8.Tag, 7.7.2013, Sonntag5.20 Uhr aufstehen und das soll Urlaub sein ?
Wenn man seine Karten auf die Wettervorhersage von Belgingur setzt dann muss das eben so sein.
20 Minuten später sitzen wir bereits im vollgepackten Auto und brausen los. Den Kaffee gibt es während der Fahrt aus der Thermoskanne.
Um 6 Uhr ist das Geysirgebiet Haukadalur erreicht und da gerade die Sonne durch die Wolken spitzt lassen wir uns noch einmal zu einem kurzen Besuch verleiten.
Immerhin – außer uns nur ein Besucher schon so früh unterwegs – so ist das doch deutlich angenehmer.
Nach 45min brechen wir ab und fahren weiter auf der 35 nach Norden und halten wieder am Gullfoss.
Für die Morgensonne ist der Gullfoss keine geeignete Location – da wäre der Nachmittag besser – aber darum schert sich das Wetter heute wohl leider nicht, denn es soll es ja schlechter werden wenn wir auf dem Rückweg hier wieder vorbeikommen.
Also nehmen wir uns eine halbe Stunde und machen ein paar schnelle Aufnahmen.
Heute sitzt uns natürlich die Zeit und die vom Süden herannahende Regenfront im Nacken.
Wir folgen der 35 nach Norden ins Hochland.
Die 35, die „Kjölur“ ist (neben der Sprengisandur) eine der beiden großen Hochlanddurchquerungen Islands.
Früher hatte die 35 noch ein „F“ und es waren auch mal diverse Flußdurchquerungen im Programm. Inzwischen sind alle Flüsse überbrückt oder unterrohrt und die 35 ist selbst für PKW's machbar, auch wenn das aufgrund mancher Rüttelkilometer nicht durchgehend von Spaß gekrönt sein dürfte und man seine dritten Zähne vor Fahrtantritt dann besser in ein Köfferchen einpackt.
Der Asphalt verabschiedet sich und die Piste hinein ins Hochland beginnt.
Wikipedia verrät zum isländischen Hochland:
Es ist sehr trocken und starken Winden ausgesetzt. In ihm finden sich verschiedene Landschaftsformen wie Moränenlandschaften Stein- und Sandwüsten, Vulkane aller Art, Lavafelder, Süßwasserseen, Gletscher und oft in tiefe Schluchten eingegrabene Flüsse. Dort wo Wasser sich etwas ausbreiten kann, finden sich sumpfige „Oasen". In geschützteren Lagen mit genügend Wasser wachsen allerlei Moor- und Hochlandpflanzen. Ansonsten ist das Hochland im Wesentlichen pflanzenlos. Es handelt sich in diesen Landesteilen um eine durch das vulkanische Gesteinsmaterial der Insel meist grau-schwarz gefärbte edapische Inlandswüste, in der zwar Niederschläge niedergehen, diese jedoch meist spurlos im Boden versickern.
Mit jedem Kilometer nach Norden weicht die Vegetation zurück und innerhalb weniger Minuten sind wir von einer dunklen Ödnis umgeben – eine Aschewüste oder wie wir eben gelernt haben eine edapische Wüste.
So abstoßend sie erscheinen mag so faszinierend ist sie auch.
Weniger faszinierend ist die Nebelwand auf die wir gerade zufahren.
Das sieht nach Weltuntergang aus.
Die tief hängenden Wolken und der Nebel verschlucken uns völlig.
Sichtweite nur eine Handvoll Meter.
Ob es Sinn macht noch weiter zu fahren ?
Wir holpern noch einmal 15 Minuten weiter aber der Nebel wird eher dichter.
Wir halten an. Ich schalte das Smartphone ein und bekomme sogar Internetempfang. Dank Google finde ich die Nummer des Hüttenwarts im Kerlingarfjöll und rufe ihn an.
Auf meine Frage nach dem Wetter vor Ort antwortet er, es wäre strahlend blauer Himmel.
Ich denke erst, daß er mich auf den Arm nehmen will und frage noch einmal nach. Ja wirklich, es wäre im Moment sehr schön dort.
Ok, we're coming.
Das schon Richtung Rückfahrt gedrehte Auto wird wieder gewendet und wir fahren doch noch weiter nach Norden.
20 Minuten später geschieht das Wunder – der Nebel lichtet sich plötzlich ganz unvermittelt und wir erkennen Bruchstücke von Bergen – ja sogar die Sonne blinzelt durch. Unglaublich.
Wir hätten das nicht für möglich gehalten so düster wie eben noch alles um uns herum war.
Nach etwa einer guten Stunde vom Gullfoss ist die Abzweigung zum Kerlingarfjöll erreicht und hier ist der Himmel tatsächlich blau und die Sonne lacht auf uns herab.
Die letzte Strecke vorbei an der Hütte hinauf in die Berge lässt sich problemlos bewältigen und gegen 9.30 Uhr ist der Wanderparkplatz am Kerligarfjöll erreicht.
Etwas erschreckend, daß hier um diese Uhrzeit schon einige Autos stehen.
Island 2013 im Juli – da kommen zwei Dinge zusammen:
Absolute Hochsaison und eine deutlich wahrnehmbar gesteigerte Beliebtheit der Vulkaninsel – der Besucherstrom hat stark zugenommen.
Dass nun auch noch ein Bus dazu mit meinen „geliebten“ Franzosen heranfährt hätte es allerdings nicht gebraucht.
Na ja, das Gebiet ist ja nicht klein – das wird sich schon verteilen.
Kerlingarfjöll ist ein vulkanischer Gebirgszug mit bis zu 1500 Metern Höhe und umfasst ein Vulkansystem von 100 Quadratkilometern. Vor allem aber ist das Kerlingarfjöll eines: Gummistiefelgebiet.
Der weiche lehmartige Untergrund scheint die Nässe besonders gut zu speichern und man sinkt schon gerne ein oder legt auf den teilweise steilen Wegen eine Rutschpartie hin. Dazu gibt es einige Passagen im Tal wo man in den warmen Flüssen entlanglaufen oder sie durchwaten will ohne sich nasse Füsse zu holen.
Den interessantesten Teil des Kerlingarfjölls, das Hochtemperaturgebiet Hveradalir, kann man von diesem Parkplatz auf einem steilen Weg hinab ins Tal der heißen Quellen, Schlammtöpfen, Fumarolen und heißen Bächen erreichen.
Im Tal kann man auf verschiedenen Wegen wieder hinauf in die Berge oder in einige Seitencanyons vorstoßen – ein absolut überragendes Gebiet – nicht einfach zu erwandern aber ungemein lohnend.
Diese Landschaft mit ihren orangen Bergen, den bis weit in den Sommer hineinreichenden Schneeresten auf den Bergen, den rauchenden Quellen und dampfenden Flüssen ist Faszination pur.
Eine Landschaft, die es nur auf Island geben kann.
Auf dem Rückweg halten wir noch einmal am Gullfoss. Das regnerische Wetter lockt uns genausowenig wie die Menschenmassen die den Parkplatz bevölkern – nein – hier am Rande des Hochlandes ist die erste Gelegenheit einen Kaffee abzugreifen und die wollen wir nutzen, da wir vom frühen Aufstehen beide gerade doch recht müde in den Seilen hängen, was vielleicht aber auch einfach dem trüben Wetter geschuldet ist.
Der Milchkaffee hier ist auch wirklich gut und lässt die zu 1 Millimeter flachen Schlitzen herabgesunkenen Augenlieder wieder etwas nach oben steigen.
In Fludir machen wir noch einen kleinen Einkauf im Supermarkt.
Ich denke gerade darüber nach ob es schon erschreckend ist, daß wir bei der Einfahrt in diesen Ort schon wissen wo der Supermarkt ist, wo die Tanke ist und wo man umsonst sein Auto abwaschen kann und komme zu dem Schluß – so ist das halt wenn man hier immer wieder durchkommt.
Der Weg zur Küste und zur 1 über die 30 ist mal abgesehen vom miesen Wetter recht unspektakulär. Am spektakulärsten wäre noch die Vinbudin in Selfoss gewesen aber wir biegen vorher auf die Ringstraße nach Osten ab.
Schade.
Der Arbaerfoss den wir als Abstecher von der Ringstraße anfahren bietet immerhin mal wieder die Möglichkeit das Auto trotz des gerade herrschenden Katastrophenwetters zu verlassen.
Petra ist vom Wetter etwas genervt und muss ihre „Island-Einstellung“ erst wieder aufpolieren (Wasser dazu wäre ja genug vorhanden) und sieht das kleine Wasserfällchen nicht dazu angetan sich hinaus in den Regen zu schleppen – ok ein Must-See ist das natürlich nicht.
Da ich den Wasserfall aber im Vorfeld so schön recherchiert hatte quäle ich mich tapfer hinaus in den waagerechten Regen der heute mal als Sprühwasser oder auch einfach nur prasselnd auf uns herunterkommt.
Immerhin kann meine Kamera ja Regen ab und was einen nicht umbringt härtet ja bekanntlich ab. Die Hard – Die Harder – Island.
Auch den nächsten Abstecher von der Ringstraße den Aegissufoss, der nach wenigen Kilometern auf der 25 schnell erreicht ist verbringt Petra im Auto und ist auch schon am Dösen ...
... während ich das Minimum an Einsatz durchziehe (aus dem Auto springen – zum Aussichtspunkt laufen – Aufnahme mit der Kamera – eine mit dem Foto und ganz schnell wieder zurück).
Der weitere Weg auf der 1 nach Osten ist so ziemlich das düsterste Wetter an das ich mich in Island erinnern kann.
Am Seljalandsfoss prasselt der Regen derart dicht, daß wir ohne anzuhalten an diesem Naturschmuckstück vorbeifahren was Petra gar nicht mitbekommt da sie neben mir eingeschlafen ist.
Die Strecke vom Seljalandsfoss nach Vik – eine der schönsten ganz Islands kann man heute kaum wahrnehmen so tief hängen die Wolken und schüttet der Regen.
Wir sind sie schon öfter gefahren und kennen sie auch im Zauberlicht – davon sind wir heute weit entfernt.
Ohne anzuhalten gelangen wir zu unserer Unterkunft für heute und morgen –
Eystri Solheimar – das Gästehaus von Sigrun.
Sigrun kann sich sogar noch an uns erinnern und das ohne, dass wir selbst darauf zu sprechen kommen. Ist ja immerhin schon 3 Jahre her.
Sollte uns das zu denken geben ?
Die pfiffige sympathische ältere Dame verbringt ihre Winter in Berlin und betreibt im Sommer in Island dieses Gästehaus, das ihr Elternhaus ist.
Wir bringen unsere Sachen aufs Zimmer und unterhalten uns mit Sigrun.
Danach bereiten wir schon mal das Essen für später vor und ziehen trotz des Wetters noch einmal los.
Nicht die drei von der Tankstelle sondern Sigrun's Hof-Security
Im blöd schauen fast unschlagbar
Bis Dyrholaey, bekannt für seine Papageientaucherkolonien, ist es von Sigrun nur ein Katzensprung.
Am unteren Parkplatz (den oberen schenken wir uns) sind zwar überraschend viele Autos für das miese Wetter aber Lundis sehen wir keine.
Wir fahren weiter bis Vik und kaufen im Supermarkt ein, wobei der Name schon ein Witz ist denn super ist an dem Markt wenig. Kaum Auswahl und ein Delikatessenladen wird das hier auch nicht mehr.
An der Tankstelle gibt es Nachschub für unseren Nissan – wobei es derart schüttet, daß ich mir schon Sorgen um die EC Karte mache die hier im Zahlautomat fast geflutet wird. Tja, wenn irgendwo etwas wetterfest sein muss dann hier.
Wir scouten noch den Heidarvatn den ich auf der Karte nördlich der Ringstraße entdecke – Fazit – lohnt sich auch bei schönem Wetter nicht.
Gegen 20 Uhr sind wir zurück am Zimmer. Zur Verbesserung des leiblichen Wohls gibt aus der Gemeinschaftsküche Frikadellen und Couscous-Salat.
Beides sehr lecker bzw. super.
Das Wetter soll laut Herrn oder Frau Belgingur erst morgen Nachmittag besser (trocken) werden – also können wir mal lange ausschlafen.
Das hat ja was für sich und irgendwas erlebt man in Island immer egal wie das Wetter ist und wohin man sein Auto oder seine Schritte lenkt.
Das wird sich bestätigen ….
Übernachtung: Eystri Solheimar, bei Vik
Bild des Tages:In der bunten Hexenküche Kerlingarfjöll