Der heutige Tag hat so viel Text und Fotos, dass ich zwei Teile daraus mache, Teil 2 kommt dann wohl erst am Montag.
Vorwort zu den folgenden zweieinhalb Tagen in Gent:Ich habe lange überlegt, ob ich diese Tage wie üblich chronologisch darstelle oder eine eher thematische Zusammenstellung mache. Grund für die Überlegungen ist eine (natürlich erst im Nachhinein festgestellte) unglückliche Kombination von ungenauer Wettervorhersage und meiner Migräne, die mich an allen drei Tagen hin- und wieder etwas geplagt und damit eingeschränkt hat: für alle drei Tage in Gent war sonniges Wetter vorhergesagt, so dass ich für den ersten vollen Tag die klassischen Sehenswürdigkeiten auf dem Plan hatte, zweiter Tag sollte dann Museum und einiges außerhalb des Stadtzentrums sein, dritter (halber) Tag je nachdem, was ich noch nicht angeschaut hätte. Leider war dann aber am ersten (vollen) Tag das eigentlich schöne Wetter durch Saharastaub völlig eingetrübt, was aber eben nicht vorhergesagt war und ich (auch wegen der Migräne) einfach zu spät bzw. gar nicht reagiert und meinen Plan einfach umgeändert habe. Am zweiten (vollen) Tag gab es dann eine etwas unentschlossene Mischung aus dem ursprünglichen Plan und dem Bemühen, die klassischen Sehenswürdigkeiten doch noch bei Sonnenschein zu sehen. Und das hat sich am letzten halben Tag vor Abfahrt nach Ostende wiederholt. Ich schreibe nun doch «normal» chronologisch, weil ich einerseits keine gute Idee habe, das anders darzustellen, andererseits gehören auch mal nicht so optimal gelaufene Tage zu einem Reisebericht. Ihr werdet eben viele Fotomotive mehrfach über die Tage verteilt anschauen müssen
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2. Tag – Mittwoch, 16.03. (1. Teil)
Heute soll es sonnig und bis zu 18°C warm werden, noch ist es aber sehr kalt und leicht neblig oder dunstig, deshalb trödle ich noch etwas herum bevor ich gegen neun Uhr meinen Spaziergang im Stadtzentrum starte.
Direkt beim Hotel liegt die Burganlage Geraard de Duivelsteen, das ist heute wohl eine Art Jugendzentrum, aber auch eine Bar, zumindest laut Internet (unter dem Namen BROEI, der auch auf dem Gebäude steht), eine Besichtigungsmöglichkeit habe ich nicht gefunden, mein Reiseführer erwähnt die Burg gar nicht.
Gleich dahinter steht die St. Bavo Kathedrale, eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt vor allem wegen des berühmten Genter Altar, der sich in der Kirche befindet. Ich muss zugeben, dass ich bis zu meiner Vorbereitung auf diese Reise noch nie davon gehört hatte, für viele andere ist er aber wohl ein Hauptgrund für den Besuch von Gent. Die Kirche hat schon seit 8.30 Uhr geöffnet, der Altar kann aber erst ab 10 Uhr angeschaut werden, da muss ich später nochmal zurückkommen. Der Kirchenraum ist recht düster und überladen, die unterschiedlichen Steinarten (grauer Scheldestein, roter Backstein und weißer Kalkstein), dazu die Rokokkokanzlei aus Eiche und der Hochaltar aus weiß-schwarzem Marmor führen zu einem unruhigen Gesamtbild – aus meiner Sicht, waren zu ihrer Bauzeit aber etwas ganz Besonderes und dementsprechend beeindruckend wurde die Kirche empfunden.
Ich spaziere um die Kirche herum, an der Seite soll es den «Achtersikkel», eine Art Innenhof geben, den Zugang dazu finde ich aber nicht, vermutlich gerade unzugänglicher Teil der großräumigen Baustelle, die sich hinter der Kirche befindet.
Meine in Erwartung der warmen Tagestemperaturen gewählte Fleecejacke übers T-Shirt ist mir zu kalt, daher nutze ich die Nähe zur Unterkunft, gehe nochmal zurück und ziehe mir etwas Wärmeres an.
Nächster Stopp ist der Belfried gegenüber der St. Bavo Kathedrale, Teil des Weltkulturerbes, mit seinem Bau wurde 1300 begonnen.
Für mich ist er hauptsächlich wegen des Ausblicks von der Turmspitze interessant. Der Eintritt ist in der City Card enthalten, ich bin zurzeit die einzige Besucherin. Netterweise gibt es einen Aufzug, nur den letzten Teil bis zur Spitze muss man zu Fuß gehen. Auf dem Weg nach oben kommt man an einem 1:1 Modell des Drachens vorbei, der auf der Spitze des Turms angebracht ist – hätte ich nicht gedacht, dass der so groß ist.
Der Ausblick ist dann eher enttäuschend, lediglich die Blicke direkt nach unten gefallen mir, ansonsten kann man die einzelnen Häuser gar nicht richtig erkennen, liegt es am Dunst (bzw. Saharastaub, wie ich heute weiß)? Ich bin mir nicht sicher, aber obwohl der Turm mit 100 m ähnlich hoch ist, wie zwei der Aussichtstürme in Kopenhagen auf denen ich war, ist der Blick leider überhaupt nicht vergleichbar.
Neben dem Belfried befindet sich die moderne Stadthalle, wobei es eher eine Überdachung ist als eine Halle, nämlich an den Seiten offen, darunter finden Märkte, Konzerte und sonstige Veranstaltungen statt, jetzt gerade ist es eine leere Fläche. Gestern Abend konnte ich ja schon die tolle Beleuchtung der gläsernen Dachziegel sehen.
Gegenüber dem Belfried steht die St. Nikolaus Kirche (siehe drittes Foto vom Belfried), der Innenraum ist heller und gefällt mir daher besser als der der St. Bavo Kathedrale, aber auch hier ist es mir zu dunkel und die Gestaltung zu unruhig.
Weiter geht’s zur Michaelsbrücke, die über den Fluß Leie führt. Von hier hat man einen schönen Blick auf die vielen Türme der Stadt und hinunter zu den Ufern der Leie, dem Graslei und dem Korenlei. Hier war früher der Hafen von Gent, heute hat es viele Restaurants und hier starten die Bootsrundfahrten durch die Kanäle.
Eine solche ist auch in der City Card enthalten, die erste des Tages startet in wenigen Minuten um 10.45 Uhr. Daher halte ich mich nicht lange auf, sondern gehe zum Bootsanleger, wo ich gleich einsteigen kann. Es sind kleine Holzboote mit Sitzen am Rand entlang und in der Mitte. Das Boot ist nicht ganz voll, die Mittelsitze bleiben leer, mit mir sind ca. 8 - 10 Gäste an Bord. Der Bootsführer ist gleichzeitig auch der Guide und macht seine Sache recht gut finde ich, einige interessante Fakten und ein paar Geschichten, nicht allzu viel und allzu lange und keine übertrieben bzw. erzwungen klingenden Witze. Dennoch bin ich von der Fahrt nicht allzu begeistert und froh, dass ich die Bootsfahrt nicht separat bezahlt habe. Die Fahrt führt in verschiedene Kanäle hinein- und wieder zurück, es ist also keine Rundfahrt, den größten Teil der Zeit steht bzw. schwimmt das Boot am selben Fleck, weil der Guide die Zeit braucht, um den gleichen Text für alle Gäste in ihren Sprachen vorzutragen, auf Englisch, auf Französisch, auf Deutsch und auf Holländisch. Und die Kanäle haben immer auf einer oder sogar beiden Seiten einen Weg oder Straße, so dass man alles genauso gut bzw. besser, weil im eigenen Rhythmus, zu Fuß anschauen kann.
Gut zu wissen, da kann ich mir die Bootsfahrt in Brügge, das ich in diesem Urlaub auch noch besuchen werde, sparen.
Nach der Bootsfahrt, die ungefähr eine dreiviertel Stunde dauert, bin ich ziemlich durchgefroren, denn die vorhergesagte Sonne und Wärme sind bislang noch nicht eingetroffen und ich habe inzwischen Zweifel, ob das heute überhaupt noch passiert, auch wenn der Bootsführer auch auf den bevorstehenden Sonnenschein hinweist.
Nach dem Aussteigen schaue ich mir in Ruhe nochmal Korenlei und Graslei, sowie den Ausblick von der Michaelsbrücke an – gefällt mir sehr gut,
dann spaziere ich durch das Viertel Patershol. Das ehemalige Armenviertel hat heute viele idyllische Ecken und insbesondere entlang der Hauptstraße viele Cafés und Restaurants (jetzt zur Mittagszeit alle noch geschlossen). Schon hier habe ich viele ähnliche Blicke über den Kanal, wie vorhin mit dem Boot.
Mit dem Mittagessen ist es hier in Flandern ähnlich schwierig wie in Dänemark, wenn man eigentlich die Hauptmahlzeit des Tages mittags essen möchte. Das hätte ich nicht erwartet, da man in Holland, das sprachlich und kulturell mit Flandern verwandt ist, auch mittags schon ein «normales» Gericht bekommt.
Üblich zu Mittag hier in der Stadt ist Suppe, wenn es etwas Warmes sein soll oder Salat und / oder Sandwich.
In der «Souplounge» am Rand von Patershol bestelle ich zum Aufwärmen eine große Schüssel Tomatensuppe mit Brot und einen Tee (EUR 8,90). Das Restaurant ist sowohl bei Einheimischen, vor allem Mütter mit ihren Kindern, als auch Touristen beliebt, außerdem kann man sich das Essen auch liefern lassen, es warten viele «Lieferando» und Co Fahrer auf eine Bestellung. Überhaupt habe ich noch nirgends so viele Fahrer von Essenslieferung auf Mopeds und Fahrrädern durch eine Stadt fahren sehen und das zu allen Tages- und Nachtzeiten (in denen ich draußen unterwegs war). Aus meiner Sicht wieder etwas, das an sich eine gute Idee ist, nun aber völlig überhandnimmt.
- Ende Teil 1 -