7. Tag – Donnerstag, 25.11.
Gegen Viertel nach sechs werde ich von einem ohrenbetäubenden Lärm, der nicht aufhören will, geweckt – och nö, Feueralarm. Jetzt erwischt es mich also doch noch, ich hatte schon in den Bewertungen gelesen, dass (Fehl)Feueralarme relativ häufig vorkommen und ironischerweise hingen erst gestern Abend überall neue Hinweisschilder, dass es verboten ist, elektrische Kochplatten auf den Zimmern zu verwenden (am Wasserkocher klebt ein Zettel, dass nur Wasser eingefüllt werden darf und an der Mikrowelle wird darauf hingewiesen, dass man das Gerät bei Rauchentwicklung sofort abschalten soll).
Ich schaue aus dem Fenster und dann zur Türe hinaus, ob irgendwo Rauch oder Feuer zu sehen ist, nein, also kann ich ohne Hektik etwas einigermaßen vernünftiges Anziehen, draußen sind schließlich Wintertemperaturen. Meine Tasche mit den Wertsachen packe ich eh schon immer abends nach den Reisenotizen und der Planung für den nächsten Tag, da muss noch mein Handy dazu, dann gehe ich (natürlich mittels Treppe) die drei Stockwerke nach unten und komme irgendwo an der Seite des Hotels ins Freie. Vor dem Haupteingang stehen schon mehrere Feuerwehrautos und Feuerwehrmänner wuseln herum, aber es scheint zum Glück wieder nur ein Fehlalarm zu sein, das Personal ist hinter dem Rezeptionstresen geblieben und einige Gäste sitzen in der Lobby. Dorthin gehe ich dann auch und recht bald schon hört der Alarm auf, die Feuerwehrleute verlassen das Haus und das Personal teilt mit, dass man wieder auf die Zimmer könne. Ich fahre mit zwei Mädels im Aufzug nach oben, eine erzählt, dass sie schon seit ein paar Wochen hier wohnt und es in jeder Woche einen Fehlalarm gegeben hat, da läuft meiner Meinung nach etwas falsch, so häufig dürfte das nicht vorkommen. Ich vermute, dass es damit zusammenhängt, dass ein Großteil (? zumindest gefühlt) der Zimmer/Studios an Bauarbeiter aus Osteuropa vermietet sind, die jeden Tag mit Kleinbussen vom Hotel zur Baustelle transportiert werden und auch die Wochenenden hier verbringen, die, verständlicherweise, bei so einem langen Aufenthalt nicht mit Mikrowelle und Wasserkocher zufrieden sind, sondern mit den auf den Hinweisschildern erwähnten elektrischen Kochplatten kochen, gestern abend ist einer mit großen Flasche Sonnenblumenöl durch die Lobby gelaufen. Na ja, ich bin nur froh, dass es erstens ein Fehlalarm war und zweitens es nicht passierte, als ich gerade unter der Dusche stand

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Nochmal ins Bett gehen lohnt sich nun nicht mehr, ich dusche und frühstücke und um Viertel nach acht spaziere ich nochmal in Richtung Fisketorvet Mall und von dort am Kanal weiter nach Süden durch das Wohngebiet, wo auch Hausboote liegen. Eine sehr interessante Gegend, man könnte noch ein gutes Stück weitergehen, aber ich habe noch ein paar andere Punkte für meinen letzten Besichtigungstag auf dem Zettel stehen.
Daher gehe ich zurück Richtung Hotel und zur dortigen S-Bahnstation. Meine Copenhagen Card gilt heute leider nicht mehr (maximale Dauer sind fünf Tage), daher kaufe ich am Automaten eine Tageskarte für heute (EUR 10,76).

Mit der nächsten S-Bahn fahre ich dann in Richtung Farum, also nach Nordwesten bis zur Station Emdrup. Ich möchte zur Grundtvigskirche im Stadtteil Bispebjerg, den Google Maps Ausschnitt habe ich mir ausgedruckt, da ich mich hier außerhalb des Bereichs des Stadtplans meines Reiseführers befinde. Es hat inzwischen angefangen zu regnen, eine ganze Woche ohne Regen wäre für November und Kopenhagen auch ein wenig zu viel verlangt. Irgendwie komme ich schon bald völlig vom Weg ab und bin mir nicht mehr sicher, in welche Richtung ich gehen muss. Ich frage einen jungen Papa, der mit dem Kinderwagen spazieren geht, der mal wieder sehr hilfsbereit ist, perfektes Englisch spricht und mir auf seinem Handy den Kartenausschnitt der Gegend zeigt und gleich zwei mögliche Wege erklärt, den kürzeren und den, der einfacher zu merken ist.
So komme ich tatsächlich noch zur Kirche und werde, als ich um die Ecke biege und sie zum ersten Mal sehe, fast erdrückt, obwohl ich natürlich schon Bilder gesehen habe. Aber Größe, Form und Farbe der Kirche führen zusammen mit dem Regenwetter zu einer irgendwie unheimlichen Stimmung.
Die Kirche wurde zwischen 1921 und 1940 gebaut, entworfen vom Architekten Peder Klingt und benannt nach dem dänischen Philosophen und Pastor Grundtvig. Im expressionistischen Gebäude mit neugotischen Stilelementen haben 1800 Menschen Platz. Baumaterial ist hauptsächlich ein gelblicher Ziegel (6 Millionen Stück davon wurden verbaut), der in Dänemark häufig verwendet wird und die umliegenden Wohnhäuser wurden zusammen mit der Kirche aus denselben Ziegeln gebaut, um die Wirkung der Kirche noch zu vergrößern.
Der Innenraum ist völlig schlicht gehalten und auch wenn mir an sich schlichte Kirchen gut gefallen, ist es hier drinnen ähnlich unheimlich wie draußen vor dem Turm der Kirche. Wenn die Sonne hereinscheinen und einige weitere Besucher da wären, würde der Eindruck sicherlich anders sein.
Auf dem Rückweg zur S-Bahn Station stelle ich fest, dass ich auf dem Hinweg tatsächlich in die völlig falsche Richtung gegangen bin

und der Weg zur Kirche dadurch mehr als doppelt so lange wurde.
Mit der S-Bahn fahre ich zurück in die Innenstadt bis zur Station „Nørreport“ und gehe von dort in den Stadtteil Nørrebro, wo ich bisher noch nicht war. Nørrebro ist von der Altstadt durch eine Reihe von (Jahrhunderte alten) Stauseen getrennt, die auf mehreren Brücken überquert werden können. Eine bei schönem Wetter wunderbare Gegend, man kann beidseitig an den Ufern der Seen entlangspazieren, aufgrund des Regenwetters und der damit verbundenen feuchten Kälte heute, mache ich aber nicht mal ein Foto von der Brücke herunter (was mich nachträglich mal wieder ärgert), sondern gehe ohne Stopps bis zu meinem nächsten Ziel, dem „Mærsk Tower“. Wie der Name schon sagt, wurde auch dieser Turm, wie die Oper, vom reichsten Dänen Arnold Mærsk Mc-Kinney Møller (bzw. dessen Stiftung) finanziert. Er ist Teil der Universität von Kopenhagen, genauer gesagt befindet sich dort die medizinische Fakultät. Das 75 Meter hohe Gebäude wurde 2017 fertiggestellt, die braunen Lamellen sind aus Kupfer und beweglich, so dass sie als Sonnenschutz dienen können. Der Turm ist für jedermann zugänglich und der Blick aus dem obersten Stockwerk soll lohnenswert sein, aufgrund des Regenwetters verzichtet ich aber darauf, die Sicht wäre doch extrem bescheiden und ich habe ja schon jede Menge Ausblicke von oben gehabt.


Nach einem Blick auf die neben dem Turm stehende Sankt Johannes Kirke, gehe ich zurück in Richtung Bahnhof „Nørreport“.
Direkt daneben sind seit 2011 die Torvehallerne (Markthallen), im Freien und verteilt auf mehrere gläserne Gebäude befinden sich Marktstände und Selbstbedienungsrestaurants mit Sitzplätzen. Ich entscheide mich für das „Palao“ – der Burger mit allen möglichen Extras an Käse und Bacon sowie die Fries sind sehr lecker, das gilt auch für den Smoothie aus Spinat und Ingwer. Mit EUR 34,16 ist es allerdings nicht ganz günstig, vor allem wenn man bedenkt, dass man aus Plastik bzw. Pappe isst und trinkt und sich alles selbst am Tresen bestellt und abgeholt hat.

Nach dem Essen fahre ich von der Station „Nørreport“ in den westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil Frederiksberg. Hier besuche ich das Bakkehusmuseet (EUR 10,09). Dieses Haus gehörte der Familie Rahbek zu Beginn des 19 Jh., einem liberalen Künstlerehepaar, das Schriftsteller und sonstige Künstler regelmäßig zu sich einlud, zum diskutieren und sprechen über Kunst und Politik, ein „Künstlersalon“, wie das damals hieß. Zum Beispiel war Hans Christian Andersen ein häufiger Gast und wurde wohl von Kamma Rahbek zum ersten Mal als Dichter bezeichnet.
Ich mag solch kleine Museen, die einen Einblick geben in das Leben in früheren Zeiten, und genieße daher den Rundgang durch das im romantischen Stil eingerichtete Haus (überwiegend rekonstruiert, teilweise mit Original Möbeln).
Im oberen Stockwerk wird eine Sonderausstellung gezeigt mit dem Thema „Überwintern“ von Natur und Pflanzen.
Im Garten gibt es im Sommer ein Café, das jetzt im Winter leider geschlossen ist, man kann eben nicht alles haben, dafür musste ich mir das Museum nur mit zwei weiteren Personen teilen.
Inzwischen hat es aufgehört zu regnen, sogar die Sonne ist manchmal zu erahnen, daher spaziere ich durch den neben dem Bakkehus liegenden Schlosspark. Das sich dort befindliche Schloss Frederiksberg aus dem 18. Jh, wird heute als Königliche Militärakademie genutzt und kann daher nicht besichtigt werden.
Vom Park gehe ich zur nächsten U-Bahn Station und fahre nochmal ins Stadtzentrum bis zur Station „Marmorkirken“. Dort in der Nähe befindet sich das ehemalige Matrosen-, dann Sozialviertel Nyboder mit u.a. hübschen kleinen Häusern im Renaissance Stil (die orange-farbenen). Leider ist fast das gesamte Viertel eine Baustelle, bei näherem Blick auf die Häuser ist eine Modernisierung aber wohl auch dringend nötig.
Ich gehe zurück zur U-Bahn Station „Marmorkirken“ und fahre bis zur übernächsten Station "Gammel Strand". Nochmal am Weihnachtsmarkt auf dem Højbro Plads vorbei, gestern vormittag bin ich am anderen Ende gewesen und an der Skulptur „Generations lifting Generations“ von Svend Viig Hansen am Gammel Strand, gehe ich zum Sorte Diamant, im Café der Bibliothek möchte ich Kaffeepause machen.
Obwohl ich schon mehrmals hier vorbeigekommen bin, fällt mir erst jetzt eine weitere „alternative“ Meerjungfrau auf – die mir sehr bekannt vorkommt. Genau – die Skulptur ist von der Bildhauerin Anne Marie Carl-Nielsen und das Modell zur fertigen Skulptur habe ich gestern in der Ny Glyptotek gesehen.
Das Licht reicht jetzt um 16 Uhr gerade noch so für ein paar Fotos von der Meerjungfrau, dann gehe ich rein und bestelle Café Latte und einen Carrot Cake (EUR 11,30).
Eine halbe Stunde später, nun ist es schon dunkel, nur der Himmel in Richtung Westen ist noch erleuchtet, spaziere ich den mir nun schon vertrauten Weg am Wasser entlang zurück in Richtung Hotel bzw. Fisketorvet Mall. Die beleuchteten Gebäude sehen so toll vor dem Sonnenuntergangshimmel aus, da hätten sich ein paar Fotos mit Stativ gelohnt, leider liegt das Stativ aber im Hotel. Egal, mit der Nachtfunktion der Kamera gibt es auch ein paar schöne (wenn auch nicht ganz scharfe) Bilder.
Ich gehe nochmal in den Fotex um mir Brötchen und Käse (aufgeschnittene Wurst habe ich tatsächlich nicht gefunden) als Proviant für den morgigen Reisetag zu kaufen, dann geht’s zurück ins Hotel.
Wetter: vormittags bewölkt, meist Regen, nachmittags aufgelockert bewölkt, ca. 5°C