aufmerksamkeit erfordern.
Vor uns zuckelt ein Suzuki Jimny. Für uns ist sowas kein Auto sondern eine Zumutung zumindest wenn man mit sowas im Hochland unterwegs ist.
Da gibt selbst der Lada eine weit bessere Figur ab.
Es ist nicht so, daß es auf dem Weg gar keine Furten gibt aber wirklich sonderlich fordernd sind sie nicht.
Der Jimny Fahrer nebst Beifahrerin hält offensichtlich verunsichert an einer Furt die eigentlich nicht der Rede wert ist – eine gute Möglichkeit zu passieren was sonst im Hochland wenn jemand nicht zur Seite fährt nicht so wirklich einfach ist.
Um nicht pausenlos Staub und Steine abzubekommen hält man Abstand und muss sich mit der Geschwindigkeit des Vordermanns abfinden, außer man wagt ein riskantes Überholmanöver, das Reifen oder Scheibe beschädigen an.
Mit einem Schnitt von 40-50km/h knattern wir über die Hochlandpiste.
Der Name Sprengisandur ist übrigens dadurch entstanden, dass Pferde möglichst schnell darüber "sprengen" sollten, um die gefährliche Strecke bald hinter sich zu haben und wieder Gras und Wasser zu finden.
Noch etwas Geschichte zur Strecke:
Die Sprengisandur ist mit 200 Kilometern nicht nur die längste Hochlanddurchquerung Islands sondern überhaupt ein sehr alter Weg, der von den frühesten Zeiten der Besiedlung bis ins Hochmittelalter häufig benutzt wurde. Allerdings war er wegen seiner Wetterumschwünge und seiner Trockenheit auch immer schon gefürchtet.
In früheren Zeiten vermutete man zudem, dass hier Trolle, böse Geister und Geächtete ihr Unwesen treiben könnten, so erklärte man den Weg im 18.Jahrhundert für verloren.
Danach reiste fast niemand mehr über diese Wege, bis 1897 der Forscher Daniel Bruun den Weg für sich entdeckte. Er initiierte eine neuerliche Kennzeichnung des Weges mit Steinmännchen, die 1907 abgeschlossen wurde. Im Jahre 1933 fuhr dann zum ersten Mal ein Auto die Strecke ab. Über die Tungnaá musste man es im Boot befördern.
So war das einst. Heute ist die Strecke bis auf die Furten für Allradfahrzeuge kein Problem.
Das Wetter gibt sich gemischt – ein Sonne- und Wolkenmix mit eisigen Temperaturen. Die Piste schlängelt sich in vielen Kurven über die Ascheberge.
Dazwischen entdecken wir viele kleine Flüsse an deren Rändern sich leuchtende Moose festgesetzt haben. Die Vegetation ist hier eher ein Mikrokosmos der aber absolut faszinierend ist. If you can make it there …. wer auf diesem kargen Sand und Steinboden überlebt der schafft es auch in New York...
Bedauerlich, daß wir auf der Fahrt nicht öfter mit Zeit anhalten können um die Landschaft zu genießen, zudem es ja auch viele sonnige Abschnitte an diesem Morgen gäbe – aber ein Scheitern an der Furt wollen wir uns nicht durch vertändelte Zeit hinterher vorwerfen müssen.
Gegen 9 Uhr ist bereits von einiger Entfernung die Hütte bei Nyidalur und der erste Flussarm zu sehen.
Von weitem sieht das nicht sonderlich dramatisch aus – wir werden sehen.
Am Fluß angekommen sind wir überrascht, ja fast enttäuscht – vor allem ich.
Nein, der Fluß ist nicht zu tief.
Er ist zu seicht!
Ich hatte mich auf ein abenteuerliches Spektakel eingestellt – die schwierigste Furt unserer Islandreisen und dann ist das hier so ein Pfützchen.
Ich mache mir nicht einmal die Mühe nach einer Idealroute Ausschau zu halten sondern brettere einfach durch die trotzdem breite Furt die aufgrund des niedrigen Wasserstands aber einige kleine Inseln aufweist.
Wenn wir da an die Furt bei den Laki-Kratern vor 3 Jahren denken – das war ein anderes Kaliber.
Natürlich sind wir erstmal erleichtert überhaupt durchgekommen zu sein durch Teil 1 der Sprengi-Problemzonen aber – dafür hätten wir es auch gemütlicher angehen lassen können. Wenn man das immer wüsste ….
An der Nyidalurhütte halten wir uns nicht lange auf erleben aber etwas was uns zunächst nicht gefällt. Das Klohäuschen möchte eine Benutzungsgebühr von 300 ISK (rund 2€) für das Klo.
Nicht, daß das nicht nachvollziehbar wäre (wobei der Preis auch zu hoch ist). Aber auch daß es solche Dinge normalerweise bisher in Island nicht gab – macht uns das Land so sympathisch.
Wir wollen gerade weiter fahren da sehen wir den Jimny sich der Furt nähern.
Das könnte doch noch einmal interessant werden.
Ich hole mir die Kamera vom Auto und baue das Stativ auf.
Ich kann mir dabei Zeit lassen. Der Jimny-Fahrer scheint keiner von der Draufgänger-Sorte zu sein sondern eher das Gegenteil.
Minuten vergehen.
Als ich schon abbrechen will schwimmt er doch noch durch die machbaren Flussarme – na, geht doch.
Die zweite Furt nach der Hütte - Problemfall Nummer zwei - erweist sich ebenso für unseren Nissan als absolut machbar.
Einen Tick tiefer, dafür nicht so breit.
Ich fahre für einige Aufnehmen gleich mehrfach durch die Furt da wir ja nun wissen – was Schlimmeres sollte nicht mehr kommen.
Natürlich sind wir erleichtert. Wir können die Sprengi weiter nach Süden bis Hrauneyjar fahren. Ein bisschen dumm aus der Wäsche gucken wir trotzdem.
Wir hatten uns im Vorfeld mit diesen Furten so selbst gehyped und dann das.
Irgendwie typisch – es kommt halt immer ganz anders als man denkt.
Leider nicht anders als man denkt verhält sich das Wetter. Laut Vorhersage ist für den Nachmittag schlechteres Wetter mit Regen im Anmarsch und das Wetter verhält sich brav entsprechend dieser Ankündigung.
Schattige 3° Grad (Sonne gibt es inzwischen schon länger keine mehr) verlocken nicht unbedingt dazu einen Kamerastop nach dem anderen einzulegen.
Einige Male quälen wir uns trotzdem hinaus in die Kälte. Wir sind ja schließlich im Urlaub.
Das Verlassen des Autos geht natürlich immer mit dem Anziehen diverser Rückbankgegenstände (dicke Jacke, Handschuhe. Mütze) einher. Man kann vor lauter Klamotten kaum mehr laufen.
Manchmal, wenn es nur ganz schnell gehen soll verzichtet man darauf – bereut es dann aber zähneklappernd relativ schnell.
Die weiteren Kilometer nach Süden sind unproblematisch, die Piste gut zu fahren.
Einige kleine Furten gibt es noch aber nennenswert sind sie nicht.
Nennenswert ist allerdings noch ein Erlebnis irgendwo unterwegs wo uns eines der wenigen entgegenkommenden Autos per Handzeichen zum Stehen bringt.
Der Fahrer fragt uns ob wir zufällig nach Hrauneyjar unterwegs wären was wir bejahen.
Er holt einen Schlüssel mit Holztäfelchen hervor den er heute Morgen statt abzugeben in seiner Jacke vergessen hätte und fragt uns ob wir das für ihn übernehmen könnten.
Kein Problem – eine ungewöhnliche Schlüsselübergabe auf der F26 aber das ist nun mal ein ungewöhnliches Land.
Über Hügel und karge Ebenen geht es auf die letzten Kilometer, schließlich vorbei am großen Thoritsvatn bis Hrauneyjar.
Inzwischen hat es sich eingeregnet als wir um kurz nach 13 Uhr den Asphalt erreichen. Immer wieder ein besonderes Gefühl wenn man nach Stunden über Stein, Geröll- und Wellblechpisten, verbunden mit den akustischen rumpeligen Begleiterscheinungen plötzlich so ein sanftes fast lautloses Dahinrollen erlebt.
Immer ein Aha-Effekt.
Eine Viertelstunde später ist das Hochlandzentrum von Hrauneyjar erreicht.
Die Barracke, einige dazugehörige Häuschen etwas weiter östlich sowie das große und teure Highland Hotel sind die einzigen zivilisatorischen Lebenszeichen im Umkreis von fast hundert Kilometern - in einige Richtungen sogar noch weit mehr.
Dementsprechend sind auch die Preise.
Die Tanke bei Hrauneyjar ist die einzige im südöstlichen Hochland und einen Supermarkt oder gar eine Ansiedlung – weit und breit Fehlanzeige.
Man fragt sich in Island an bestimmten Stellen als Individual-Tourist mit den Erfahrungen aus anderen Ländern warum da nicht mehr hingebaut wird. Letztendlich ist das ja sympathisch und darf eigentlich auch noch eine Weile so bleiben, daß hier keine McDonalds, Burger Kings und 10 klotzige Hotels an die Lagune am Jökulsarlon oder zum Geysir gezimmert werden.
Auf unser vorreserviertes Zimmer können wir nicht vor 15 Uhr, also betanken wir erst mal das Auto (schon fast ein Kunststück bei dem Wetter keinen Rost anzusetzen) trinken Kaffee, telefonieren mit zu Hause, werfen das kleine Surfbrett an und checken das Wetter. Aua. Da brauchen wir gleich noch einen Kaffee – für heute ist übelster Regen angesagt. Zumindest für morgen sieht es besser aus.
Da wir ja ausnahmsweise mal Zeit haben frage ich an der Information im Hochlandzentrum nach dem Valley of Tears und einer Zufahrt, da ich davon zufällig ein Foto auf einer schon ziemlich vergilbten Karte an der Wand entdecke.
Ich könne eine offiziell gesperrte Straße der Kraftwerkangestellten benutzen. Ich wäre dort nur nicht versichert sonst wäre das völlig ok.
Na sowas – wir werden das morgen probieren.
Inzwischen können wir unser Zimmer aufsuchen. Das Mini-Zimmer (etwa 9qm bestehend aus zwei Einzel-Betten und sonst nichts) ist eher bescheiden aber ok und es gibt immerhin eine große Küche. Auch hier ist das Zimmer als Schlafsackunterkunft gebucht, WC und Dusche sind auf dem Gang.
Da guckt man schon mal sparsam bis grenzdebil wenn man so ein tolles Zimmer betreten darf.
Man beachte die modischen Schuh-Überzieher.
Der Regen ist weit agiler als wir. Vielleicht macht uns das Wetter heute so müde oder es ist der Schlafmangel der letzten Tage – jedenfalls zieht uns beide die Schwerkraft unerbittlich aufs Bett und wir schlafen beide ein.
Den eigentlich an diesem Nachmittag geplanten Ausflug zu den Veidivötn verschieben wir auf eine nächste Reise das macht auch nachdem wir von unserer Augenpflege wieder aufwachen keinen Sinn denn das Wetter ist nach wie vor absolut unterirdisch.
Wir raffen uns trotzdem noch einmal auf und fahren eine kleine Piste. Die Piste endet im Niemandsland und der Regen ist so ein richtig fieser Drizzle, eine äußerst intensive Dusche – allerdings nicht mit warmem Wasser.
Für heute geben wir es auf – es macht einfach keinen Sinn.
Wir fahren zurück zur Unterkunft und bereiten das Essen vor – heute unspektakulär eine Packung Nudeln mit Arabbiatasoße die wir noch im Auto herumfahren hatten.
Mit einer Küche hatten wir hier gar nicht gerechnet – die gab es bei unserem letzten Besuch vor vier Jahren hier noch nicht.
In der großen Küche, die auch einige Tische und Sitzmöglichkeiten hat, ist es trubelig – viele Gäste haben sich nun hier eingefunden und haben Hunger.
Als es noch mehr Leute werden verziehen wir uns aufs Zimmer und trinken dort in Ruhe noch ein Bier aus unseren geschätzen Vinbudin-Vollbierbeständen und dazu gibt es auf das Mistwetter noch einen GinTonic. Wehe das Wetter wird morgen nicht besser …. denn wir freuen uns auf einen landschaftlich besonders schönen Tag ...
Übernachtung: Hrauneyjar als Schlafsackunterkunft
Bild des Tages:Harmlose Furt bei Nyidalur