11.Tag, 10.7.2013, MittwochHeute frohlockt der Wecker um 7.30 Uhr und kündet von einem neuen Tag für die zwei nach wie vor erlebnishungrigen Reisefreaks.
Eine heiße Dusche und einen Kaffee später stehen wir auch schon am Auto und laden ein. Heute morgen haben wir ja mal ganz unindividuell eine Tour in der „Horde“ gebucht - die allerdings einfach alternativlos ist.
Die Termine der exklusiveren Fotografentour konnten wir nicht wahrnehmen – da blieb nur der Almauftrieb mit allen anderen auf den grasbewachsenen Vogelfelsen von Ingolfhöfdi.
Wir fahren die wenigen Kilometer bis zu einer Farm und biegen Richtung Küste ab. Nach ca. 2 Kilometern erreichen wir schon den Parkplatz und eine kleine Holzhütte.
Zweimal dumm schauen und ein paar Minuten später fährt auch schon Einar vor. Einar ist nicht nur der Macher dieser Foto-Touren nach Ingolfhöfdi, er „macht“ so ziemlich alles womit man mit den meist ausländischen Touristen Geld verdienen kann. Eishöhlenbesichtigungen im Winter, Gletscherbegehungen im Sommer und vieles mehr.
Mit Einar haben wir auch vor 3 Jahren schon diese Tour unternommen – er ist sich noch immer nicht zu schade das selbst durchzuführen obwohl man sich angesichts dessen, wie dick er im Geschäft ist vorstellen kann, daß er das finanziell auch weiter delegieren könnte.
Als Ingolfhöfdi 1978 zum Schutzgebiet erklärt wurde behielt seine Familie das Recht den Felsen zu betreten, dort Papageitaucher zu fangen und irgendwann haben dann diese Touren begonnen.
Punkt 9 Uhr startet der vollbeladene Trecker mit Einar als Fahrer und seinen beiden Anhängern im Schlepptau über die Lagune zum Vogelfelsen.
Schon nach 10 Metern und der ersten Wasserdurchquerung wäre für jeden normalen Allrad hier Schluß. Über einen Meter ist die Lagune an dieser Stelle tief – den großen Rädern und dem Trecker selbst scheint das aber keine Probleme zu bereiten.
An tief im Wasser steckenden Holzpfählen entlang tuckern wir gut 30 Minuten über die Lagune bis wir unterhalb des Felsens auf schwarzem Lavasand ankommen.
Das Wetter ist eher durchwachsen aber wie Einar uns erklärt perfekt, denn bei Sonne sind die Papageitaucher, die Lundis lieber im Wasser. Bedeckter Himmel oder gar Regen wären sehr gute Bedingungen um möglichst viele Lundis oben um die Brutplätze, die Nisthöhlen der Lundis beobachten zu können.
Dass sonniges Wetter in Island nicht immer der Idealfall sein muss, haben wir in diesem Land, das so anders ist als alles was man von anderswo kennt schon öfter festgestellt und das sollte sich auch auf dieser Reise wieder bestätigen.
Im Gänsemarsch geht es die Lavasanddüne hinauf auf den 76 m hohen Berg.
Blick zurück auf unser "Taxi"und den schwarzen Lavastrand
Oben angekommen erzählt Einar die Geschichte von Islands erstem Siedler Ingolfur Arnarson der sich der Legende nach im Jahre 874 in dieser Gegend eine Zeitlang niedergelassen haben soll.
Moderne Bewohner sind neben den Lundis die Skuas, Raubmöwen vor denen Einar eindringlich warnt. Die Gruppe soll zusammen gehen und niemand zurückbleiben.
Einar schreitet voran und hebt eine Hand, auf die als höchsten Punkt gelegentlich ein Skua herabstürzt und einen Scheinangriff fliegt.
Einar macht das schon so viele Jahre und man hat den Eindruck - „man kennt sich“.
Die Möwen fahren ihre Angriffe auf Einar genauso halbherzig wie er den Arm hebt. Wenn er noch dazu gähnen würde, würde man sich nicht wundern.
Auch irgendwie eine skurrile Nummer.
200 Meter weiter sind die Skuas dann schon deutlich aktiver, hektisch umschwirren sie einen Platz an der Klippe und schimpfen laut vernehmbar auf die Eindringlinge aus Deutschland, Holland, Italien, Frankreich oder USA.
Einar zeigt uns den Grund – hier gibt es ein Skuanest ...
... wo sich ein kleiner doch etwas verschreckter Jungskua ängstlich auf den Boden drückt.
Äußerst argwöhnisch beäugen uns Mama und Papa Skua.
Wir gehen weiter. Bisher war noch kein Lundi, kein Papageitaucher zu entdecken aber das ändert sich schlagartig als wir auf eine meerseitig zugewandte Klippe zugehen.
Ganze Hundertschaften unserer geliebten Lundis bevölkern den Grashang.
Ein fast chaotischer Flugverkehr herrscht über der Grasnarbe, der trotz fehlender Fluglotsen irgendwie funktioniert.
Ständig kommen einige dieser Clowns der Meere bei ihren Höhlen an oder heben zum Flug hinaus auf den Ozean von der Klippe ab.
Bei diesem Gewimmel ist es nicht leicht sich überhaupt ein Motiv auszuwählen.
Andererseits – irgendwas trifft man immer.
Allzuviel Zeit bekommen wir leider auch nicht an dieser Stelle – wir werden ja noch den restlichen Felsen ablaufen bevor wir dann zum Traktor zurückkehren.
Die Stunde hier oben wird also so schnell vergehen, daß man sich nicht zu viel Zeit beim Fotografieren und Filmen lassen darf.
Wir knien im Gras und sorgen dafür, daß dem Auslöser nicht kalt wird.
An drei weiteren Stellen mit Lundis halten wir wieder für einige Minuten aber die Zeit hätte zehnmal so lang sein dürfen.
"Lambis" - also Schafe gibt es überall auf ganz Island - also natürlich auch hier oben auf Ingolfhöfdi.
Auch wenn das unbefriedigend ist – die Tour ist eben (mit Ausnahme der intensiveren Fotografentour) das beste was man in Island machen kann wenn man garantiert viele Lundis sehen will. Dreimal am Tag gibt es im Hochsaisonmonat Juli diesen Trip nach Ingolfhöfdi und sie ist fast immer ausgebucht.
Vor drei Jahren gab es nur eine Tour am Tag – ein weiteres Indiz wie sich der touristische Zustrom zur Vulkaninsel inzwischen entwickelt hat.
Abstieg vom Berg und gegen Mittag ist der Trecker und wir wieder über die Lagune zurückgekehrt.
Wir fahren ein kurzes Stück auf der 1 bis zu einem der vielen namenlosen Wasserfälle etwas abseits der Ringstraße, zu dem eine Piste führt und lassen uns für ein Picknick nieder.
Danach geht es wie gestern wieder in die Gletscher- und Eiswelt und zunächst zum Fjallsarlon.
Heute ist nicht nur das Licht besser – leider sind heute auch Massen von Touristen hier. Vor ein paar Jahren noch sowas wie ein Geheimtipp und jetzt bricht der nicht kleine Parkplatz oberhalb der Lagune fast aus allen Nähten.
Nun gut, ist man mal ein paar Schritte hinab zum Gletschersee gelaufen wird es deutlich ruhiger und das etwas irritierend hektische Gewusel von oben ist fast schon vergessen.
Während ich begeistert mit der Kamera hin- und herspringe legt sich Petra nach einigen Aufnahmen ins Gras und nutzt die Sonne für ein paar Minuten Augenpflege.
Aber heute bei inzwischen so schönem Wetter Licht und Zeit verschwenden – puuuh – nachdem ich meine Aufnahmen im Kasten habe will ich weiter zum Jökulsarlon und das Licht nutzen und nicht hier „Urlaub machen“ dafür bin ich gerade viel zu motiviert. Ich springe also so lange um Petra herum wie Rumpelstilzchen in seinen besten Zeiten bis Petra die Themengebiete „Ruhe, Erholung, es sich gut gehen lassen“ - wieder eintütet und wir weiter zum Jökulsarlon fahren.
Ich weiß ich bin schlimm aber für ein Sonnenbad ist mir das Wetter zu schön.
Würde es jetzt wie aus Eimern kübeln – ja dann wäre das natürlich ok.
Beim Jökulsarlon steuern wir diesmal zunächst den sogenannten Eisstrand an, wo die Eisstücke auf ihrem kurzen Weg von der Lagune über die Jökulsá zum Meer finden und einige von ihnen von der Brandung an den schwarzen Lavastrand gespült werden bis sie sich in Luft auflösen, na ja eigentlich ja in Wasser.
Wir bleiben gut eine Stunde hier – Kameras und Stative leisten Schwerstarbeit.
Schon mal was Besonderes etwas aufzunehmen das in wenigen Stunden schon gar nicht mehr existent ist.
Wir wechseln hinüber zur Lagune, allerdings dort zunächst mal in das kleine Cafe.
Wir sitzen auf der Terrasse und trinken Kaffee und ja jetzt gibt es tatsächlich mal eine Pause – der Kaffee heiligt die Mittel.
Danach gibt es natürlich noch eine kleine Runde an der Lagune entlang.
Der Jökulsarlon ist mit 250 Metern der tiefste See Islands.
Abhängig von den Gezeiten ist die Strömung der Jökulsá unterschiedlich stark. Sie kann sich auch umkehren, so dass Salzwasser vom Meer in den See strömt, was dessen Zufrieren verhindert. Bei meerwärts gerichteter Strömung werden Eisberge aus dem See ins Meer gespült und teilweise am angrenzenden schwarzen Basaltstrand abgelagert.
Der Gletschersee kam auch schon zu einigem Filmruhm Jahre bevor ich zum ersten mal hier mein Stativ aufgestellt hatte. Filmproduktionen wie James Bond – Stirb an einem anderen Tag, James Bond 007 – Im Angesicht des Todes, Tomb Raider, Beowulf & Grendel und Batman Begins wurden hier gedreht. Damit Fahrzeuge auf dem See fahren können, wurde für den James-Bond-Film der Zugang zum Meer verschlossen, was innerhalb von 24 Stunden zu einer geschlossenen Eisdecke führte.
Noch ein letztes Foto und wir verabschieden uns vom Jökulsarlon – bis auf irgendwann mal wieder – ganz bestimmt.
Die Gegend um den Jökulsarlon ist nicht gerade dicht besiedelt. Selbst kleine Farmen sind nicht so häufig wie an der Südküste bei Vik.
Auf etwa halber Strecke vom Jökulsarlon nach Höfn liegt unsere reservierte Übernachtung – eine Hütte der Lambhus Cottages & Camping Site.
Eine wirklich tolle Unterkunft – da gibt es nichts zu meckern.
Schon gar nicht über einen Skyr für den kleinen Hunger zwischendurch - eine von Islands Spezialitäten, denen wir sehr aufgeschlossen gegenüber stehen.
So eine Art Mischung aus Jogurt und Quark.
Auch mit einem Nachbarn schließen wir gleich Freundschaft, der sich über eines unserer Brötchen freut.
Da es gerade 17 Uhr ist und es in Höfn eine Vinbudin gibt halten wir uns erstmal nicht lange auf und fahren in die Metropole des Ostens nach Höfn.
Immerhin 1635 Einwohner hat dieser Ort und ich wette fast – wenn die Vinbudin im Winter nur eine Stunde auf hat stehen die 1635 Leute bei Ladenöffnung auch alle davor.
Wir legen hier einen echten Großeinkauf hin – ach herrlich promillemäßig einmal aus dem Vollen schöpfen zu können bis die Kreditkarte kracht.
Andere Einkaufserlebnisse gibt es bei uns notorischen Shoppingverweigerern ja meist nicht.
Wir steuern noch einen Netto-Supermarkt an und versorgen uns für den Abend an dem es heute eine Tex-Mex-Reispfanne mit Hackfleisch gibt.
Natürlich trägt auch der Einkauf in der Vinbudin entsprechend zum entspannten und gelungenen Abend in unserer gemütlichen Holzhütte bei.
Übernachtung: Lambhus Cottage und Camping Site
Bild des Tages:Lundis auf Ingolfhöfdi