Richtig ist, dass die Langzeitarbeitslosigkeit zu hoch bleibt. Und dass zu viele Menschen mit geringen Qualifikationen noch immer zu oft ohne Beschäftigung sind. Für beide – die Langzeitarbeitslosen wie die Geringqualifizierten – ist der Mindestlohn jedoch keine Chance, sondern eine Bedrohung. Liegt er zu tief, ist er nutzlos, liegt er zu hoch, verringert er die Chancen von Arbeitslosen, wieder in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zurückzufinden – das gilt ganz besonders für die Langzeitarbeitslosen und die Geringqualifizierten.
Wirkungsvoller und damit klüger ist es, die Löhne von bestimmten Arbeitnehmern durch staatliche Zuschüsse zu ergänzen. Diese müssen so gestaltet sein, dass die Gesamteinkommen nach Steuern und Transfers steigen, wenn der Lohn zunimmt. So haben die Beschäftigten ein Interesse an höheren Löhnen, und es ist nicht möglich, dass die Arbeitgeber den Lohn auf Kosten der Allgemeinheit nach unten drücken.
Nehmen wir nur dieses Beispiel (und im Moment ist es ja fast genau so - wer zu wenig verdient, kann auf Kosten des Steuerzahlers aufstocken). Das bedeutet, dass Arbeitgeber vom Staat und Steuerzahler unterstützt werden, miserable Löhne zu zahlen und die Gewinne zu maximieren und im Zweifel selbst einzustecken.
Die Behauptung, dass ein Mindestlohn eine reguläre Anstellung bedroht, ist nicht nachgewiesen. So lange der Arbeitgeber dennoch insgesamt am Arbeitnehmer verdient (und das ist die entscheidende Schwelle), wird er doch ein Interesse haben, ihn einzustellen. Mehr noch: wenn er an jedem Arbeitnehmer nur wenig verdient (aber immerhin verdient), wird er sicher ein Interesse haben, mehr Leute einzustellen, wenn es ihm auch mehr Umsatz und Gewinn bringen kann.
Also diese Logik kann man in jede Richtung ausbreiten - Tatsache ist aber, dass im Deutschland von jetzt und heute mehr Menschen denn je zu horrenden Bedingungen angestellt sind und damit immerhin medienwirksam aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen. Und die Schlechtverdiener haben nicht einmal mehr eine Chance, sich in Gewerkschaften zu organisieren (auch wenn Gewerkschaften zu sehr unangenehmen Arbeitskämpfen bereit sind). Aber Schlechtverdiener haben keine Lobby und können sich keine Gewerkschaft leisten, selbst wenn sie es wollten.
Der Schreiber dieses Artikels gehört sicherlich nicht zu den schlechtbezahlten. Und sicher haben wir hier auch im Forum ein relativ solventes Umfeld. Aber ich kenne eben auch die andere Seite der Medaille, weil ich u.a. jahrelang zur ReHa gefahren bin. Lass dir mal von einem Taxifahrer Arbeitszeit und Lohn erklären. Und speziell hier Gladbach gibt es sehr viele verarmte Menschen und Wohngegenden - das ist keine Prachtstadt wie manch andere.
Und das ängstliche Geschrei um das Hochziehen des Spitzensteuersatzes - warum musste man den überhaupt senken? Als ich in der glücklichen Lage war, ein fettes Gehalt zu verdienen, lag der Spitzensteuersatz bei 53% und meine Gesamtabgaben waren gut die Hälfte meines Gehalts. Ich habe trotzdem nicht gejammert, weil immer noch genug übrig blieb und ich hatte immer noch mehr, als viele meiner Bekannten und Freunde. Und jetzt ist Deutschland so verschuldet wie nie, weil man ausgerechnet in den langen Jahren nach der Wiedervereinigung, die sicherlich ein unglaublicher finanzieller Kraftakt ist und war, die Steuern gesenkt hat.
Aber - ich war gerade wählen - und da die Linke und die SPD ja definitiv nicht koalieren wollen, habe ich auch keine Linken gewählt. Bin aber ehrlich, genau diese Überlegung war auch maßgeblich. Meine größte Hoffnung ist und bleibt, dass die FDP die 5% Hürde nicht packt. Dann kommt wenigstens etwas Bewegung in den politischen Alltag - ob es spürbar für die Menschen ist, weiß natürlich keiner. Aber so wie in den letzten 4 Jahren kann es aus meiner Sicht nicht weitergehen. Auch wenn es (ehrlicherweise) mich selbst direkt kaum betrifft. Aber ich finde es ungerecht (wie Peer Steinbrück auch seinen Wahlkampf ausgestaltet hat).