6. Tag – Sonntag, 20.03.Heute ist eher bewölktes Wetter vorhergesagt, die nächsten Tage soll es dann wieder sonnig sein, also der ideale Tag, um das Mu.Zee hier in Ostende zu besuchen.
Als ich gegen viertel nach 9 Uhr das Hotel verlasse, ist es noch sonnig und ich schaue mich noch ein bisschen im Ort um. Ich spaziere nochmal die Strandpromenade in Richtung Südwesten entlang, sehe noch ein paar hübsche historische Fassaden zwischen den Hochhäusern und am Beginn der Kolonnaden, die Venetianischen Galerien, wie die Kolonnaden von König Leopold II. Anfang des 20. Jh. erbaut. Sie dienen der Stadt heute als Ausstellungsräume, davor steht eine Statue König Baudouins (regierte 1951 bis 1993).
Hinter den weißen Badehäuschen steht das Hotel Thermae Palace, ein ehemaliges Luxushotel, das teilweise einen sehr verfallenen Eindruck macht, aber geöffnet ist.
Wie schon im Bericht zu meinem Anreisetag an die Küste erwähnt, sollten die Kolonnaden den König trockenen Fußes zur Pferderennbahn bringen, wo ich mich nun auch hinbegebe. Diese ist auch heute noch in Betrieb, vielleicht findet später ein Rennen statt, jedenfalls ist das Gelände gerade frei zugänglich und ich kann das schöne Gebäude und eine Vielzahl von Skulpturen, alle mit Bezug zu Pferden, anschauen.
Auf dem Weg zum Museum komme ich durch einige nette Straßenzüge, ein eher seltener Anblick in Ostende.
Gegen 10.30 Uhr bin ich dann am Mu.Zee, das Museum zeigt schwerpunktmässig Bilder belgischer Künstler oder von Künstlern mit großem Einfluss auf die belgische Kunstszene von 1880 bis heute. Das Gebäude selbst ist auch interessant, in den 1940iger als Genossenschaftskaufhaus von Gaston Eysselinck (Architekt) erbaut mit der Besonderheit einer 30 m langen gebogenen Glasfassade. 1981 musste das Kaufhaus dann schließen und nach verschiedener Nutzung und auch Leerstand zog schließlich das Mu.Zee ein. Das Gebäude wird zurzeit immer noch weiter für die Nutzung des Museums renoviert, zur Geschichte des Gebäudes gibt es eine kleine Ausstellung im Museum.
Für den Museumseintritt zahle ich EUR 10 und spare damit EUR 2 dank meines «Kustpas», auf der mich tatsächlich mal ausschließlich der gedruckte Reiseführer aufmerksam machte, man kann ihn kostenlos auf der Seite des Tourismusverbandes für die belgische Küste bestellen und erhält damit für alle möglichen Attraktionen entlang der Küste Ermässigungen. (Dank des schönen Wetters bzw. fehlender Lust/Interesse habe ich keine weiteren davon besucht, z.B. hätte es bei den beiden Museumsschiffen in Ostende ebenfalls eine Ermässigung gegeben.)
Natürlich finden sich einige Bilder von James Ensor hier, unter anderem das «Blick auf die Van Iseghemlaan» in Ostende von 1906, also der Strasse in der ich meine Unterkunft habe.
Besonders gut gefällt mir «Das Gewitter» von Jean Brusselmans von 1938 und «Gärten» vom gleichen Maler von 1934.
Die «Schneiderpuppe Mann und Frau» von Jef Geys von 1966 erinnern mich an ähnliche Pappfiguren, die ich als Kind (als Barbie Ersatz, weil mir die meine Eltern nicht schenken wollten) hatte, auch mit Kleidung aus Pappe, die man auf den Puppen befestigen konnte – natürlich waren meine nicht lebensgroß
.
Fantasieanregend das Bild «Was ich sah an einem klaren Tag» von Antoon de Clerck von 1972.
Und ganz witzig «Fassade mit Fahrrad» mit echtem Fahrrad vor gemalter Fassade von Joseph Willaert von 1968.
Es gibt noch eine Sonderausstellung in der es um die künstlerischen Verbindungen in der ersten Hälfte des 20. Jh. zwischen Belgien und Argentinien geht. Thema unter anderem das zweite Ostende, in Argentinien wurde 1910 am Atlantik ein Seebad gegründet, das den damaligen Stil des belgischen Ostende nachahmen sollte, leider war der Erfolg nur von kurzer Dauer, der Atlantik ist noch unerbittlicher als die Nordsee, der Ort (der hauptsächlich aus einem großen Hotelkomplex bestand) wurde nach und nach immer mehr vom Sand verschluckt, teilweise mussten die Gäste nach einem Sturm ihre Zimmer über die Fenster verlassen und betreten, weil der Sand so hoch lag, dass die Türen nicht mehr geöffnet werden konnten.
Zum Mittagessen habe ich mir die «Grote Post» ausgesucht, das ehemalige Postgebäude wurde 1945 vom gleichen Architekten wie das Gebäude des Mu.Zee gestaltet. Bis 1998 wurde es von der Post genutzt, nun ist es ein Kulturzentrum mit verschiedenen Räumen, beim Eintreten steht man direkt in der praktisch original erhaltenen Schalterhalle, von dort geht es unter anderem in das Restaurant. Fotos habe ich weder von außen noch von innen gemacht, es waren zu viele Leute da (im Internet kann man sich das z.B. auf Wikipedia anschauen). Die Atmosphäre gefällt mir richtig gut, es sind Gäste aller Altersgruppen da, Einzelne, Familien, Gruppen, Paare, manche sind noch beim Brunch, andere wie ich, essen zu Mittag, im Nebenraum ist eine gut besuchte Art Messe für Science-Fiction Bücher (leider alle auf niederländisch).
Ich bestelle einen Chai Latte und einen «Vol au Veggie» (EUR 24,10), Vol meine ich, ist eine Art Eintopf, im Detail lasse ich mich überraschen. Es kommt dann eine sehr leckere Champignon-Lauch-Suppe mit Rucola-Rote-Beete-Salat und – eine Schale mit Pommes. Ich bin mir nicht sicher, ob die Pommes zu der Suppe gegessen werden sollen, ich esse sie danach und wenn es auch eher eine für mich ungewöhnliche Kombination ist, sorgen die Pommes mal wieder dafür, dass ich richtig satt werde.
Nach dem Essen fahre ich mit der Tram in südwestlicher Richtung bis in den Ort Middelkerke. Ich klettere auf den 20 m hohen Warande Turm von wo man auf die hinter dem Deich unglaublich dicht an dicht stehenden Ferienhäuser aller Größen und Wohnwagen bzw. Wohnmobile blickt, sowie auf die Hochhäuser von Middelkerke und dem Nachbarort Westende. Auch einige Skulpturen kann man schon sehen.
Die schaue ich mir nun genauer an, als erstes «Caterpillar & Flatbed Trailer» von Wim Delvoye, trotz der wohl Originalgröße sehr filigran – der Künstler will ermahnen, in Zukunft etwas vorsichtiger beim Ausbau der Küste zu sein (wohl vergebens, wenn ich all die Baustellen mit noch mehr Apartmenthochhäusern sehe
).
Weiter geht’s mit «Olnetop» von Nick Ervinck, ein digital millionenfach vergrößerter Wassertropfen (das sind mehr als 8 Meter Höhe und erinnert an die Wellen der Nordsee)
und «I can hear it» von Ivars Drulle.
Ich spaziere am Strand entlang weiter bis Westende,
hier befindet sich das «Navigator Monument» vom dänischen Künstler Simon Dybbroe Møller, das Logo des ehemaligen Internetbrowsers Netscape Navigator – der Künstler weist damit auf die hier in der Nordsee liegenden unterseeischen Kommunikationskabel hin.
Dann steige ich wieder in die Straßenbahn und fahre bis De Panne, dem letzten Ort vor der französischen Grenze. Im Dumont Viertel stehen genauso hübsche Cottage Stil Häuser wie in De Haan, hier in De Panne ist das allerdings auf ein Stadtviertel beschränkt, im Rest der Stadt stehen die üblichen Hochhäuser. Ich sehe einige Leute, die Taschen und Koffer aus den Häusern zu ihren Autos tragen, ja, es ist Sonntagnachmittag und die Wochenendurlauber müssen sich auf den Heimweg machen, ich freue mich, dass mein Urlaub noch ein paar Tage dauert.
Ich kann mich wieder mal nur langsam von den «Cottages» trennen, meine Lust auf Kaffee bringt mich dann doch schließlich an die Strandpromenade,
wo ich in einem netten Café Latte Macchiato und eine Waffel (Waffel oder Pfannkuchen, darauf beschränkt sich oft die Auswahl an Gebäck in den Strandcafés) bestelle (EUR 10).
Nach der Pause spaziere ich am Strand entlang in nordöstlicher Richtung. Ich komme an der Beaufort Skulptur «Die Drei Naseweise von De Panne» vorbei, sie soll an einen Leuchtturm erinnern.
Ich gehe noch bis zum nächsten Ort, St. Idesbald weiter und nehme hier die Tram zurück nach Ostende. Irgendwo auf der Strecke, ich meine in Westende, kommt an einer Haltestelle eine Durchsage des Schaffners, natürlich für mich unverständlich auf Niederländisch. Daraufhin stehen alle Fahrgäste auf und verlassen die Tram, das mache ich dann auch. Draußen frage ich eine Passagierin, was los ist, sie sagt, es habe im weiteren Verlauf der Strecke einen Unfall auf den Schienen gegeben, so dass keine Tram mehr fahren kann, wir müssen hier auf einen Ersatzbus warten.
Nur gut, dass ich keine Termine habe (z.B. einen Zug am Bahnhof Ostende erwischen muss) und es weder kalt noch nass ist, denn es dauert. Ich überlege, ob ich nicht zu Fuß gehen soll, das wäre aber deutlich zu weit, es geht ja schon auf 18 Uhr zu.
Der erste Bus fährt dann an unserer Haltestelle vorbei, da er schon voll ist, irgendwann kommt dann aber doch ein Bus mit Platz für uns und so komme ich gegen 18.30 Uhr in Ostende an. Auf dem Weg von der Haltestelle zum Hotel mache ich noch einen Stopp im Spar Supermarkt (auch sonntags geöffnet), wo ich mir fürs Abendessen ein Sandwich kaufe und frisches Wasser.
Wetter: leicht dunstig, teilweise bewölkt, kaum Wind, ca. 2 - 12°C
Strecke zu Fuß: 6,89 km + Spaziergang durch De Panne und von De Panne nach St. Idesbald (vergessen aufzuzeichnen, ca. 2 km)