MO, 29.10.: Sightseeing VaranasiEs geht wieder los in die Stadt. Auf die Tempel weiter im Süden habe ich keine Lust, auch nicht auf das Fort. Zu interessant ist es an den Ghats, die andere Städte nicht zu bieten haben, und zu viele Tempel und Forts habe ich in den letzten Wochen gesehen.
Beim Verlassen des Hotels wieder das übliche Buhlen um meine Gunst. Ich hoffe, es ist nur eine zufällige Ähnlichkeit, vielleicht bin ich auch ein bisschen überreizt. Andernfalls wäre Indien wirklich "incredible". Der "Bettelstudent" von gestern Abend sitzt auf einem der Gefährte, die hier als Rollstuhl verwendet werden und will Geld. Kann das sein oder ist das eine Täuschung gewesen?
Auch beim Erreichen der Stadt wieder per Cyclerikscha treffe ich vertraute Gesichter. Mein Schiffer will mich dieses Mal schon an der Rikscha-Haltestelle in Beschlag nehmen. Ich erkläre ihm, dass ich heute zu Fuß gehen würde, sorry for that!
Bei den Ghats trete ich den Weg in Richtung Süden an. Hier kann man bei dem momentan niedrigen Wasserstand ein ganzes Stück zu Fuß gehen. Es macht Spaß einen Weg über die Stufen zu suchen und immer wieder anzuhalten. Im etwa gleichen Tempo sind noch andere Touristen unterwegs, allerdings ist es verhältnismäßig leer hier.
Hier wird Wäsche gewaschen, was das Zeug hält, nicht nur privat, sondern offenbar auch von einem nahe gelegenen Guesthouse. Na, kein Wunder, dass Laken und Handtücher manchmal fleckig sind und etwas schmuddelig wirken, wenn sie nur im Schonwaschganges gewaschen wurden statt im Kochwaschganges. Die Gäste zumindest dieses Guesthouses können immerhin den besonderen Service in Anspruch nehmen, dass sie in gesegneten Laken übernachten dürfen.
Immer wieder liegen Tempel am Wegesrand, auf der anderen Seite Boote. Ebenso wenig wie die Menschen hier kann ich den Hund einschätzen, der mich knurrend und gleichzeitig schwanzwedelnd verfolgt. Einen Hundebiss will ich auf keinen Fall, schon gar nicht in Indien. Ein Fischer am Wegesrand, vielleicht der Halter, ruft das Tier zur Ordnung und es trollt sich.
Wie ich erst später erfahre, ist das Scheren des Kopfes nicht modischen Wünschen geschuldet, sondern es handelt sich hier wohl um ein Zeichen der Trauer. Wahrscheinlich ist ein enges Familienmitglied dieses Mannes in der Nacht zuvor verstorben, und er bereitet sich auf die Zeremonie vor.
Etwas später komme ich am südlichen burning Ghat an. Diese Szene auch wieder völlig abstrus, völlig skurril. Ich könnte, wenn ich wollte, hier direkt zu den Verbrennungsstellen gehen, aber große Mengen Schlamm, die über den Weg fließen, und noch jede Menge Unrat mitnehmen, halten mich davon ab. Vor einigen Wochen war hier Hochwasser. An dieser Stelle sind die Ghats noch bis zu einem Meter hoch vom vertrockneten Schlamm bedeckt. Dieser soll mit Wasser fortgespült werden, das aus dem Fluss hochgepumpt wird.
Ich mag nicht einmal in meinen abwaschbaren Crocs hier durchgehen mangels akzeptabler Abwaschmöglichkeit. Das hindert andere wiederum nicht an einem erfrischenden Bad im Fluss genau hier.
Auf den hiesigen Aussichtsplattformen stehen noch andere Touristen. Mit mir gemeinsam kommen zwei Franzosen an, setzen sich auf die Bank, auf der ich auch sitze. In diesem Fall ist das sehr praktisch, denn die auch hier anwesenden Nepper, Schlepper, Bauernfänger denken, wir gehören zusammen und sprechen nur diese als männliche Fraktion unserer "Reisegruppe" an.
Wieder beobachte ich die Szenerie eine ganze Weile und mache mich dann auf den Rückweg.
In der Altstadt angekommen, werfe ich mich wieder ins Gewühl. Ist es ein echter Sadhu? Indische Passanten jedenfalls werfen ihm Geld in seine Schale, verneigen sich vor ihm, berühren ihn, küssen das Podest, auf dem er sitzt.
Plötzlich schallt die Musik an mein Ohr, bei der mir beim Frühstück in Jaisalmer so wehmütig wurde. DIE CD muss ich haben. Ich gehe immer dem Gehör nach und kaufe diese CD und noch drei andere. CD-Verkäufer übrigens scheinen die einzigen hier zu sein, die noch nicht verstanden haben, dass man auch dafür überhöhte Preise verlangen kann. Ich zahle pro CD exakt die 35 Rupies, die auf dem Cover als Verkaufspreis angegeben sind. Der Verkäufer strahlt mich an. Wir geben uns zum Abschied die Hände.
Es dauert, bis ich den Ausgang zur Hauptstraße finde. Es dauert hingegen gar nicht lange, bis mich gezielt einer der Rikschafahrer aufgabelt, der mich in den letzten Tagen schon gefahren hat. Er bringt mich ins Hotel, wo ich zwei Stunden am Pool entspannen kann.
Es geht wieder los in die Stadt, ein letztes Mal zur Evening Celebration. Dieses Mal entdecke ich Logenplätze. Auf den Dachabschnitten rund um das Main Ghat herum sind Stühle aufgebaut. Ich darf gegen Donation Platz nehmen und den Blick aus dem ersten Rang, erste Reihe, Mitte genießen.
Von hier kann man besonders schön beobachten, wie immer mehr Boote mit Zuschauern heranfahren, während andere Boote draußen bleiben. Immer wieder werden dort Lichter ausgesetzt, die dann als leuchtende Punkte vom Fluss mitgenommen werden.
Noch einmal Abendessen im nahen Rashmi Guesthouse, wo ich am ersten Abend schon war, wieder lecker, und dieses Mal auch wirklich "indian spicy". Auf dem Weg dorthin ducke ich mich immer wieder unter Priestern weg, die mich zum Abschluss der Zeremonie mit einem roten Punkt gegen Donation segnen wollen.
Wieder weiß man an der Rikscha-Lotterie, wohin ich will. Ich gerate an Raju, der mir stolz eine in Folie eingeschweißte Empfehlung deutscher Touristen unter die Nase hält, dass er der einzige Rikschafahrer Varanasis sei, der nicht betrüge. "Varanasi holy city, but the people not holy" sagt er. Da spricht er ein wahres Wort gelassen aus. Vielleicht ist er wirklich eine ehrliche Haut. Zur Sicherheit behalte ich seine Handynummer, die er mir gibt und gebe sie auch gerne weiter.
Ich bitte ihn mich am Geldautomaten nahe des Hotels abzusetzen. Er ist der einzige bisher, der den Preis für die Fahrt nicht "nachverhandeln" will. Er wartet sogar, bis ich wieder rauskomme, bevor er seinen Weg fortsetzt.
Bei der Fahrt sind wir an einer modernen Shopping Mall vorbeigekommen, drei Minuten zu Fuß vom Hotel entfernt. Hier gehe ich noch ein bisschen stöbern. Neben westlichen Marken gibt es hier auch lokale Produkte, relativ hochwertig. Ich wühle in fantasievollen bunten indischen Kleidern für etwa 10 bis 20 Euro. Einige könnten auch als Abiballkleid durchgehen. Das wäre wirklich etwas Besonderes für eine solche Gelegenheit. Leider bin ich aus dem Abiballkleidalter heraus und auch aus dem Alter, in dem ich in einem solchen Kleid potenziell hätte gut aussehen können, aber ein bisschen zu Wühlen macht Spaß, bevor ich mich zu meiner letzten Nacht in Varanasi ins Hotel zurückziehe.