Also, der Unterschied zwischen solch einem "Hotel" und einem Touristen, der irgendwo fotografiert, ist meiner Meinung nach, dass mit dem "Hotel" mit dem Voyeurismus der geschätzten Kunden Geld gemacht wird, das ja wahrscheinlich nicht als Spende an die Bewohner des nachgebauten Slums geht. Und es geht nicht um irgendwas in der Vergangenheit im Sinne eines Mahnmales, sondern um den sehr soften Nachbau gegenwärtiger Verhältnisse.
Andererseits gibt es eine Menge Dinge, die Touristen vorgeführt werden, bei denen man sich auch fragen könnte, ob das nicht sehr "light" Gruselschauer über den Rücken jagt. Und wenn ich das nun wieder selbst nachlese, frage ich mich schon wieder, ob mein letzter Satz stimmt, denn was ich daraus mache, wenn ich etwas besichtige, hängt ja von mir ab. Ich erwähne da mal provokant beispielsweise die Besichtigung eines KZ?
Wenn ich mich hinstelle und Armut oder wie in Indien einfach auch krasse Szenen fotografiere, habe ich schon in gewisser Hinsicht Gewissensbisse, weil ich es "malerisch" finde und natürlich Voyeurismus befriedige. Museen besichtige ich hingegen um mich zu informieren, auch schlimme Sachen (Holocaustmuseum in Washington, Sklavereimuseum in Charleston beispielsweise). Und da frage ich mich dann schon manchmal, wo es grenzwertig wird. In Thüringen kann man beispielsweise für Partys mit anschließender Übernachtung und Mitmachshow des Ernstfalles einen Stasibunker buchen und besichtigen.
Speziell in Taos aber habe ich das gar nicht so empfunden, dass die Besichtigung des Ortes oder das Fotografieren irgendwie anrüchig wären. Auch wenn dort Menschen wohnen, ist es letztlich eine Art Museumsdorf, man zahlt Eintritt und darf keine Menschen fotografieren. Ich lasse mich also auf einen Deal ein, die Spielregeln werden mir vorgegeben: Zahle XX USD Eintritt, gehe über keine Absperrungen, fotografiere keine Menschen und sei ansonsten herzlich willkommen. Als ich dort war, hat sich in dem Dorf übrigens auch kein Bewohner blicken lassen. Und ich gehe davon aus, dass der Eintritt den Bewohnern zugute kommt und dass diese Form der Besichtigung von ihnen selbst gewählt ist.
Sollte es bei dem Slumhotel tatsächlich um die Pädagogik gehen, finde ich das nach wie vor absolut daneben, denn wenn man das Leben der einfachen Menschen erfahren will, könnte man ja auch ein Projekt schaffen, bei dem man beispielsweise in einem einfachen Dorf oder ärmlichen Stadtteil bei Gastfamilien aus einfachen Verhältnissen 1 bis 2 Nächte lebt, die zu ihrem Leben etwas erzählen können, die vielleicht (aus eigener Erfahrung) etwas berichten können zum "echten" Slumleben, das sich so ja kein Tourist ernsthaft antun würde, schon allein aus Sicherheitsgründen. Das zumindest wüde ich als deutlich weniger scheinheilig empfinden.