10. Tag Samstag, 13.6.2009 Gegen 9 Uhr ist unser Lada wieder gesattelt und wir abfahrbereit. Unsere Handtücher dürfen nach der morgendlichen Dusche tagsüber wieder den Kofferraum bewachen und dabei trocknen.
Noch hält das Wetter nicht was uns der Internetgott gestern versprochen hatte. Neblig, düster, schier undurchdringliche Wolkendecke ..... na ja bis Mývatn sind es ja noch 160 Kilometer – kann ja noch werden.
Irgendwie strengt das Wetter und die Jagd nach dem Sonnenloch auf der Wetterkarte schon an – und wir beschließen zukünftig nicht mehr nach Wetterberichten zu sehen und einfach das Beste daraus zu machen so wie es eben kommt.
Gestern hatten wir kurz vor dem Guesthouse noch einige schöne Wasserfälle direkt neben der Straße gesehen. Bevor wir also gen Mývatn (also zum Mückensee) starten, fahren wir den Kilometer zurück und zücken kurz die Kameras.
Auch einen Canyon gibt es hier zu bewundern.
Die Ringstraße führt im Verlauf nach Westen auf eine Hochebene mit vielen Schneefeldern. Immerhin kämpft sich schon mal gelegentlich die Sonne durch.
Gegen 11 Uhr sehen wir aus der Ferne die Rauchfahnen von Námafjall – das Mývatn-Gebiet ist erreicht.
Da auf den Námafjall und seine heißen Quellen gerade die Sonne scheint fahren wir dort auf den Parkplatz und wechseln die Schuhe.
Wenn es hier geregnet hat (was offensichtlich der Fall war) – verwandelt sich der weiche Boden in puren Schlamm und die Schuhe brauchen danach eine Grundsanierung. Das wollen wir unseren „guten“ Wanderschuhen nicht antun und schlüpfen in die extra für solche Fälle mitgenommenen alten Boots (die wir hier auch am Ende der Reise entsorgen könnten).
Wir haben gerade die erste Aufnahme im Kasten da kommt ein Platzregen auf uns herab – und das trotz Sonnenschein..... Also wieder ins Auto und erst mal ein paar Minuten warten. 15 Minuten später ist der Spuk wieder vorbei und wir können uns in Ruhe und vor allem ohne dass unsere Kameras auf Wasserdichtheit getestet werden – umsehen.
Das Hochtemperaturgebiet ist ein gutes Beispiel für die teils irreführende Namensgebung diverser Gebiete in Island. Für viele Orte kursieren zwei, manchmal auch mehr Namen. Teilweise stammt das noch aus den Zeiten, in denen die Menschen wegen fehlender Brücken wenig Kontakt zueinander hatten und deshalb Gebiete einfach unterschiedlich benannt wurden. Diese unter Dampf stehende Landschaft wird in den Reiseführern mal mit dem Namen des Berges Námafjall - teilweise aber auch mit dem des Passes über den Berg Námaskarð bezeichnet. Eigentlich heißt das Solfatarenfeld aber Hverarönd oder Hverir.
Námafjall ist nicht nur ein 482 m hoher Bergrücken sondern auch ein aktiver Vulkan der zum Vulkansystem der Krafla gehört.
Auf dem Berg und vor allem unterhalb davon breitet sich eine sensationelle Märchenlandschaft aus.
Heißwasserdampf steht über einer fast surrealen Farbgebung aus vorwiegend orangem Hintergrund mit Pigmenten aus Gelb, Violett, Weiß, Ocker, auch Blau-, Grün- und Rottönen, die alle Sinne in Beschlag nehmen.
Überall blubbert und kocht es ...... Schwefelgeruch den ich irgendwie mag ist schon von Weitem zu riechen.
Einige kurze Wege führen unmittelbar vorbei an Fumarolen, Solfataren, heißen Quellen, Schlammtümpeln und Schlammtöpfen. Absoluter Wahnsinn !!!
Keine Frage dass es uns Riesenspaß macht hier fotografieren und filmen zu dürfen.
Bei solchen Rauchsäulen macht es immer mal Sinn eine Person als Größenvergleich mit ins Bild zu nehmen. Viele Leute sind hier nicht gerade unterwegs, also warten wir, bis sich eine menschliche Ameise in den Bereich unseres Suchers verirrt. Ein Treppenwitz wie sich gleich herausstellen sollte.
Wir sind gerade mit unseren Aufnahmen fertig und kehren zum Lada zurück als drei vollbesetzte Busse anrollen. Unfassbar wie die Anlage jetzt von Touris geflutet wird .... nichts wie weg .... jetzt müsste man nicht mehr warten bis eine Person an einer Rauchsäule steht, sondern eher darauf, dass es statt 100 nur 50 sind ......
Gegenüber nördlich der Ringstraße führt eine Stichstraße zur Krafla. Da es auch dort sonnig aussieht fahren wir als nächstes dort hin.
Bei der Krafla handelt es sich um einen 818 m hohen aktiven Vulkan bzw. ein gleichnamiges Vulkansystem mit 20 km Durchmesser. Seit 1977 nutzt man die geothermische Energie mittels zweier Geothermalkraftwerke (eines bei Reykjahlíð und eines direkt am Zentralvulkan Krafla). Die Krafla selbst brach zwischen 1975-1984 zuletzt aus.
Vom Parkplatz unterhalb der Krafla startet ein Rundweg durch ein mächtiges noch aktives Lavafeld, das Leirhnjúkur, das Teil der Caldera der Krafla ist.
Der Weg führt durch Schneefelder ....
... und vorbei an heißen Quellen.
Dann verändert sich die Landschaft schlagartig - schwarze Lava soweit das Auge reicht.
Wir sehen Vulkankrater und dampfende Lavaberge....
..... vor allem aber das letzte Stück der Wanderung, wo man vom Dampf der schwarzen Lavakruste die überall Risse aufweist oft regelrecht eingenebelt wird, ist wie von einer anderen Welt und wirkt wie ein Bild vom Anbeginn der Zeit.
Teuflisch stark!
Kurz vor dem Ende führt der Rundweg noch auf den Gipfel des Leirhnjúkur von dem man einen guten Überblick auf die gesamte Vulkanzone, die Lavafelder und die heißen Quellen ...
.... bis hinüber zur Krafla geboten bekommt.
Das Krafla Gebiet ist nicht minder faszinierend als Námafjall – vielleicht optisch nicht so bezaubernd – aber ein unglaublich intensives Erlebnis!
Mit Sicherheit eine der absolut stärksten Touren (nicht nur) dieser Reise!
Die Krafla besitzt auch einen von zwei Viti-Kratern (der zweite befindet sich bei der Askja), der im Jahr 1724 durch eine Gasexplosion entstand. Dieses Ereignis leitete eine aktive Periode des Vulkans Krafla ein, die bis heute noch nicht zu Ende ist. Aufgrund der gewaltigen Explosion glaubten die Isländer, hier müsse sich die Hölle geöffnet haben, woraus der Name Víti (isländisch „Hölle“) resultiert.
Sein Inneres hat der Krater sicher extra für uns Fotografen und Filmer mit einem türkisblauen See gefüllt.
Wir fahren das kurze Stück nach Reykjahlíð – das kleine Örtchen ist der einzige touristische Versorger in der Region Mývatn und liegt im Nordosten des Sees an der Ringstraße. Es ist zwar sonnig aber auch saukalt. 5°C zeigt das Thermometer am Ortseingang von Reykjahlíð – dazu bläst in höheren Lagen ein ordentlicher Wind.
Im Reiseführer ist das Elda Guesthouse empfohlen – also versuchen wir da unser Glück. Eine sehr nette ältere Dame lässt sich auf unsere Frage hin, ein Zimmer als Schlafsackunterkunft zu bekommen erweichen, offensichtlich wird das jetzt wo die Saison so langsam beginnt sonst nicht mehr gestattet und wir bekommen für ein Spitzenzimmer einen noch besseren Preis!
Blick ins Zimmer (nein das Bier gehört nicht zur Standardeinrichtung - muss selbst mitgebracht werden)
Jetzt gilt es noch ein kleines Problem zu lösen. Nicht nur bei mir sondern auch an meinem Stativ ist eine Schraube locker. Während sich das bei mir nur durch meist sinnfreies Gebrabbel und leichtsinnige Handlungen äußert, ist eine der Klemmen des Stativs nicht mehr in der Lage eines der drei Beine wirklich so fest zu arretieren, dass das ausgefahrene Bein nicht nach unten rutscht. Ich begebe mich ins Visitor Center um da nachzufragen und habe das „Glück“ – das dort zwei Spanier vor mir stehen und sich wegen eines Nachtquartiers erkundigen. Die Spanier wollen alles wissen was es zu dem Thema zu erzählen gibt – und wenn ich alles sage meine ich es auch so. Wie breit das Bett wäre, ob das Fenster zum See blickt, wie weit sie da hin fahren müssen ... ich steige von einem Bein aufs andere ... und bin nach 20 Minuten endlich dran. Endlich werde ich meine Frage nach einem Gabelschlüssel los – Freude kommt auf als ich höre – ja so was haben wir da – Enttäuschung macht sich breit als ich nach kurzem Nachsehen höre „nein, wohl doch nicht“. Aber es gäbe eine Garage/Werkstatt um die Ecke – ich sollte da mal nachfragen.
Klar; zu einfach sollte es nicht sein – aber den Versuch unternehme ich noch.
Ich berichte Petra von meinen neuen Informationen und wir fahren zur beschriebenen Werkstatt. An der Werkstatt ist leider niemand. Wir wollen gerade wieder wegfahren – da nähert sich ein großer Jeep und hält vor dem Gebäude. Ich springe gleich wieder raus und halte dem überraschten Mechaniker mein Stativ unter die Nase und zeige auf die lockere Schraube (also die vom Stativ
).
Zu meiner Erleichterung hat er den passenden Schlüssel da !
Ich ziehe die Schraube an – und ich und mein Stativ sind wieder im Geschäft – und wir können weiter auf Besichtigungstour gehen. Inzwischen ist es auch deutlich wärmer geworden – also alle Parameter wieder auf Grün.
Da aber auch mal in der Ruhe die Kraft liegt gehen wir erst mal am See einen Kaffee trinken.
Dafür gibt es ein echt „cooles“ oder besser „kuh-les“ Lokal.
Im Vogafjós Cafe ist der Kuhstall nicht nur im selben Haus wie das Kaffee – durch eine große Glasscheibe kann man sogar zusehen wie die Milch für den bestellten Kaffee biotechnisch einwandfrei vom lebenden Objekt gezapft wird – einmalig!
Die Landschaft um den Mývatn ist ein einzigartiges Biotop, berühmt für sein buntes Vogelleben, weil nirgends sonst so viele Entenarten am selben Ort brüten. Aufgrund seiner Tiefe von max. 4,5 m ist er eine Brutstätte für Mücken und davon gibt es im Sommer jede Menge – deshalb ja der Name Mückensee – Mývatn.
Mit diesen kleinen Plagegeistern schließen wir unfreiwillig schnell Bekanntschaft. Schon am ersten Stop den wir in Höfði auf der 1 die den See östlich ein Stück umrundet einlegen, stürzen sich die winzigen kleinen Tierchen in Scharen auf uns. Eine Fanschar auf die man gerne verzichten würde. Sie stechen zwar nicht krabbeln aber in Mund, Nase und Ohren – aber wir haben ja vorgesorgt!
Nach stundenlangem Probieren in der Nürnberger City vor dem Spiegel der gesamten Kollektion von Dior, Jil Sander, Joop, Yves Saint Laurent und Tommy Hilfiger zum Thema MÜCKEN-NETZE starten wir nun bestens ausgerüstet mit einem todschicken waldgrünen Kopfschmuck zum Aussichtspunkt über den See.
Ok – eigentlich haben wir die Dinger nur profan im Internet bestellt – aber nicht weitersagen ....
Es sieht zwar gnadenlos bescheuert aus und wir haben unseren Spaß – aber schon irgendwie angenehm wenn nichts in Mund, Nase und Augen krabbelt.
Selbst beim Filmen muss ich mir angewöhnen nach betätigter Aufnahmetaste immer einen Schritt neben das Kamerastativ zu treten. Die Mücken schwirren so gnadenlos um mich herum dass natürlich auch die Linse statt herrlicher Landschaft den Flugverkehr der Mücken aufzeichnet. So „locke“ ich die Viecher aber auf mich und die Aufnahme gelingt. Wahrscheinlich schon irgendwie ein bizarrer Anblick dieses Gehüpfe von und zum Stativ mit einem Netz über dem Kopf ......
Wir laufen durch ein kleines Birkenwäldchen. Wald gibt es ja angeblich kaum auf Island – und mancher soll ja schon „Waldschmerz“ bekommen haben weil auf Island die Bäume fehlen – aber das empfinden wir nicht so – immer wieder sieht man mal ein paar Bäumchen stehen (natürlich nicht im Hochland) – obwohl richtige Wälder schon Mangelware sind.
Am Ende erreichen wir einen schönen Aussichtspunkt auf einige Lavafelsen am See.
Diese Stelle die man Kálfaströnd nennt - sehen wir uns auch noch aus der Nähe an .
... und fahren dann weiter zum Südende des Mývatn.
Hier beherrschen die sogenannten Pseudokrater das Landschaftsbild die es nur auf Island gibt.
Entstanden sind sie durch Lavaströme die über einen feuchten Untergrund wie flache Seen oder Moore geflossen sind. Durch die Hitze verdampfte das Wasser unter der Lava explosionsartig und sprengte manchmal Krater mit 300 m Durchmesser in die Landschaft. Deshalb haben die Pseudokrater im Gegensatz zu richtigen Kratern keinen Schlot.
Über die 848 fahren wir in den Ort zurück und erkundigen uns nach einem Restaurant – vielleicht mit Pizza auf die wir Lust hätten.
Empfohlen wird uns das Dimmuborgir bei den gleichnamigen Felsen die wir sowieso noch besuchen wollten. Wir fahren die kurze Strecke noch einmal ein Stück auf der 1 an der Ostseite des Sees entlang, biegen auf den Parkplatz unterhalb des Lokals ....
... und laufen zuerst eine Runde durch die Felsen.
Dimmuborgir heißt soviel wie dunkle Städte oder dunkle Burgen und ist ein Lavafeld mit besonders bizarr geformten Steinformationen ....
.... die an verfallene Ruinen von Burgen und Türmen erinnern.
Etwa eine Stunde laufen wir auf einem Rundweg durch die sehenswerte Lavalandschaft mit dem Höhepunkt einer Lavahöhle die als Kirka (Kirche) benannt ist.
In der isländischen Mythologie wird Dimmuborgir als Unterkunftsort von Elfen und Trollen (hier einer im Bild) gesehen.
Gegen 20 Uhr haben wir genug gesehen, vor allem aber haben wir jetzt Hunger und fallen ins Lokal ein. Pizza gibt es zwar nicht aber das Essen ist trotzdem zwar einfach aber gut (also einfach gut) und der Blick durch die große Glasscheibe auf den Mývatn klasse.
Kleines „Region Mývatn“ Fazit:Der Mývatn an sich ist nett – aber bis auf Dimmuborgir gibt es Spektakuläreres auf Island.
Námafjall/Hverarönd und Krafla dagegen sind absolut sensationell. Selten hat mich etwas so begeistert und beeindruckt wie diese beiden Gebiete.
Übernachtung: Elda Guesthouse Reykjahlíð
Preis: 6400 ISK (37 €) ohne Frühstück – als Schlafsackunterkunft, WC & Bad auf dem Gang
Bewertung: 10 von 10
Kommentar: Lage am Mývatn bietet sehr gute Ausgangsbasis, Zimmer sehr sauber und modern, hell und freundlich, nette Vermieterin, Preis/Leistung klasse >absolut Top!
Bild des Tages:
Das Ende eines starken Tages - in den dunklen Felsen von Dimmuborgir