7.Tag, Freitag 2.9.2011Heute stehen wir etwas später auf als sonst. Durch das lange surfen im Internet wurde es gestern später als sonst – doppelt ärgerlich sich im Urlaub mit so einem „Kram" befassen zu müssen.
Die spätere Uhrzeit beschert uns Gesellschaft, wir müssen die Küche diesen Morgen mit einem sehr muffigen Paar aus Italien teilen. Mehr als „where are you from" wird nicht als Konversationsbeteiligung abgeliefert.
Um 9 Uhr sind wir abmarschbereit. Meinem Camcorder hat die Nacht (und vor allem das mehrstündige Abnehmen des Akkus) gut getan. Der Fehler ist weg und sie stellt auch wieder scharf. Hoffentlich bleibt das diesmal so. Jedenfalls werde ich die Fotofunktion nicht mehr in Anspruch nehmen – sicher ist sicher.
Das Wetter ist heute leider wieder so wie vor zwei Tagen – es regnet – sogar richtig fies.
Trotzdem soll es auf dem Weg nach Anchorage diesmal mit dem Portage Gletscher klappen bei dem wir auf dem Hinweg am zweiten Tag noch zu früh dran waren. Bis dahin kann sich das Wetter ja bessern.
Ohne richtig in die Karte zu gucken schätzen wir die Fahrzeit von Seward zum Portage nur auf gut eine Stunde ein (was leider falsch ist - man braucht fast doppelt so lange).
Der Portage Gletscher war früher einmal vom Besucherzentrum aus zu sehen, hat sich aber inzwischen so weit hinter eine Biegung zurückgezogen, daß man ihn nur noch per Boatcruise über den See zu Gesicht bekommt. Die erste Tour beim Portage findet um 10.30 Uhr statt – genau die wollen wir nehmen, weshalb wir gemütlich in dem Glauben, daß wir genügend Zeit haben, vor uns hintuckern.
Nach 45 min Fahrt werde ich mißtrauisch und bitte Petra noch mal genau in die Karte zu sehen – hoppla – da lag wohl ein Irrtum mit der Entfernung vor. Ich lege geschwindigkeitsmäßig einen deutlichen Zahn zu – allerdings gehen wir davon aus, daß wir das eigentlich gar nicht mehr schaffen können. Die 12 Uhr Tour (die Cruise dauert immer eine Stunde) danach macht aber auch keinen Sinn. Wir müssen noch ein gutes Stück fahren und wollen auch zur Independence Mine nördlich von Anchorage die um 17 Uhr zu macht (und ein paar Tage später ganz dicht ist) – das wäre dann unmöglich.
Die Meilen verringern sich quälend langsam.
Zumindest aufgrund des miesen Wetters verpassen wir nichts wenn wir unterwegs nicht anhalten.
Gegen 10:25 haben wir tatsächlich den Parkplatz am Cruise-Dock erreicht – allerdings nützt uns das nun doch nichts – denn Bootfahren kann man heute oder zumindest für die nächsten Stunden vergessen. Auf dem See tobt eine Art „Taifun". Hohe Wellen schaukeln das vor Anker liegende Schiff hin und her – Sicht unter 20 Meter, Wind in Orkanböen, fast waagerechter starker Regen – der Wahnsinn. Die Cruise findet unter diesen Bedingungen gar nicht statt.
Schade. Gerade auf den Portage hatten wir uns besonders gefreut und auch Andreas der vor kurzem hier war hat uns von diesem Gletscher vorgeschwärmt. Vielleicht gibt’s ja noch eine kleine Chance am Ende der Reise, wobei am 18.9. die letzte Tour geht und wir eigentlich erst am 19.9. wieder in die Gegend um Anchorage zurückkehren wollten.
Wir fahren weiter nach Norden auf dem Seward Highway und kommen natürlich wieder an der Tankstelle in Girdwood vorbei wo wir Sprit und zwei French Vanilla Kaffee tanken. Auf dem Weg nach Anchorage entlang dem Turnagain Arm hört der Regen auf und es wird trocken.
Wir fahren in den östlichen Stadtbereich um den Diamond Boulevard und schauen uns wie im Internet recherchiert im Best Buy nach einem Netbook um. Bei einem Gerät das uns interessiert kann man nicht sehen ob es spannungstechnisch auch in Deutschland funktioniert (also bis 240Volt tauglich ist).
Wir sprechen eine Verkäuferin in der Fachabteilung an die aber leicht überfordert scheint und verzweifelt und erfolglos in ihrem Computer herumklickt. Als Petra sie bittet doch einfach den Karton zu öffnen um zu lesen was auf dem Netzteil steht wird sie pampig und erwidert, daß man das erst machen könne wenn wir das Netbook gekauft hätten.
Auf Petras Antwort, daß sie das Teil dann umgehend zurück bringen würde, wenn das Netbook keine 240V kann (und dann der Karton dann ja auch offen wäre) guckt sie nur blöd. Da ich das schon geahnt hatte (den Gedanken wieder verworfen habe ob ich das neue Bärenspray mal an der Verkäuferin ausprobieren sollte
) habe ich mich inzwischen an zwei andere Verkäufer gewandt, die mir freundlich und wesentlich kompetenter ein anderes Netbook empfehlen und auch in der Lage sind nachzusehen, ob das mit der Spannung passt.
So erwerben wir schließlich ein Samsung N145 Netbook zu einem sehr günstigen Preis, kaufen noch ein USB Kabel dazu und testen die Neuerwerbung auf dem Parkplatz gleich kurz aus.
Passt alles – Kameras werden auch erkannt – also können wir weiterfahren.
Allerdings nur einen Block bis zum Walmart wo wieder Lebensmittel eingekauft werden sollen ...
... und zum Sportsman's Warehouse um für Petra einen Fleece-Pulli zu finden. In der Hinsicht gibt’s zwar nichts dafür könnten wir uns aber günstig für 99,99 $ eine Knarre kaufen – na, vielleicht später.....
Für unsere Augen schon ungewöhnlich wenn Kunden ein Geschäft mit einer großen Schußwaffe betreten oder damit herauskommen – in Alaska völlige Normalität.
Wir kehren der „Großstadt" den Rücken und fahren wieder auf den Highway nach Norden.
Der Verkehr im Bereich der größten Metropole Alaskas verdichtet sich kurzzeitig aber wirklich dramatisch wird das nicht.
Nordwestlich von Palmer erreichen wir über einige kleine Strässchen die Hatcher Pass Road und fahren hinauf in die Berge ...
... zum Independence Mine Historical Park.
Als 1886 im Raum Anchorage Gold gefunden wurde, suchte man auch in der erweiterten Umgebung nach dem Edelmetall. Robert Lee Hatcher fand 1906 Gold im nahen Willow Creek Tal und weitere Funde folgten.
In den ersten Jahren wurde nur in Flüssen nach Gold gewaschen, am ertragreichsten war allerdings der Untertagebergbau, der zwischen 1908 und 1951 auch hier in der Independence Mine betrieben wurde.
Da es inzwischen wieder zu regnen begonnen hat, kommt eine kopfschütteln-erregende Spezialkonstruktion zum Einsatz. Ich habe mir an mein Kamerastativ eine Möglichkeit angebaut einen Regenschirm per Schnellwechselkupplung anzubinden.
Petra lacht sich zwar fast schlapp aber entgegen dem äußeren Schein klappt das hervorragend.
Die Kamera inklusive Kameramann bleiben trocken und ich muss nicht mit einer Plastiktüte über dem Camcorder arbeiten, was die Kreativität doch leicht bremst.
Das ich mir dabei wie ein Idiot vorkomme verdränge ich tapfer.
So haben wir beide trotz des Wetters großen Spaß an unserem Rundgang.
Hingucker ist (neben meiner Schirmkonstruktion) natürlich das spektakulär kollabierte Minengebäude aber auch die anderen historischen Relikte und die sie umgebende Landschaft lohnen den Abstecher vom Glenn Highway.
Wieder zurück am Auto schüttle ich den Schirm aus und …. die Schirmstange bricht entzwei.
Darf doch nicht wahr sein …...
Irgendwie geht es in dieser Reise immer Auf und Ab.
Wir fahren über Palmer zurück zum Glenn Highway und weiter nach Osten.
Endlich kommen wir auch in einsamere Regionen – so wie man sich das von Alaska vorstellt. Auf der Kenai Halbinsel, noch dazu am Wochenende war von Einsamkeit nicht viel zu spüren.
Auch der Regen hat aufgehört und hie und da blinzelt gelegentlich sogar mal die Sonne durch.
Von einem Aussichtspunkt blicken wir auf den Matanuska Gletscher. 39 km lang und an seinem Ende 6 km breit – beeindruckend schon von hier oben.
Damit geben wir uns aber nicht zufrieden.
Auf einer Privatstraße fahren wir hinab ins Tal und erreichen nach 2 km einen Laden. Dort zahlt man den Eintritt um auch den Rest der Piste bis zum Gletscher fahren zu dürfen.
20 $ pro Person sind zwar ein stolzer Preis – aber wir wagen es – so viele Gelegenheiten einem Gletscher zu Fuß so nah zu kommen gibt’s ja auch wieder nicht.
Die Piste endet an einem Parkplatz etwas oberhalb des Gletschers.
Der Weg zum Gletscher ist bis zu einem nahem Aussichtspunkt kurz vor den ersten dichten Eismassen mit Platten ausgelegt. Weiter muss man sich (wenn man das will) selber auf dem Eis und Geröll vortasten.
Wir finden eine Route auf der man halbwegs gut über griffiges Eis laufen kann ...
... und erreichen eine Art Tal voller Geröll in dem man sich nicht nur gut fortbewegen kann, ...
... sondern vom Gletscher mit jedem weiteren Schritt wie von den Mauern einer Festung umschlossen wird – phantastisch.
Genau in diesem Moment bricht die Abendsonne durch ...
... und beleuchtet die Zinnen dieser Stadt aus Eis.
Es ist einfach unglaublich.
Unglaublich schön.
Vor lauter Begeisterung muss man nur aufpassen nicht doch auf die Nase zu fallen.
Eine kleine Anhöhe die man vorsichtig erklimmen kann macht uns neugierig. Was wohl dahinter liegt?
Als wir oben auf der Kuppe stehen und nach Osten blicken erleben wir eine Überraschung.
Diesmal eine freudige Überraschung.
Direkt unter uns breitet sich ein Gletschersee aus ...
... in dem sich die Eiszinnen in der Abendsonne spiegeln.
Wahnsinn!
Begeistert wie kleine Kinder freuen wir uns über unsere Entdeckung.
Zwei Stunden später sind wir wieder am Auto zurück. Es ist inzwischen schon spät aber wir konnten uns nicht früher von dem Gletscher trennen.
Bald wird es dunkel und wir haben noch keine Bleibe für die Nacht.
Trotzdem halten wir auf dem weiteren Weg nach Osten auf dem Glenn Highway noch ein paar Mal kurz für Aufnahmen, auch wenn uns die Zeit bzw. das letzte Tageslicht zwischen den Fingern zerrinnt.
Endlich sehen wir farbige Herbstwälder und die für diese Region typischen borrealen Wälder, deren Bäume wie grüne aufgestellte Streichhölzer aussehen.
Die Berge leuchten in der Abendsonne.
Es ist schon kurz vor 21 Uhr als wir die Nelchina Lodge am Highway erreichen. Zum Glück hat der kauzige aber nette Vermieter noch etwas frei.
Unsere Doppel-Herdplatte in Aktion - heute gibt es selbstgewärmtes Chili aus der Dose, dazu Reis.
Es ist angerichtet.
Natürlich wird auch das neue Netbook eingeweiht und unsere Film- und Fotodaten werden gesichert.
Erstaunlich hier in der Pampa gibt es sogar WiFi.
Ein Tag, der erfreulich mit der Wiedergeburt meiner Kamera begann – uns dann am Portage Gletscher einen ordentlichen Dämpfer versetzte und letztendlich traumhaft endete. Der Matanuska so wie wir ihn erlebt haben – gigantisch.
Für meinen kaputten Kameraschirm habe ich auch eine gute Lösung gefunden – es soll nun einfach nicht mehr regnen.
Übernachtung: Nelchina Lodge, Glenn Highway
Preis: 85 $ (mit Steuer)
Kommentar: alt aber sauber, großes Zimmer, Preis absolut in Ordnung
Bild des Tages:Am Matanuska Gletscher