6.Tag, Samstag 30.10.2010Auch heute stehen wir wieder zeitig auf. Der Grund ist aber kein aufregender Game Drive sondern die nagende Ungewissheit, wie es mit unserem Camping-Trip weiter geht.
Leidenschaftslos gibt es vor unserem Iglu auf der Terrasse Cornflakes und Kaffee.
Hubert Hester erreichen wir im Moment nicht – also versuchen wir selbst unser Glück – suchen die Adresse von RASSI’s – unserem Hoffnungsträger in Keetmanshoop aus dem Telefonbuch – checken aus und sind gegen 7:30 Uhr auf dem Weg in die Stadt.
Keetmanshoop ist mit seinen 15.000 Einwohnern schon eine der größeren Städte Namibias.
Eigentlich wollten wir gerade um Keetmanshoop einen Bogen machen, weil es dort wie man hört nicht ganz sicher ist und man auch gerne mal beklaut und belästigt wird – nun ist es unsere Hoffnung - so spielt das Leben.
Dank einer mitgeführten Stadtplankopie (Vorbereitung ist bei einer Reise die halbe Miete) finden wir RASSI’s in einer Seitenstraße im ersten Anlauf – aber außer ein paar kläffenden Hunden ist niemand da. Wir warten, rufen immer wieder aber niemand kommt.
Nach 10 ratlosen Minuten nähert sich ein Auto und ein Mann steigt aus den wir kennen. Der Zufall will es, dass der Farmbesitzer vom Köcherbaumwald, der uns gestern noch das Zimmer gegeben hat hier in dieser Seitenstraße unterwegs ist. Er hält an und wir erfahren, daß RASSI’s inzwischen in einen ganz anderen Stadtteil umgesiedelt ist. Nach seiner Beschreibung fahren wir los und erreichen die Werkstatt tatsächlich nach 10 Minuten quer durch die quirlige Stadt.
Inzwischen ist es kurz nach 8 Uhr.
Wir fragen nach dem Chef der Werkstatt und erklären ihm unser Problem, klappen das Dachzelt auf, zeigen wie das Teil aussehen sollte das wir brauchen und ich gehe mit ihm auf die Suche nach passendem Material das wir zu einer Leiter zusammensetzen könnten. Das halbe Gelände gleicht einem Schrottplatz mit allem möglichen was man aus Metall wegwerfen kann – vom Bürostuhl über Auspuff und Schiffsmotor.
Mit einigen Vierkantrohren finden wir uns wieder am Auto ein und überprüfen welche über unseren nun kümmerlichen Leiterrest steckbar passen könnten.
Nach einigen Versuchen werden wir fündig und besprechen wie die Leiter zusammengefügt werden soll.
Ein Mitarbeiter macht sich ans Werk – sägt das Rohr in die benötigten Sprossen und Stangenteile ab.
Danach wird die Leiter kurz mit dem Schweißgerät geheftet – drangehalten ob es passt und keinen Verzug gab und danach rundum geschweißt.
In der Zwischenzeit überlegen wir, was später alles noch zu organisieren ist wenn wir schon mal in der Stadt sind. Eine ganze Menge wie sich herausstellt. Einkaufen, tanken, Geld abheben, neue Telefonkarte......
Nach insgesamt 2 Stunden ist das neue Wunderwerk fertig. Wir sind wieder im (Camping-)Geschäft und 5 Minuten später 650 N$ ärmer (65 €), die wir aber gerne zahlen. Die Summe ist schon nach dem zweiten Campingplatz im Vergleich zu einer Lodge amortisiert. Wir atmen durch und sind erleichtert und einfach froh.
Es ist also etwa 10 Uhr als wir erst mal unseren Wagen bis unter die Haube mit Sprit füllen lassen. In Afrika (wo es noch den klassischen Tankwart gibt) wird man ja oft gefragt, ob das Auto auch noch hin und her geschüttelt werden soll, um noch ein paar Tropfen Sprit mehr rein zu bekommen – also nicht wundern wenn einer anfängt am Auto zu rütteln – das muss noch kein Überfall sein .......
Obwohl, hier in Keetmanshoop ist schon offensichtlich auch zwielichtigeres Klientel unterwegs und während Petra zahlt habe ich meine Augen möglichst rund um das Auto überall.
Der nächste Punkt – Geld abheben am ATM wird erst mal gestrichen. An allen Geldautomaten an denen wir vorbeifahren stehen mindestens 30 Leute an – unfassbar.....
Überhaupt ist in der Stadt die Hölle los. Liegt wahrscheinlich daran, dass es Samstag Vormittag ist. Ganz Namibia scheint heute morgen in Keetmanshoop unterwegs.
Wir suchen und finden einen Spar und sprechen uns ab. Petra geht in den Supermarkt und ich bewache das Auto. Petra ist noch keine Minute weg – da klopft schon der Erste an das Autofenster den ich aber einfach mal ignoriere bis er sich wieder trollt. Wieder eine Minute später der nächste – das gleiche Spiel.
Jetzt habe ich genug. Ich steige aus und baue mich breitbeinig neben dem Auto auf und blicke düster und fletsche gelegentlich mit den Zähnen (nur Spaß
).
Jedenfalls ist das erfolgreich. An mir ist ja auch keine Scheibe an die man klopfen kann und so lässt man mich und unser Auto nun in Ruhe. Allerdings bleibe ich die ganze Zeit wachsam, checke die Außenspiegel und warte auf Petra die einfach nicht kommt. Inzwischen vertreibe ich mir sogar die Zeit indem ich Fotos von den Leuten mache.
Nach über 20 Minuten kommt Petra endlich zurück. Ich solle mal einen Blick in den Spar werfen – wie es da zugeht – was ich mir natürlich nicht entgehen lasse.
Wir fahren 2 Blocks weiter und entdecken einen Shop von MTC (der Telefongesellschaft von der wir unsere Simkarte haben). Auch hier bin ich wieder unser Autowächter und Petra reiht sich in die Schlange ein.
Nach 20 Minuten hat sie tatsächlich die Simkarte aufladen können – in Afrika muss man immer etwas Zeit mitbringen.
Um 11 Uhr verlassen wir Keetmanshoop – nicht nur für irgendeinen Herrn Keetman die letzte Hoffnung sondern auch für uns – die sich erfüllt hat – außer 2 Stunden Zeit und ein paar Euronen sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen – ab jetzt wird aber wirklich immer alles kontrolliert bevor wir aufbrechen.
Auf der autobahnähnlichen B4 geht es zügig nach Westen, unser Ziel ist heute Lüderitz an der Küste.
In „Aus“ (der Ort heißt wirklich so) legen wir eine kleine Mittagspause ein.
Verlockend wäre eine Gastwirtschaft die leckeres Essen verheißt. Ohne Werkstattbesuch hätte die Zeit dafür heute gereicht – aber so leider nicht – da muss ein Joghurt im Auto genügen. Immerhin trinken wir einen Kaffee im Visitor Center von Aus in dem es wieder einmal Afrika pur zu bewundern gibt – 3 hochmoderne Waschbecken – aber keines liefert Wasser.
Während der reichsdeutschen Kolonialzeit hatte die deutsche Schutztruppe in Aus einen Stützpunkt. Nach der Kapitulation der deutschen Truppen im Ersten Weltkrieg unterhielt die südafrikanische Armee in Aus ein Konzentrationslager, in dem 1.550 deutsche Kriegsgefangene vorübergehend gefangen gehalten wurden.
An der B4 halten wir an einem Buswrack.
Aus dem Auto katapultierte Bierflaschen geben einen Hinweis wie es einst zu diesem unfreiwilligen Parkplatz für die Ewigkeit gekommen sein könnte.
Nicht weit entfernt von Aus zweigt eine Piste nach Norden zu den Wildpferden von Garub ab.
Niemand wußte bisher ganz genau, woher die Wildpferde stammen. Es wurde vermutet, dass es sich um die Nachkommen der Reittiere der deutschen Schutztruppe handelt. Eine andere These besagte, dass sie aus der einstigen Pferdezucht des Barons Hansheinrich von Wolf von der Farm Duwisib südlich von Maltahöhe stammen. Neuere Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass die Pferde aus der südafrikanischen Kavallerie entstammen, die - im Kampf gegen die Deutsche Schutztruppe - 1915 hier mit 1700 Tieren lagerte. Durch einen deutschen Fliegerangriff wurden die in Panik flüchtenden Pferde in die Wüste vertrieben und konnten nicht wieder eingefangen werden.
Die Piste führt uns zu einem überdachten Beobachtungsstand leicht nach oben auf eine kleine Erhebung. Zunächst sehen wir 4-5 Pferde und denken noch – na ja, viel ist hier ja nicht los .....
... und während das Auto die letzten 5 Meter bis zum Stillstand ausrollt öffnet sich unvermittelt der Blick hinab in die Senke am Wasserloch.
Wow !
Das müssen 60 bis 70 Tiere sein !
Faszinierend die Wildpferde zu beobachten. Allerdings nicht lange. Wir sind noch keine 5 Minuten hier, da rollt ein Bus heran und spuckt eine Heerschar deutscher Touristen aus. Hummeldumm in Reinkultur. Entsetzlich wie die Leute in Stöckelschuhen und Schicki-Micki-Sandalen über die Felsen stolpern (im wahrsten Sinne des Wortes) überhaupt haben die Klamotten an die deutlich aufzeigen, daß man das Gespür dieser Truppe für dieses Land in den Kulturbeutel einer Ameise packen könnte. Ganz deutlich – solche Leute sind der blanke Horror.
Da halten wir es nicht mehr lange aus und fahren weiter.
Die letzten 120 Kilometer bis Lüderitz prägen einsame und verlassene Bahnhäuschen die an der aufgegebenen Bahnlinie auf bessere Zeiten warten ...
und Sanddünen die sich mit jedem Kilometer mit dem wir uns der Küste nähern höher auftürmen. Diese Dünen sind Wanderdünen die vom Wind immer wieder auf die B4 geblasen werden.
Mit den Dünen nimmt auch der Wind deutlich zu. Immer wieder sehen wir Sandverwehungen auf dem Asphaltband vor uns.
Wir passieren auch Räumfahrzeuge mit Schaufeln wie wir sie bei uns nur in schneereichen Wintern kennen.
Gegen 15 Uhr ist Lüderitz erreicht, das sehr verschlafen auf uns wirkt (man sieht wenig Menschen auf den Straßen) ...
... und der teilweise morbide Charme der Gebäude aus der deutschen Kaiserzeit gepaart mit einer afrikanischen Hafenstadt hat etwas Unnachahmliches.
Wir spazieren durch einige Gassen und Straßen, ....
... und blicken hinab auf die Stadt von der berühmten Felsenkirche - dem Wahrzeichen der Stadt.
Ein kleiner Exkurs zu einem Stück Deutsch-Afrikanischer Geschichte:Der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz landete 1883 in Angra Pequena und nannte es Lüderitzbucht. Durch seinen Mitarbeiter und Teilhaber Heinrich Vogelsang handelte er dem Orlam-Führer Josef Frederiks ein zirka 40 Meilen langes und 20 Meilen tiefes Landstück ab, um darauf einen Handelsposten zu errichten. Frederiks erhielt 100 Goldpfund sowie 250 Gewehre für das nach seiner Ansicht zirka 70 × 35 Kilometer große Gebiet. Nach Vertragsabschluss wurde dem Verkäufer klargemacht, dass es sich nicht um englische Meilen (zirka 1,6 Kilometer), sondern selbstverständlich um preußische Meilen zu 7,5 Kilometer handelte und er damit den Großteil seines Stammesgebietes von 300 × 150 Kilometer verkauft hatte. Dieser Handel ging als „Meilenschwindel“ in die Annalen ein.
Lüderitz erwarb das als wertlos angesehene Land, weil er sich erhoffte, hier Bodenschätze zu finden. Seine umfangreiche und sehr teure Suche danach blieb jedoch erfolglos. Lüderitz kam in wirtschaftliche Bedrängnis und musste seinen umfangreichen Landbesitz 1885 an die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika verkaufen. Einen sehr bescheidenen Aufstieg erlebte der kleine Ort erst 1904 mit der Stationierung der hier im Kampf gegen die aufständischen Nama) benötigten Schutztruppen-Soldaten. Erst lange nach dem Tode von Lüderitz – er galt seit 1886 als im Rahmen einer Erkundungstour zum Oranje verschollen – wurden im Jahr 1908 Diamanten bei Lüderitz entdeckt, was zu einem kurzzeitigen Boom führte. Beim Bau einer Schmalspurbahn entdeckte der schwarze Arbeiter Zacharias Lewela einen Diamanten, als er gerade mit Schaufelarbeiten in einem von Dünen verwehten Abschnitt beschäftigt war. Er brachte ihn dem Bahnmeister August Stauch, der zuvor seinen Arbeitern den Auftrag gegeben hatte, auf seltsame Steine zu achten und sie zu ihm zu bringen. Zusammen mit dem Oberingenieur Sönke Nissen erwarb Stauch daraufhin die Schürfrechte in diesem Gebiet, was beide zu Millionären machte. Der eigentliche Finder bekam nichts. In der Folgezeit entwickelte sich Lüderitz zu einem florierenden Handelshafen. Der zunehmend industriell betriebene Diamantenabbau, die mit ihm ins Land strömenden Glücksritter und der Bau der Diamantensiedlung Kolmanskuppe brachten auch für Lüderitz einen steilen Aufstieg zu einer ausgesprochen wohlhabenden Stadt mit sich.
Ab 1920 verlor Lüderitz an Bedeutung, da sich der Diamantenabbau immer weiter nach Süden verlagert hatte. Es etablierten sich eine bescheidene Fischfangindustrie und in ihrem Umfeld einige Bootswerften. Daneben existierten noch einige kleinere Teppichwebereien. Ansonsten aber hatte Lüderitz bald nichts mehr zu bieten, sodass der einst wohlhabenden Stadt ein ähnliches Schicksal wie Kolmanskuppe zu drohen schien, was in den letzten Jahren durch Fischfang und Tourismus aber vermieden werden konnte.
Der Wind wird immer stärker und da es uns bei diesen Bedingungen die Würstchen vom Grill wehen würde, wir sowieso mal essen gehen wollten und auch eine Nacht als fliegender Dachzeltteppich nicht auf unserem geplanten Programm steht – wählen wir diesmal absichtlich eine Zimmerübernachtung und werden im Obelix Guesthouse fündig. Ein Guesthouse mit sehr gutem Preis/-Leistungsverhältnis – und wir können sogar unseren Autokühlschrank für die Nacht im Hof an Strom hängen.
Anzumerken wäre noch, dass wir hier problemlos ohne anstellen Geld vom ATM bekommen und auch unseren Tank füllen. Wie sich am nächsten Tag zeigen sollte bestätigt sich hier einmal mehr der Spruch – „was Du (in Afrika) heute kannst besorgen – das verschiebe nicht auf morgen“.
Erst 17 Uhr – da muss natürlich noch was in den Tag gepackt werden. Da die Führung in der bekannten Geisterstadt Kolmanskuppe morgen Vormittag stattfindet – bietet es sich für heute an, die Küstenregion um Lüderitz zu erkunden.
Wir nehmen die gut zu befahrende Piste Richtung Diaz Point.
Ein Stopp bei einigen Flamingos an einer Lagune lässt uns an der Sinnhaftigkeit dieser Unternehmung zweifeln - der Wind hat hier draußen inzwischen Orkanstärke und es reißt uns fast die Kameras aus den Händen.
Wir fahren trotzdem weiter und passieren auch einige Warntafeln zum Sperrgebiet. Es ist nach wie vor strengstens verboten das Diamantensperrgebiet zu betreten – da versteht man hier keinen Spaß. Auch die Gegend um den Diaz Point gehört eigentlich zum Sperrgebiet – nur hier sind Besucher traditionell geduldet.
Die Landschaft ist bizarr aber irgendwie sehr eindrucksvoll. Mondlandschaft wechselt mit Lagunen und dem Blick auf den Atlantik – „Desert meets the sea“ könnte man diese Fahrt untertiteln.
Die Gegend um den Diaz Point ist mit großen Felsen und vorgelagerten Inseln besonders sehenswert.
Genießen kann man das heute leider nicht. Der Wind ist inzwischen so stark, dass wir die Stufen hinauf zum Diaz Point nicht schaffen würden ohne unsere Kameras aus den Händen gerissen zu bekommen. Man bräuchte beide Hände und alle Kraft um sich die Treppe zum Diaz Kreuz hinauf am Geländer festzuklammern !
Unfassbar – und auch ein bisschen schade – aber trotzdem ist die Landschaft sehr schön.
Hinter dem Felsen auf dem das Diaz Kreuz thront, das einst der Seefahrer Bartolomeu Diaz 1487 als erster Europäer errichtete, ...
... können wir zumindest halbwegs geschützt noch einen Blick auf die Atlantikküste, einige Robben, große Wellenbrecher und eine vorgelagerte Insel werfen.
Wir komplettieren die Rundfahrt mit einem Halt an der Grossen Bucht an der ein altes Schiffswrack am Strand liegt. Danach geht es zurück nach Lüderitz.
Für den Abend gehen wir zur Abwechslung mal Essen und zwar zum Bogenfels Restaurant das wir per kurzem Spaziergang von unserem Guesthouse erreichen.
Das Essen ist sehr gut und mit Bier gezapft vom Faß lassen wir diesen einmal mehr äußerst intensiven Tag ausklingen.
Der 6.Tag und wir haben schon so viel erlebt als wenn wir 2 Wochen hier wären ......
Übernachtung: Obelix Guesthouse, Lüderitz
Preis: 490 N$ (= 50 €) mit Frühstück
Bewertung: 9 von 10
Kommentar: Sehr sauber, riesig, sehr schönes Bad, super Frühstück
Bild des Tages: