11.Tag, 30.4.2024, Dienstag
Ein Tag im NirgendwoAls mein Wecker um 4:30 klingelt, könnte ich mich fragen ob das nun Morgen oder noch Nacht ist. Für tiefschürfende philosophische Andachten habe ich aber keine Zeit. Im Gegenteil. Eile ist geboten um rechtzeitig mein erstes Ziel dieses Tages zu erreichen und das ist ein ganz besonderes. Heute kann der Wrangler mal zeigen was er drauf hat. Um 5 Uhr biege ich auf den Highway 89 nach Westen, dem ich bis zur Abzweigung der House Rock Valley Road nach Süden folge. Die Dirt Road ist in einem ordentlichen Zustand. Das Hauptproblem sind die vielen Kaninchen, die immer wieder auf der Straße sitzen und in der Dunkelheit immer erst spät zu entdecken sind. Trotz vieler glücklich verlaufenden Bremseinlagen komme ich gut voran.
Dann wird es spannend und ich lege den Allrad ein. Es geht ins Nirgendwo. In das Pistengewirr südlich der Grenze Utahs in Arizona, wo tiefsandige Pisten oft mehr schlecht als recht kreuz und quer durch die Vermillion Cliffs führen.
Mein Ziel ist die White Pocket und ich wähle die Route über Corral Valley und die Pistennummern 1017, 1066, 1081, 1084, 1323 und 1086. Alleine die Vielzahl dieser Nummern lässt erahnen, dass man hier ohne gute Karte oder besser GPS „lost“ ist. Auch einige Weidezäune müssen geöffnet und wieder geschlossen werden und immer noch ist es dunkel.
Der Wrangler pflügt und schaukelt durch die Sandfurchen, gelegentlich gibt es ein paar mittlere Steine, Steinplatten und natürlich viele Löcher. Eine abwechslungsreiche Strecke was die Anforderungen angeht. Der Wrangler und meine Wenigkeit werden ordentlich durchgeschüttelt. Schließlich beginnt es am Horizont zu dämmern.
Ich lege noch einen Zahn zu und erreiche wie ich es mir vorgestellt hatte, nach genau 2 Stunden Fahrt den Traihead zur White Pocket (was relativ schnell ist). Außer mir steht noch ein Fahrzeug (wahrscheinlich von gestern Abend) da.
Schnell greife ich mir meinen Fotorucksack von der Rückbank und laufe los.
In 15 Minuten sind die ersten Ausläufer der White Pocket erreicht, gerade als die Sonne ihre ersten Strahlen in die Landschaft vom anderen Stern schickt.
Die White Pocket ist kein großes Gebiet, dafür umso intensiver ist das Erlebnis dieser eigentümlich geformten Felsen, wabenförmigen Brainrocks und als Garnierung dazu irrwitzige Farben.
Als wenn ein monströser Riese auf Droge Farbbeutel in die Landschaft geschmissen hätte.
Angenehmerweise sind nicht mal eine Handvoll Leute hier, also kann man sich gut aus dem Weg gehen.
Der amerikanische Südwesten ist an sich ein einziges Gesamt-Wunder an fantastischen Fels-Landschaften aber die White Pocket ist sicher eines seiner ganz großen Meisterwerke, ein Wunderland, das seinesgleichen auf diesem Planeten sucht.
Nach 3 Stunden bin ich zurück am Wrangler, lege ich ein kleines Frühstück ein und fahre dann weiter zum nächsten unwirklichen Schlaraffenland für Fotografen, den Southern Coyote Buttes.
Diesmal geht es über die 1323 und 1084 nach Westen und die 1082 nach Norden zur CBS (Coyote Buttes South) und zum Trailhead an der Cottonwood Cove, den ich gegen 11 Uhr erreiche.
Durch tiefen Sand und in auf und ab geht es zu den Cottonwood Teepees.
Natürlich ist das Licht nun nicht mehr so genial wie am Morgen aber auch diese Gegend macht so großen Spaß und ist so fantastisch, dass es einfach ein Genuss ist, entlang der bizarren Felsen und Farben unterwegs zu sein, auch wenn es nicht zum allerbesten Licht ist.
Weißtöne wie in der namensgebenden White Pocket sucht man hier übrigens vergebens. Braun, Rot, Gelb, Violett, Orange sind die Farben die in den CBS die Felslandschaft prägen.
Je nachdem wohin und wie man läuft kommt man vorbei an namhaften Figuren wie dem Dali Rock, ...
... Half and Half, ...
... Witches Hat, ...
... und der Southern Wave.
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Bemerkenswert wie fragil und dünn manche Gesteinsformationen sind.
Es ist nun früher Nachmittag und ich lenke den Wrangler wieder Richtung Corral Valley zurück zur House Rock Valley Road. Hier 5-6 Stunden auf das schöne Abendlicht zu warten ist mir einfach zu lange.
Kurz bevor die House Rock Valley Road (HRVR) wieder auf den Highway 89 trifft ...
... gibt es noch sehr bunte Chinle Badlands östlich der HRVR zu bestaunen.
Die Chinle-Formation ist eine Sediment-Gesteinseinheit, die vor rund 200 Millionen Jahren in den US-amerikanischen Südwesten zur Ablagerung kam.
Diese Lehmhügel haben wirklich extrem ungewöhnliche und vielfältige Farben im Programm.
Danach gönne ich mir einen Pizza Hut Besuch in Page – wobei ein besonders tolles Erlebnis ist das auch nicht mehr. Früher war alles besser … na ja zumindest die Pizza von Pizza Hut.
Wie schon vor ein paar Tagen in Farmigton ist es auch hier für einen umweltschutzgestählten Deutschen zudem immer noch befremdlich, wenn man in einem „Restaurant“ auf die Nachfrage wegen Besteck dann eingeschweißtes Plastik-Spielzeug bekommt. Das Plastikmesser ist so effektiv, dass ich auch darauf warten könnte, dass die Erosion die Pizza teilt. Na ja, wir Deutschen halt wieder, immer was zu nörgeln…
Auf der Rückfahrt von Page in mein trautes Domizil nach Big Water stoppe ich noch im Tankstellenshop ein paar Meilen östlich von Big Water und erlebe das, was mir bisher auf dieser Reise gänzlich erspart geblieben ist, nämlich eine derartige Flut von Touristen aus Asien, dass es in einem Shop am Rand von Peking auch nicht anders sein dürfte.
Zum Glück habe ich auch morgen wieder ein Ziel bei dem es schon an ein Wunder grenzen müsste, wenn ich da Touristen-Horden antreffen würde.
Übernachtung: Rodeway Inn & Suites, Big Water, Utah, 73 €