26. September Teil II Die Stadt des toten WassersHeute Abend wollen wir ins Restaurant zum Essen, Aigues-Mortes schien uns ein guter Ort dafür. Außerdem waren wir mit der Besichtigung noch nicht weit gekommen. Also rollern wir am späten Nachmittag nochmal dorthin.
Gegründet wurde die Stadt 1246 vom französischen König Louis IX, wegen seiner extremen Frömmigkeit später "der Heilige" betitelt. Er besaß damals keinen Zugang zum Mittelmeer und war daher auf italienische oder provenzialische Häfen angewiesen. Da er aber unbedingt an den Kreuzzügen teilhaben wollte, erwarb er ein Stück Sumpfland an der Mündung der Petit Rhône und errichtete dort einen befestigten Hafen. Der Name Aigues-Mortes (totes Wasser) spiegelt die wenig attraktive Lage in den ungesunden Sümpfen. Die eindrucksvolle Stadtmauer wurde erst von Sohn und Enkel vollendet. Bereits im 14. Jahrhundert begann der Hafen zu versanden und als 1481 die Provence an Frankreich fiel, wurde die Stadt aufgegeben.
Wir parken wieder an der Porte de la Gardette.
hinter'm Wall
Tour de Constance
war das erste Bauwerk, das Louis IX errichten ließ und als Wohn- und Leuchtturm nutzte. Ab dem 17. Jahrhundert war er dann ein Gefängnis, insbesondere für Hugenotten (frz. Protestanten). Die berühmteste Gefangene war eine Marie Durand, die mit 15 in Haft kam und 38 Jahren später dann begnadigt wurde. Sie soll das Wort
resister in die Wand geritzt haben. Es gibt eine Aussichtsplattform, von der man auch einen Teil der Stadtmauer begehen kann. Wir sind leider einen Tick zu spät dran für den letzten Einlass.
Schade, die Ausblicke auf die Marsch und die Salinen sollen schön sein.
Graben mit Brücke zum Turm
arg veralgt
Wir folgen der Stadtmauer also auf Straßenniveau bzw. außen.
südwestliche Ecke innen
Porte des Moulins
und Südmauer
Die Stadtmauer ist 11 m hoch und umschließt ein unregelmäiges Viereck: die Längseiten messen 496 / 567 m, die Schmalseiten 301 / 269 m. Sie soll 15 Türme haben und wir zählen 6 Tore. Ursprünglich gab es noch einen Burggraben, der wurde aber aufgeschüttet. Die Festung von Aigues-Mortes zählt zu den best erhaltenen Europas aus dem Spätmittelalter. Die Gassen innerhalb der Mauern sind rechtwinklig angelegt. Die Hauptachsen säumen allerlei Touristengeschäfte. Heute am Sonntag ist deutlich weniger los. Teils finde ich das angenehm, kein Gedränge; teils wirkt es aber auch etwas öde.
In einer der Gassen direkt an der Mauer fand ein Motorrad-Flohmarkt statt. Himmel, was gab es da an Schrott zu sehen
Aber irgendwen scheint es ja interessiert zu haben.
Herzstück ist der Platz Saint-Louis: nett mit Bäumen, Brunnen mit Statue des heiligen Königs und sehr viel Außengastronomie
Handybild von gestern
Ludwig, der Heilige
Mit seinen Kreuzzügen hatte er wenig Glück; beim ersten 1248 wurde er in Ägypten gefangen genommen und musste ein hohes Lösegeld zahlen. Beim zweiten 1270 kam er nur bis Tunis und starb dort an Ruhr oder Pest.
Vor lauter Tischen und Sonnenschirmen bemerken wir kaum die anliegenden Gebäude wie das Rathaus oder die Kapuzinerkapelle. Nur die alte Kirche Notre-Dame-des-Sablons ist kaum zu übersehen. Gestern war sie belagert von Hochzeitsgesellschaften, heute ist alles geschlossen.
Für Abendessen ist es noch etwas früh, daher beschließen wir das gesparte Eintrittsgeld in Aperitifs anzulegen
Die Loungebar des Hotel Remparts direkt an der Nordmauer machte einen netten Eindruck. Wir lassen uns also in den Sofas nieder und genießen unsere Pastis. Ich weiß nicht, ob der endgültige Sonnenuntergang das Signal war oder was anderes. Jedenfalls hören wir auf einmal lautes Vogelgezwitscher und hunderte von Piepmätzen kreisen um die Stadtmauer. Solch Schwärme haben wir noch nie erlebt. Außer vielleicht im Hitchcock-Film "Die Vögel", die hier blieben zum Glück friedlich.
Wir haben einige Speisekarten studiert; irgendwas vom Stier gibt es hier reichlich und überall. Kersten hätte lieber was traditionelleres
also von der Kuh und ich lieber Fisch. Wir kehren zurück zum Place Saint Louis und im Restaurant
La Citadelle ein bzw. natürlich an einen Tisch draußen. Ein Reiseführer schrieb schon, dass die Besitzer und Namen hier oft wechseln und Rezensionen daher schwierig sind. Bei google-Maps heißt es daher noch anders. Kersten nimmt "Faux Filet", was sich für mich irgendwie gefaked anhört
Tatsächlich ist es ein Sirloin Steak. Ich esse wieder Menue: als Vorspeise hatte ich Tomate-Mozarella bestellt, bekam aber Lachs-Carpaccio
Okay, war auch lecker. Und die gegrillte Dorade sowieso. Den Nachtisch Mousse au Chocolat mit Orangensauce haben wir geteilt.
Beim Rückweg habe ich mich noch mit Nachtfotos versucht.
rechts unser Restaurant
Route vereinfacht