3.Tag, Dienstag, 30.7.2024

An diesem Vormittag treibt es uns mal in die Stadt oder besser, in ein Städtchen. Statt ins große Cork entscheiden wir uns lieber für das beschauliche Cobh (sprich „Coff“). Eine charmante, zu Fuß erkundbare Stadt. Cobhs Größe kann täuschen, wenn man den globalen Einfluss der Stadt betrachtet. Cobh wurde schon als eine der schönsten Kleinstädte Europas eingestuft, weshalb man hier auch nicht ganz alleine ist. Von hier aus ist die mächtige RMS Titanic zu ihrer Jungfernfahrt in See gestochen. Ein junges Mädchen namens Anne Bonny verließ ihr Zuhause und wurde eine legendäre Piratin in der Karibik. Und auch die erste Immigrantin von Ellis Island, die 17-jährige Annie Moore, begann hier ihre Reise. Aber das kleine Cobh hat noch einige weitere Pfeile im Köcher: zweitgrößter Naturhafen der Welt (weshalb hier auch gerne diverse Ozeanriesen anlegen), Titanic Museen, ein Museum das über den Untergang des Passagierschiffs Lusitania informiert, deren Untergang (hierbei ertranken 1.198 der knapp 2.000 Passagiere), versenkt von einem deutschen U-Boot im ersten Weltkrieg die Bewohner von Cobh miterlebt haben, oder im Heritage Center auf Spurensuche über die „vergessenen Iren“ und ihre Versendung in Strafkolonien auf der ganzen Welt gehen.
Aber der Reihe nach. Zunächst empfiehlt es sich, sich einen Parkplatz zu ergattern. Das schaffen wir schon mal halbwegs unkompliziert. Überhaupt ist Parken in Irland kein großes Ding. Meist kostenlos (außerhalb von Städten immer) und offizielle Beschränkungen in Städten werden in der Praxis auch nicht so eng gesehen.

.

Den ersten Eindruck von dem Städtchen (14.000 Einwohner) prägt die St.Colman’s Cathedral, mit über 90m Höhe auch die zweithöchste Irlands, somit weithin sichtbar und sowas wie der Ankerpunkt der Stadt.

Als nächstes trifft man auf die bunten Häuserreihen für die Cobh bekannt ist, das berühmte „deck of cards“; zu Deutsch Kartenhaus. Diesen Spitznamen haben der liebevoll gestalteten Häuserzeile, die 1850 erbaut wurde, die Einheimischen verpasst. Sie scherzen, wenn die Häuser am oberen Ende der an einem Hügel gelegenen Straße einstürzen würden, so fielen alle weiteren ebenfalls wie ein Kartenhaus in sich zusammen.


Vom oberen Ende der Straße, blickt man hinab in den Hafen von Cobh und zwar genau an die Stelle, an der die Titanic vor ihrer tragischen Kollision mit dem Eisberg am 11.4.1912 zum letzten Mal anlegte, um Passagiere aufzunehmen (und dann drei Tage später unterging).

Früher hieß die Stadt einmal Queenstown, zu Ehren eines Besuchs der englischen Königin. Nachdem Irland seine Unabhängigkeit erhielt, besann man sich auf seinen einstigen gälischen Namen.
Wer an der Uferpromenade mit ihren Palmen entlang schlendert und die herrschaftlichen Häuser ringsum bewundert, den wird es sicherlich nicht erstaunen, dass Cobh als die „Riviera Irlands“ bezeichnet wird.


Diese Uferpromenade führt uns dann auch zum Titanic Museum, für das uns aber das Wetter zu schön ist ...

... und zur Annie Moore Statue.
Annie Moore wäre eine von ungezählten irischen Emigranten gewesen und sicher wäre ihr Schicksal in der Menge von anderen untergegangen, wäre sie nicht die erste Immigrantin gewesen, die nach 12 Tagen auf See über Ellis Island nach New York und in die USA eingereist ist. So steht sie sinnbildlich für all die anderen Menschen, mit denen sie ihr Schicksal teilte. An sie erinnert eine Statue am Pier von Cobh und eine weitere Statue auf Ellis Island selbst. Über ihr Leben ist an sich wenig bekannt, nur, dass sie aus Cork stammte. Ihre beiden Eltern waren vor ihr in die USA ausgewandert und sie sollte mit ihren beiden kleineren Brüdern nachkommen. Am 20. Dezember 1891 begaben sie sich an Board der S.S. Nevada, die sie am 31. Dezember sicher nach New York brachte. Die Statue in Cobh ist eindrucksvoll. Annie blickt zurück, Richtung alter Heimat, während der ältere ihrer beiden Brüder voller Hoffnung der Zukunft entgegengeht. Diese Zwiegespaltenheit trugen sicherlich viele ausgewanderte Iren in ihrem Herzen.
Die Geschichte der Emmigranten ist eine hoffnungsvolle und traurige zugleich, denn sie klingt nach Freiheit, aber auch nach Abschied. Und beides vereint Cobh in sich wie wohl keine zweite Stadt in Irland. Während der Zeit der Großen Hungersnot war Cobh einer der Häfen, von denen aus Millionen Iren ihrer Heimat den Rücken kehrten. Verzweifelt, voller Trauer, Hoffnung und Angst.
In den Jahren 1845 bis 1849 verfaulten in Irland durch einen Pilz die Kartoffeln auf den Äckern und zerstörten damit die Lebensgrundlage vieler Menschen. Eine gewaltige Hungersnot halbierte die Bevölkerungszahl innerhalb weniger Jahre. Schätzungsweise eine Million Iren verhungerte, weitere ein bis zwei Millionen wanderten in den folgenden Jahren aus – vor allem nach Kanada, Australien und in die USA. Bis 1920 waren fünf Millionen Iren ausgewandert.

Nach so viel Geschichte und Geschichten steht uns zur Abwechslung der Sinn nach Natur. Knapp eine Autostunde südwestlich von Cobh erreichen wir die Küste bei Nohoval Cove. Die abgelegene Bucht, zu der eine schmale Landstraße führt, ist mit ihren steilen Klippen und einzelner aus dem Meer aufragender Felsen, absolut einen Besuch wert.

Oberhalb der Bucht wurde Schiefer abgebaut, der kleine Aufstieg an der Ruine der Schiefer-Mine vorbei, führt zu einem schönen Aussichtspunkt über die Bucht.

Der geschäftige Hafenort Kinsale ist Start- oder Endpunkt des Wild Atlantic Way – je nachdem in welche Richtung man die Route bestreitet.


Kinsale ist beliebt wegen seiner bunten Häuser am Milk Market, seinen Pubs und Restaurants und dem geschützten Hafen. Auf der irischen Insel wurden geschützte Buchten schon immer als natürlich Häfen genutzt. So auch hier – der River Brandon schlängelt sich in weiten Bögen durch die Hügel, bevor er auf die Keltische See trifft. Dabei bildet er eine breite Mündung, die in eine gewundene, sehr große Bucht übergeht.
Es verwundert wenig, dass diese Bucht nicht nur für Fischer interessant war, sondern auch für Handelsflotten und Kriegsflotten. Wo Schiffe anlegen ist Geld im Spiel und wo Geld ist, entstehen Siedlungen und Städte – wie Kinsale.

Im 16. Jahrhundert unterhielt Kinsale partnerschaftliche Handelsbeziehungen zu Spanien. Das katholische Spanien lag zu der Zeit im Krieg mit dem protestantischen England und verbündete sich mit den katholischen irischen Rebellen gegen den gemeinsamen Gegner. 1601 kam eine spanische Armada nach Kinsale um Krieg gegen die Engländer zu führen. In der folgenden Schlacht, „Battle of Kinsale“, wurden die Spanier jedoch von den Engländern vernichtend geschlagen, was gleichzeitig die Niederschlagung des irischen Aufstands markierte (Gaelic Wars).



Nach einem kleinen Stadtrundgang und geflasht von knalligsten Farben beschließen wir den Abend zum Essen in einem Pub und treten dann den geordneten Rückzug zu unserer Farm an.
Ü: Sam Apartment, Glanduff/Kinsale 113€ pro Nacht