3.Tag, 2.7.2013, DienstagAls wir heute das erste Mal noch vom Bett aus gegen 6 Uhr aus unserem Panorama-Fenster blicken ist der Himmel bedeckt.
Zwei Stunden später strahlt die Sonne über Ilulissat und den Eisbergen – es verspricht hier, 250 Kilometer nördlich des Polarkreises, ein schöner Tag zu werden.
Wir frühstücken gemütlich und immer wieder geht der Blick hinaus aufs Wasser zu den weißen Kolossen und den sie wie eine Armee Fußsoldaten umgebenden Bruchstücken – so richtig haben wir das immer noch nicht auf der Reihe was uns hier geboten wird – vorgestern noch zu Hause im hektischen und engen Deutschland und nun (fast) nur wir und diese tollen Eisberge und - wir sitzen in der ersten Reihe.
Gegen 10 Uhr brechen wir auf in den Ortskern, denn wir wollen für heute Abend eine Bootspartie buchen. Gerade die Mitternachtstour durch die Eisberge gehört zum Standardprogramm jedes Ilulissatbesuchers um die Szenerie auch einmal aus der Nähe vom Wasser aus zu erleben.
Das wollen wir natürlich auch und so sehen wir uns in den beiden großen touristischen Einrichtungen (World of Greenland und dem Tourist Büro) um und buchen schließlich eine Mitternachtstour, die um 21.30 Uhr mit Abholung vor dem Büro beginnt und dann unten vom Hafen mit einem kleinen Schiff hinaus aufs Meer gehen soll.
Während Petra die Tour bucht schlage ich im wahrsten Sinne des Wortes etwas die Zeit tot.
Da muss dann schon mal eine Mücke dran glauben ....
Mit der Mitternachtstour sind wir aber noch nicht vollends zufrieden, denn für morgen möchten wir auch noch eine Tagestour buchen die aber von den beiden großen Anbietern mangels Masse nachfragender Touristen im Moment nicht angeboten wird.
Gar nicht so einfach sein Geld loszuwerden.
Mit uns fragt auch noch ein weiteres deutsches Paar nach so einer Tour.
Zwei Häuser weiter gibt es noch einen kleineren dritten Anbieter der Bootstouren vermittelt. Also schließen wir eine deutsche Allianz, marschieren zusammen die 10 Meter zur Konkurrenz und können dort tatsächlich die gewünschte Tour buchen.
Soweit so gut – der kleine organisatorische Kraftakt ist abgehakt – das Wetter ist strahlend schön – also gehen wir auf eine Foto- und Filmrunde durch den Ort.
Immer wieder bizarr die bunten Holzhäuser und dahinter die weißen Eisberge.
Besonderer Hingucker ist dabei natürlich die Zionskirche, nur wenige Meter vom Ufer entfernt.
Wir kaufen noch etwas für den Abend ein und kehren zum Apartment zurück.
Nach einer Kaffeepause auf der Veranda schmieren wir uns ein paar Brote und richten unsere Kameraausrüstung für einen weiteren Einsatz, denn jetzt wollen wir endlich zum Kangia Eisfjord wandern.
Hinein in die wärmenden Winterjacken ...
... und einmal quer durch den Ort geht es steil hinauf zum alten Helikopter-Landeplatz unter der Beachtung fremdartiger Verkehrsschilder.
Neben zahlreichen nervigen Mücken, kann man entlang der Straße auch sehr viele Schlittenhunde beobachten – letztere stehen in unserer Gunst deutlich höher.
Ihr Heulen hört man überall im Ort – immerhin gibt es so viele Hunde wie Einwohner; also um die 5000 in Ilulissat.
Mit diesen Hunden – den „Grönländischen Schlittenhunden“ hat es eine besondere Bewandtnis. In Grönland müssen alle Schlittenhunde grönländische Schlittenhunde sein. War ein Hund einmal südlich des Polarkreises (der sogenannte Hundeäquator) darf er nicht wieder zurückkehren. 10-12 Hunde können einen Schlitten mit 300 kg von Nunatarsuaq im Norden nach Ilulissat in 4 Stunden ziehen. Das sind immerhin um die 180 km !
Könnte man glatt mitnehmen.
Hinter dem Heliport ist eine Infotafel und informiert auch über die Wandermöglichkeiten die mit den Farben rot, blau und gelb markiert sind.
Bevor wir in dieses Farbenspiel eintauchen gehen wir noch auf Entdeckungstour.
Von unserem Apartment konnten wir beim Blick nach oben in die Berge über dem Ort immer wieder eine Felskuppe ausmachen die sich als guter Aussichtspunkt über Ilulissat eignen würden.
Einen Weg dorthin sehen wir nicht aber wir haben eine „Ahnung“ wohin wir unsere Schritte lenken sollten, die über Steine und Büsche schließlich tatsächlich auf diesen Felsen hoch über dem Ort führen und wir so ziemlich alles überblicken können was es zu überblicken gibt – dezent formuliert – der Hammer!
So etwas bekommt man wahrlich nicht jeden Tag geboten.
Unzählige Eisstücke und Berge fungieren als perfekter Hintergrund für die bunten Holzhäuser Ilulissats.
Ein Anblick den man erst mal verdauen muss – kein Problem – es hetzt uns ja niemand und apropos verdauen – ein geeigneter Moment die Brote auszupacken und sich auf den Felsen für ein Päuschen niederzulassen, ...
... sehr zur Freude der Mücken die nun ihrerseits das Buffet eröffnen, denn anders als in Island stechen die Mistviecher hier auch.
Es ist relativ windstill und die mit 12 °C heute verhältnismäßig warmen Temperaturen locken eben auch die kleinen Quälgeister aus ihren Löchern.
Auf dem Rückweg sehen wir unter einem Hügel den alten Friedhof mit seinen geschmückten Gräbern, den wir uns aus der Nähe ansehen.
Eine ganz eigentümliche Atmosphäre – die verwitterten alten Holzkreuze, die Blumen und dahinter das Eis aus dem Fjord.
Wir starten auf den mit rot markierten Wanderweg über einige Bergkuppen, vorbei an Felsenblöcken
... und über Wiesen ...
... und erreichen doch recht unvermittelt den Eisfjord sowie einen Punkt namens Holme's Bakke. Jedes Jahr am 13.Januar 13 Minuten vor 13 Uhr erscheint hier die Sonne für einige Augenblicke nach Monaten voller Dunkelheit am Horizont. Die Einwohner Ilulissats wandern an diesem Tag hierher, begrüßen die Sonne und feiern ihre Rückkehr.
Die Rückkehr der Sonne müssen wir nicht feiern – die ist für uns ja schon wieder seit Stunden treue Begleiterin – aber was wir innerlich feiern ist das, was uns an diesem Ort geboten wird.
40 Kilometer lang und 7 Kilometer breit liegt uns der Fjord zu Füßen.
Auch wenn das Nachmittagslicht keine sensationellen Aufnahmen zulässt – der Anblick ist für uns atemberaubend, und mit jedem Meter den wir dem Weg entlang dem Fjord folgen wird der Ausblick spektakulärer.
Gespeist vom Sermeq Kujalleq Gletscher, dem aktivsten Gletscher der nördlichen Hemisphäre bekommt der Fjord immer wieder Nachschub an neuem Eis.
Bedingt durch die rege Gletscheraktivität ist der Fjord vollständig mit Eis und Eisbergen gefüllt. Mit einer Fließgeschwindigkeit von 20 Meter pro Tag ergibt sich eine jährliche Menge von 70 Tonnen Eis im Fjord. Beim Kalben des Gletschers lösen sich riesige Eisberge mit einer Größe von bis zu 1000 Metern von der Gletscherkante. Übrigens nur gut 10% der Größe eines Eisbrockens der im Wasser schwimmt ist über Wasser.
Was man sich in etwa so vorstellen kann:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Iceberg.jpgDas musste auch die Titanic vor hundert Jahren schmerzlich erleben die gegen einen Eisberg von diesem Gletscher gestossen sein soll.
Wir folgen dem Weg der inzwischen blau markiert ist oberhalb des Eisfjords weiter am Berghang entlang.
Immer wieder bieten sich herrliche Blicke hinab auf das Eis.
Das Ganze steigert sich an einem Aussichtspunkt der sogar mit einem Bänkchen versehen ist.
Der Weg führt nun vorbei an einer Schlucht, in die sich früher die Ältesten gestürzt haben um ihre Gemeinschaft nicht weiter zu belasten ...
....und zu einer Holztreppe die wiederum hinab zu einem Holzbohlenweg führt.
Wir haben den Punkt erreicht wo der Eisfjord auf das Meer und die Diskobucht trifft.
Den Eisbergen ist das relativ egal – sie füllen auch hier einfach die Meerenge der Diskobucht in der sie „vor Anker liegen“ und im Tidenhub hin und her schwimmen bis sie eine nur 300 Meter tiefe Engstelle passieren und sich Richtung Süden zur amerikanischen Atlantikküste aufmachen.
Hier finden sich auch noch sehr spärliche Reste der einstmals mit 250 Einwohnern größten Inuit-Siedlung Sermermiut.
Seit 4000 Jahren ist diese Gebiet immer wieder besiedelt worden.
Die ersten Siedler waren die Inuit, die an der Küste des Eisfjordes ihre Torfhütten errichtet hatten.
Schließlich erreichen wir wieder den alten Heliport und gehen die letzte halbe Stunde hinab durch den Ort zu unserem Apartment zurück.
Wir sind schwer begeistert von dieser Tour – sicher eine der eindrucksvollsten Wanderungen die wir bisher erleben durften und um beim Thema Eisberge zu bleiben – einfach cool.
Wir gönnen uns auf der Veranda eine Kaffeepause und bereiten dann das Abendessen vor.
Zur Stärkung des leiblichen Wohls gibt es heute Spaghetti.
Gegen 21 Uhr sind wir wieder abmarschbereit. Diesmal haben wir wirklich alles angezogen was wärmt inklusive langer Unterhose, Thermohemd, Mütze Handschuhe & unseren „Grönlandjacken“ (dicke Winterjacken die wir uns im Winterschlußverkauf auch im Hinblick auf diese Reise zugelegt hatten).
Auf dem Boot wird man sich über jeden Stofffetzen den man am Körper trägt freuen. Neben den wärmenden Accessoires nehmen wir natürlich noch unsere Kameras mit und erreichen über die uns schon bekannten Hügel die „Downtown“ von Ilulissat.
Gegen 21.30 Uhr fährt dann auch ein Van vor das Touristikbüro in den abends völlig verwaisten Ortskern, der uns einlädt. Ein gewisser Thorben, den es für ein paar Monate von Südafrika nach Grönland verschlagen hat ist unser Tourguide, wie überhaupt auffällt, daß in den touristischen Einrichtungen hauptsächlich Ausländer federführend sind.
Wir holen noch die anderen Deutschen vom Hotel Arctic ab und fahren dann hinunter zum Hafen wo ein paar Minuten später ein Boot eintrifft, das uns für die Mitternachtstour zu den Eisbergen in der Diskobucht schippern soll.
Schon tuckert der Kahn hinaus in die Bucht ...
... und wir ziehen den Reißverschluss unserer Jacken hoch – es wird frisch, lässt sich so gut eingepackt aber gut aushalten.
Überhaupt sind wir schnell fixiert und konzentriert auf die vielen tollen Motive die uns die Eisberge in der Bucht liefern.
Durch das viele Eis das heute in der Bucht ist kommt das Boot allerdings teilweise nur langsam voran. Immer wieder werden die Eismassen auseinander geschoben und wir können wieder ein paar Meter vorangleiten.
Von Minute zu Minute wird das Licht reizvoller, die Sonne bekommt orange Züge ...
... und die Konturen der Eisberge heben sich noch prägnanter ab.
Die Konkurrenz ist auch unterwegs.
Filmen auf einem Boot ist immer eine große Herausforderung, bei der man die Bewegungen der Nußschale möglichst ausgleichen muss.
Da hat es die Knipsfraktion deutlich leichter.
Selbstversuch - ja doch es ist kalt.
Bis zum Kangia Fjord kommen wir durch die dichte Eisdecke nicht – aber Eis ist Eis – auch hier in der Diskobucht gibt es genug davon zu sehen.
Am schönsten wird das Licht um Mitternacht – aber da müssen wir leider zurückfahren.
Gut, daß wir noch eine Bootstour haben, so können wir uns nochmal auf weitere Begegnungen mit H2O im gefrorenen Zustand aus der Nahdistanz freuen.
Da wir heute schon ordentlich marschiert sind freuen wir uns, daß uns der Van anschließend zum Apartment fährt und wir nicht jetzt nach Mitternacht noch einmal die Füße in die Hand nehmen müssen.
Die Bettschwere haben wir auch so erreicht.
Übernachtung: Apartment von Uffe Bang, Ilulissat
Bild des Tages:Ohne Worte