7. Tag – Samstag, 26.10.
Heute wollen wir uns Le Havre anschauen, eine Stadt auf die ich mich schon sehr freue, sie ist architektonisch gesehen eine Besonderheit, denn sie wurde anders als z.B. Rouen oder St. Malo in der Bretagne, nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nicht möglichst originalgetreu, sondern modern nach dem Entwurf eines dafür engagierten Architekten aufgebaut.
Zunächst regnet es, aber es soll im Laufe des Vormittags aufhören, daher fahren wir nach dem Frühstück zum Supermarkt, um unseren „Abschiedseinkauf“ zu erledigen. Proviant für die morgige Heimfahrt kommt mit, aber auch ein paar Spezialitäten für die ersten Tage (und länger z.B. Wein) zu Hause.
Gegen halb zehn ist es trocken und wir fahren Richtung Stadt. Le Havre liegt nicht weit entfernt von Fécamp und man kann sich der Stadt „von hinten“ nähern, nämlich an der Küste entlangfahren und am Strand von Le Havre parken, damit umgeht man die Fahrt durch die Innenstadt. Der Küsten-/Badeort Sainte - Adresse und Le Havre sind praktisch zusammengebaut und an der Küstenstraße zwischen beiden Orten finden wir am Straßenrand einen kostenfreien Parkplatz.
Auf einer breiten Strandpromenade, die wir uns mit Joggern und Hundespaziergängern teilen, gehen wir in Richtung Stadt. Wir können zwei große Frachter beobachten wie sie in den Hafen ein – bzw. auslaufen, die Lotsenschiffe erscheinen winzig neben den Frachtschiffen und machen die Dimension deutlich. Die 165.00 Einwohner Stadt lebt hauptsächlich von ihrem Hafen, dem zweitgrößten in Frankreich nach Marseille und dem fünftgrößten Containerhafen der Welt.
Le Havre hat aus neuerer Zeit einige Skulpturen, an der mich an einen Stuhl erinnernde UP#3 vom Künstlerduo Sabina Lang und Daniel Baumann kommen wir vorbei, im Hintergrund ist unter anderem der Kirchturm der Saint - Joseph Kirche zu sehen.

Und dorthin führt uns nun auch unser Weg. Die Kirche gehört unübersehbar zum neugebauten Teil der Stadt. 1944 wurde das historische Stadtzentrum von den Engländern fast komplett dem Erdboden gleichgemacht, 5000 Einwohner starben, bis auf einzelne, überwiegend einsturzgefährdete Häuser gab es nur noch Schutthaufen. Einen originalgetreuen Wiederaufbau konnte sich niemand vorstellen und so wurde der Architekt Auguste Perret damit beauftragt eine neue Stadt zu schaffen. Perret, der bereits 1954 starb, die Vollendung seines großen Projekts dadurch gar nicht mehr miterleben konnte, ist seinen Prinzipien bei der Neuplanung von Le Havre gefolgt: als Baumaterial wurde Beton verwendet (zur Herstellung des Betons wurde auch der Schutt der zerstörten Gebäude verwendet, ein sehr schönes Detail wie ich finde), die Stadt sollte übersichtlich, einfach und hell sein.
St. Joseph entspricht diesen Grundsätzen, abgesehen von der Helligkeit, da ist eher das Gegenteil verwirklicht. In Übereinstimmung mit dem Pfarrer von St. Joseph entschied Perret, dass die einzigen Farben in der Kirche die der Buntglasfenster sein sollten. Der Blick nach oben in den Turm ist beeindruckend, der Kircheninnenraum kleiner als ich von außen vermutet hätte und nur die „Überdachung“ (Traghimmel) des Altars und der Glasbereich dahinter gefällt mir nicht.



Wir spazieren weiter durch die seit 2005 zum UNESCO Weltkulturerbe gehörende Stadt bis zur Espace Oscar Niemeyer, auch Vulkan genannt. Das Kulturzentrum von 1982 wurde vom brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer entworfen, eines seiner wenigen Werke in Europa, und soll einen Gegensatz zur geometrischen Strenge der restlichen Stadt sein (was Perret wohl dazu sagen würde?): Im Inneren sind ein Theater und eine Bibliothek. Leider finden Renovierungsarbeiten statt und keines der Gebäude kann betreten werden (zumindest meine ich das bei der Reisevorbereitung gelesen zu haben, bin mir aber nun nicht mehr sicher, ob es tatsächlich geschlossen war, nachgeprüft haben wir das leider vor Ort nicht), außerdem stehen auch noch so hässliche Handwerker bzw. Transport Fahrzeuge herum (obwohl heute Samstag ist). Um einen Blick auf die gesamte Anlage zu bekommen, muss man sich weiter von ihr entfernen, das wollen wir später noch nachholen.



Nun wenden wir uns einer der Hauptachsen der Stadt zu, der Rue de Paris mit ihren Arkadengängen. Am Ende der Straße sieht man eine weitere moderne Skulptur, die wir uns später noch genauer ansehen werden.
Der Platz vor dem Naturkundemuseum im ehemaligen Justizpalast wird gerade neu gestaltet, nicht weit entfernt befindet sich die Kathedrale Notre-Dame, diese historischen Gebäude sind Ausnahmen im modernen Stadtbild.



Zum Mittagessen gehen wir ins „Le Grand Quai“ zwischen Hafen und Stadt gelegen. Wir nehmen wieder wie gestern einen Teil des Menus, Vorspeise und Hauptspeise. Peter bestellt eine Wurstplatte und einen Burger, ich entscheide mich für „Oeuf parfait“ (noch nie gehört), ein Ei auf geschäumter Gemüsesuppe und Croutons – sehr lecker (Zu Hause finde ich heraus, dass das „perfekte Ei“ ein Ei ist, das 45 Minuten lang sanft durchgegart wird, dank einer Gartechnik unterhalb des Siedepunkts. So erhält man schließlich ein Ei, dessen Eiweiß nach dem Schälen schön fest und dessen Eigelb sehr flüssig ist. Es hat das perfekte Gleichgewicht zwischen Eiweiß und Eigelb, die so nah wie möglich bei ihrer Gerinnungstemperatur gegart werden, um eine einmalige schmelzende Textur zu erhalten.) und Fish & Chips (EUR 36,00, Wasser kostenlos in der Karaffe).


Nach dieser Stärkung gehen wir nochmal in Richtung Wasser, zur Skulptur „Catène de Container“ (Containerkette) von Vincent Ganivet, die mir richtig gut gefällt, die Container als passendes Symbol für den Hafen und bunt als Farbtupfer im sonst eher einheitlich hellbraunen Stadtbild.
Weiter geht’s am Le Havre Port Center (eine Art Kulturzentrum, um den Hafen mit seiner Industrie der Bevölkerung näher zu bringen, solche Port Center gibt es weltweit in mehreren Hafenstädten) vorbei
zum Musée Malraux. Hier befindet sich die, nach diversen Museen in Paris, bedeutendste Impressionistensammlung Frankreichs. Das Museum wäre auf jeden Fall einen Besuch wert, aber Peter hat keine Lust, außerdem ist die Zeit heute dafür zu knapp, die reicht ja nicht mal mehr, um alle Ecken der Stadt zu sehen, die wir gerne sehen würden. Aber auch der Blick auf das Gebäude lohnt sich schon, es wurde 1961 als eine Art Abschluss des Wiederaufbaus der Stadt errichtet.
Noch eine dritte moderne Skulptur gibt es in der Stadt, sie heißt „Jusqu’au bout du monde“ von Fabien Mérelle und zeigt einen Vater samt Tochter, die beide übers Meer in die Ferne blicken („bis ans Ende der Welt“).
Vom Hafen ist neben dem hohen Turm der St. Joseph Kirche ein weiterer, kleiner Turm zu sehen, das ist das Rathaus von Le Havre und dorthin gehen wir nun. Vor dem Rathaus ist ein schön angelegter Platz mit Wasserspielen und kleinem Park. Der Rathaus Turm kann bestiegen werden, leider, leider ist das aber nur in der Hochsaison möglich, im Oktober, obwohl doch gerade auch in Frankreich Herbstferien sind, wird das nicht mehr angeboten. Sehr schade, der Blick wäre so interessant gewesen.
Nun steht ein bisschen Shopping auf dem Plan und zwar gibt es den „LH Concept Store“ (LH für Le Havre, nicht Lufthansa

) für Kleidung mit LH Aufdruck. Hier kaufen wir uns jeder ein T-shirt. Ein weiteres interessantes Geschäft für Souvenirs ist der „Local Store“, hier wandern Glasuntersetzer mit verschiedenen Le Havre Symbolen in unsere Tasche (als Glasuntersetzer sind sie aber viel zu schade, daher hängen sie nun an der Rückwand eines unserer Küchenregale).
Im Café der Buchhandlung „La Galerne“ machen wir unsere Kaffeepause und schauen uns dann nochmal in der Gegend um die Espace Niemeyer um. Von der Fußgängerbrücke über das Bassin du Commerce hat man einen schönen Überblick über die beiden „Vulkane“, den Kirchturm und die typischen Wohnbauten, sowie ein interessant gedrehtes Hochhaus neueren Datums. Hinter dem Bassin du Commerce gibt es noch ein Gebiet mit einigen modernen Bauten rund um verschiedene Hafenbecken, das wir uns gerne noch angeschaut hätten, das wird aber zu viel für heute.
Vorbei an weiteren typischen Wohngebäuden (man beachte den stilechten Zaun davor, aus Beton und mit quadratischem Muster)
gehen wir zurück zum Strand und an der Strandpromenade entlang bis zu unserem Auto.
Gegen 16.30 Uhr fahren wir zurück nach Fécamp, dort tanken wir noch und sind gegen 17.30 in der Ferienwohnung. Wir essen zu Abend, packen und tragen dann schonmal einige Sachen ins Auto, damit wir morgen früh nicht ganz so oft laufen müssen.
Wetter: bewölkt, morgens und ab 17 Uhr Regen, dazwischen trocken, ca. 15°C