7. Tag – Samstag, 08.06.
Wegen der eher bescheidenen Wettervorhersage und Peters Knieproblemen steht für heute eine Fahrt in den Ostteil der Insel mit mehreren kürzeren Besichtigungsstopps an.
Gegen 9.00 Uhr starten wir und erreichen eine knappe Stunde später die Teeplantage Chá Gorreana. Diese und die nicht weit entfernt liegende Plantações Chá Porto Formoso sind heute die einzigen Teeplantagen auf São Miguel, Gorreana die einzige, die ununterbrochen, nun in der fünften Generation, arbeitet. Es gab einmal 62 Teeplantagen auf der Insel, von der zweiten Hälfte des 19. Jh. als Nachfolge der Orangenplantagen, die durch Schädlingsbefall zerstört worden waren, bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs.
Auf Chá Gorreana wird auf einer Fläche von 45 ha jährlich 50-60 t grüner und schwarzer Tee produziert und hauptsächlich auf den Azoren verkauft, ein kleiner Teil geht auch in den Export.
Wir finden noch eine freie Lücke auf dem eher kleinen Parkplatz, allerdings sind auch zwei Touristenbusse da. Ein Teil der Insassen ist auf der Toilette, der andere Teil am Verkaufsstand (jeweils mit entsprechender Schlange davor), so dass wir bei unserem Rundgang durch die Produktionsräume zum Glück fast alleine sind. Der Tee wird hier ganz traditionell mit alten englischen Maschinen verarbeitet, leider gibt es keine Schilder mit Erläuterungen der Funktionsweise der Maschinen und auch keine Möglichkeit einer Führung. Aber es gibt eine Doku über die Azoren, die immer mal wieder im deutschen TV wiederholt wird und die wir erst vor einigen Wochen angeschaut haben, dort wird die Teeernte und die Produktion auf Gorreana gezeigt.
Nach der Innenbesichtigung machen wir einen Spaziergang durch die Teeplantage. Im Rother Wanderführer gibt es die Wanderung Nr. 30, die durch die Anbaufläche führt. Der folgen wir zunächst, allerdings geht es immer weiter und weiter bergauf und zwar steil, was an sich egal wäre, aber der Rückweg wäre alles andere als knieschonend und damit nicht das, was wir uns für heute vorgenommen haben. Auf halber Höhe wählen wir daher selber unseren weiteren Weg und sind nach ungefähr einer dreiviertel Stunde wieder zurück bei der Fabrik. Der An- und Ausblick auf und über die Teepflanzen ist wunderschön: das Grün und die welligen, gleichmäßigen Reihen. Der graue Himmel ist für die Fotos nicht so toll, aber gegen Ende kommt immerhin die Sonne hervor.
Wir schauen uns dann noch die unmittelbare Umgebung der Fabrik an
und probieren im Café / Verkaufsraum den (kostenlosen) Tee. Die Busse sind inzwischen alle weggefahren und so können wir Tee und jeweils ein Stückchen Gebäck in Ruhe genießen. Da es den Tee auch in den Supermärkten der Insel gibt, wollen wir dort welchen für zu Hause kaufen.
Gegen 11.45 Uhr fahren wir weiter in Richtung Osten auf der kurvigen Küstenstraße (es gibt auch eine Autobahn, die die tiefen Taleinschnitte mit hohen Brücke überquert und somit die Fahrzeit extrem verkürzt). Wir stoppen am Miradouro do Salto da Farinha. Der Aussichtspunkt liegt hoch über dem Meer und der Ausblick ist dementsprechend phänomenal. Man kann einen Wasserfall ganz in Ufernähe sehen, dorthin führt eine kleine Straße, die aber wieder mal so extrem steil ist, dass für Peter ein Abstieg heute nicht in Frage kommt, ich überlege kurz, alleine zu gehen, aber dafür würde der Abstecher dann doch zu lange dauern.
Inzwischen ist es außerdem Zeit fürs Mittagessen, im Reiseführer wird das Restaurant Moagem im Örtchen Salga erwähnt, daher stoppen wir dort. Das Lokal existiert schon seit vielen Jahrzehnten, betrieben allerdings von wechselnden Besitzern. Dies deshalb weil sie, wie so viele Azoreaner zum Teil nach USA, zum Teil nach Kanada auswanderten in der Hoffnung auf bessere wirtschaftliche Verhältnisse, dann aber doch nach einigen Jahren wieder zurückkehrten, weil sie die Heimat vermissten, wieder zu Hause aber feststellten, dass es dort nicht mehr so war, wie in ihrer Erinnerung und sie deshalb nach einigen Jahren wieder in die USA/Kanada gingen. Und so geht das Lokal von Besitzer zu Besitzer, von Auswanderwilligen zu Rückkehrern.
Von außen nicht zu erkennen ist, dass es sich beim Restaurant heute um eine Pizzeria handelt, nicht gerade das, was wir auf den Azoren essen wollen, aber da wir nun mal da sind, gibt es eben Pizza. Die Einrichtung des Restaurants ist typisch azoreanisch, sehr spartanisch, großer Fernseher an der Wand, dort laufen amerikanische Soaps und TV Shows. Außer uns ist noch ein Urlauberpärchen dort, die setzen sich auf die Terrasse, die sich, vermutlich mit schönen Blick auf die Küste, hinter dem Haus befindet. Essen und Getränke müssen sie aber selbst hinaustragen, wir bleiben deshalb drinnen. Zum Essen draußen sitzen und dann auch noch mit Blick auf die Landschaft und nicht auf die Straße ist nichts, was die Azoreaner tun würden, die Restaurantterrassen, die es heute auf den Azoren gibt, wurden erst und nur für die Touristen gebaut. Wir teilen uns eine mittelgroße Pizza, dazu ein Wasser und eine Cola (EUR 10,50).
Nach dem Essen fahren wir weiter auf der Küstenstrasse und stoppen an zwei weiteren Aussichtspunkten – die grünen Klippen, das blaue Meer und die vielen Blumen sind immer wieder schön anzuschauen.
Nächster Halt ist an der Einsiedlerkapelle Nossa Senhora do Pranto, auch hier wieder wunderschön angelegte Blumenbeete.
Gegen 15 Uhr erreichen wir Nordeste, mit gerade mal 1300 Einwohnern Kreisstadt und größte „Stadt“ im Nordosten der Insel. Nach unserem Spaziergang durch das hübsche, sehr ruhige Örtchen trinken wir je einen Galão und teilen uns eine Quejada (alles zusammen EUR 3,00).
Ein Stückchen südlich von Nordeste steht der Leuchtturm am Kap Ponta do Arnel. Anders als der Leuchtturm im Westen der Insel, den wir am Mittwoch besucht haben, steht dieser hier ziemlich spektakulär am Rande einer Klippe und unterhalb an der steilen Felswand gibt es noch einige Häuser und am Meer einen kleinen Fischerhafen. Auf den Weg zum Leuchtturm und weiter zum Hafen verzichten wir bei einer Straße mit 25% Gefälle aus den schon bekannten Gründen heute, einen wunderbaren Blick hat man aber von einem kleinen Aussichtspunkt Miradouro da Vista dos Barcos nochmal ein Stückchen südlicher.
Nochmal ein paar Kilometer weiter die Küstenstraße entlang erreichen wir den Miradouro da Ponta do Sossego. Aussichtspunkt ist untertrieben, es handelt sich um einen Park mit vielen Pflanzen, Picknick- und Grillstellen, Toiletten und Spazierwegen – und natürlich ist auch die Aussicht fantastisch.
Auf dem weiteren, sehr kurvigen Weg in Richtung Süden passieren wir noch weitere Aussichtspunkte, wir müssen aber nun doch ein bisschen schneller vorankommen, der Weg bzw. die dafür benötigte Zeit bis nach Hause ist noch lang. Wir stoppen daher nur noch ein weiteres Mal, jetzt schon mit Blick auf die Südküste.
Bis wir ca. 30 km vor Ponta Delgada wieder die Autobahn erreichen, zieht sich die Fahrt extrem, die Straße ist schmal und kurvig, man durchquert die Ortszentren von Povoação (die „Kreisstadt“ des Südostens, auch hier wäre ein Stopp lohnenswert, ist aber zeitlich nicht mehr möglich) und Furnas (wo wir am Donnerstag waren), was zusätzlich zeitaufwändig ist.
Was für eine Wohltat auf der Autobahn zu fahren, geradeaus, ohne schalten zu müssen, ohne Kühe oder Pferdegespanne oder extrem langsame Touristenautos vor uns. Wobei die Strecke zeitweilig sehr schön war, durch Wald oder mit Ausblicken auf die Küste führte, aber irgendwann reicht es.
Gegen 18 Uhr erreichen wir Ponta Delgada, wo wir noch kurz im Supermarkt unsere Vorräte aufstocken, um 19 Uhr sind wir dann wieder zurück in der Ferienwohnung.
Zum Abendessen gibt es jeweils einen Becher Nudeln und um 20.00 Uhr machen wir, heute wieder gemeinsam, einen Spaziergang durchs Dorf und zur Küste, heute zur Stelle mit den Naturpools, wo Felsen im Wasser wie Krokodilrücken wirken.
Passend zur den Erläuterungen des Reiseführers über die Zerrissenheit vieler Azoreaner zwischen USA/Kanada und den Azoren (im Zusammenhang mit dem heute Mittag besuchten Restaurant), sehen wir oberhalb des Strands ein Haus mit kanadisch-portugiesischer Flagge im Garten.
Wetter: überwiegend bewölkt, kurze sonnige Abschnitte, ca. 20°C