4. Tag – Sonntag, 20.01.
Passend zum Sonntag scheint heute die Sonne schon von morgens an. Gegen 9 Uhr gehe ich den üblichen Weg von der Ferienwohnung über die Scalzi Brücke zur Vaporetto Haltestelle „Ferrovia“.
Dort warte ich mit vielen Asiaten auf die Linie 4.2, mit der ich zur Insel Murano fahren möchte. Bei der Fahrt durch die Lagune sehe ich „Stehruderer“. Wie ich erst nach der Reise in einer Doku über Venedig erfahren habe, ist diese Ruderart eine Besonderheit von Venedig, es gibt viele Vereine, wo man diesen anstrengenden Sport ausüben kann und es finden auch Wettkämpfe statt.
Die Fahrt nach Murano dauert ca. 30 Minuten, ich verlasse das Boot an der ersten Haltestelle der Insel und mache einen Rundgang. Hier ist es schon fast dörflich, irgendwie Venedig im Kleinformat mit wesentlich mehr Platz zwischen den Häusern. In Murano gibt es viele Glasbläsereien, auf dem Hauptplatz ist dazu passenderweise ein Weihnachtsbaum aus Glas zu bewundern.
Ich gehe ins Glas Museum, der Eintritt ist in meinem City Pass enthalten. Ich habe das Museum fast für mich alleine, ein unbedingtes Muss ist es allerdings nicht, es gibt einige sehr schöne Gegenstände aus Glas und man erfährt etwas über die Geschichte und Entwicklung der Glasherstellung, außerdem gibt es einen netten Innenhof, auf einer der Bänke im Schatten kann man im Sommer sicherlich eine schöne Pause verbringen.
Ich mache ich auf den Weg zurück zur Wasserbushaltestelle, dabei komme ich an einem Supermarkt vorbei, der auch heute am Sonntag geöffnet hat. Praktisch, da kann ich mir noch schnell frisches Wasser kaufen. So schnell geht das dann aber nicht, der Laden ist gut gefüllt, hauptsächlich mit älteren Bewohnerinnen von Murano, die wohl fürs sonntägliche Mittag- oder Abendessen einkaufen und ein Schwätzchen mit der Kassiererin darf dabei natürlich nicht fehlen. Bei uns lässt man ja Leute, die nur ein, zwei Sachen zu bezahlen haben, meist vor, dies ist hier scheinbar nicht üblich und so bin ich im Supermarkt fast genauso lange wie im Museum.
Dann noch ein kurzer Blick auf und in die Basilica Santi Maria e Donato, ich sehe nochmal ein Boot mit Stehruderern und warte dann an der Haltestelle „Faro“ auf den Wasserbus 12 nach Burano.
Gegen 11.20 Uhr legt das Boot ab, es ist bis auf den letzten Stehplatz voll, natürlich hauptsächlich Asiaten. Ich bekomme keinen Sitzplatz mehr und auch der Stehplatz ist eng begrenzt und so zieht sich die ca. halbstündige Fahrt ziemlich in die Länge. Gleich an der ersten Haltestelle „Mazzorbo“ steige ich aus – nichts wie raus aus dem Gewühl! Mazzorbo ist eine kleine Insel, die mit Burano durch eine Brücke verbunden ist. Ein schöner ländlicher Spaziergang nach Burano ist das mit Blick auf die Lagune und zur Insel Torcello, die ich heute auch noch anschauen möchte. Dann geht es vorbei am Hafen (die Kirchtürme Venedigs sind in der Ferne zu erahnen) in den Ortskern von Burano.
Was für Murano die Glasherstellung war, war für Burano die Spitzenstickerei. Außer viel Spitzendeckchen und Co. in den Souvenirläden (und einem Stickerei Museum) ist davon heute aber nichts mehr zu sehen, vielmehr ist Burano wegen seiner bunten Häuser bekannt. Und es ist wirklich richtig bunt. Die einzige Ähnlichkeit zu Venedig sind hier die Kanäle, deren Wasser erfreulicherweise wesentlich ruhiger ist, als in Venedig, so dass es schöne Spiegelungen gibt.
Ich schlendere durch den Ort, genieße die Sonne und Wärme und natürlich die bunten Farben. Allerdings scheint Burano auch ein „Muss“ für asiatische Venedig Besucher zu sein, hier stören sie mich noch mehr als in Venedig, weil man fast nur noch asiatische Gesichter sieht. Das hat dann tatsächlich schon was von einem Disneyland (obwohl die Häuser von Burano schon „immer“ bunt waren, den Grund dafür kann man nicht so genau ermitteln, wahrscheinlich damit die Insel von ihren Fischern im Nebel besser gesehen werden konnte). Was mir auffällt ist, dass es über fast jeder Haustüre ein kleines Vordach gibt und darunter eine gebogene Stange, an der oft ein Vorhang hängt, mal offen, mal geschlossen. Vielleicht bleibt im Sommer die Haustüre wegen besserer Luftzufuhr offen und mit dem Vorhang verhindert man, dass die Vorbeigehenden ins Haus schauen können. Außerdem steht oder hängt bei vielen Häusern neben der Haustüre ein Besen und ein Wischmop, manchmal auch noch ein Eimer, keine Ahnung ob die immer dastehen oder ob Sonntagvormittags geputzt wird.
Zwischendrin gibt es Mittagessen, eine Portion Spaghetti Carbonara (zusammen mit einem Mineralwasser EUR 16,50) und gegen 13.30 Uhr bin ich dann wieder an der Vaporetto Haltestelle (jetzt die auf Burano, nicht Mazzorbo), von wo aus ich mit der Linie 9 nach Torcello fahre. Hier ist außer mir nur noch eine italienische Familie an Bord und ich habe einen bequemen Sitzplatz. Diese Fahrt dauert aber nur wenige Minuten, dann erreiche ich die Insel, die als erste (also vor der Insel auf der das heutige Venedig liegt) innerhalb der Lagune besiedelt wurde und zwar schon im 7. Jh. Im Mittelalter wanderten aber alle Bewohner ab (es ist bis heute nicht ganz klar, weshalb) und heute besteht Torcello hauptsächlich aus Natur und einem großen Kirchenkomplex.
Von der Vaporetto Haltestelle führt ein idyllischer Weg direkt an einem Kanal entlang – ach ist das herrlich ruhig hier, kaum andere Leute und schon gar keine Asiaten, Torcello scheint in deren Reiseführern nicht aufgeführt zu sein.
Ich komme an einem wunderbar gelegenen Landgasthof vorbei, hier würde ich mich ja direkt in den Garten setzen und einen Kaffee trinken, aber obwohl ein Schild anzeigt, dass geöffnet ist, ist kein einziger Gast zu sehen, daher gehe ich dann weiter.
Kurz darauf erreiche ich dann die Piazza di Torcello mit der Chiesa Santa Fosca, dahinter der Basilica Santa Maria Assunta und dem dahinter frei stehenden Campanile.
Ich kaufe ein Kombiticket für Basilika und Turm (EUR 9) und schaue mich zunächst in der Basilika um. Hier befinden sich byzantinische Goldmosaiken ähnlich denen im Markusdom. Wie auch im Markusdom darf man in der Basilika nicht fotografieren, außerdem wird ein großer Teil der Mosaiken (das wandfüllende Weltgerichtsmosaik) gerade restauriert und ist daher leider kaum sichtbar. Dennoch eine lohnenswerte Besichtigung.
Wesentlich schöner und interessanter für mich ist aber die Besteigung des Campanile. Ich liebe Blicke von oben auf Städte oder Landschaft und so bin ich natürlich froh, dass der Turm geöffnet hat. Der Aufstieg ist sehr angenehm, erst ganz zum Schluss gibt es ein paar Treppen, bis dahin geht man ziemlich bequem auf einer breiten Rampe, die sich nach oben windet.
Der Blick von oben über die Lagune ist herrlich, gute Fotos sind allerdings leider kaum möglich, da die offene Aussichtsplattform von einem Metallgitter umgeben ist, in das zwar größere Lücken zum Fotografieren geschnitten wurden, für die der Durchmesser meines Objektivs aber zu groß ist. Außerdem liegen Burano und Venedig im Gegenlicht.
Wieder unten angekommen, spaziere ich noch ein wenig durch die Salzwiesen hinter dem Kirchenkomplex und gehe dann zurück zur Vaporetto Anlegestelle.
In Burano muss ich umsteigen – hier wartet eine riesige Menschenmenge auf das Schiff zurück nach Venedig, überwiegend Asiaten, aber auch recht viele italienische Familien, die den schönen Sonntag (oder das ganze Wochenende?) auf Burano verbracht haben. Das Vaporetto ist natürlich mehr als voll, ich habe aber das Glück für die lange Fahrt einen Sitzplatz zu bekommen.
Gegen 17 Uhr bin ich wieder in der Ferienwohnung und mache eine Kaffeepause. Um 18 Uhr nehme ich das Vaporetto zum Markusplatz, ich möchte mal schauen, wie die Beleuchtungssituation dort ist, ob es sich lohnt an einem anderen Abend mit dem Stativ wiederzukommen.
Nach meiner nächtlichen Fahrt auf dem Canal Grande am zweiten Abend habe ich es schon befürchtet, auch der Markusplatz ist, abgesehen von den Straßenlaternen und einem Teil der Arkadengänge, nicht beleuchtet. Die Spitze des Campanile versinkt in der Dunkelheit und der Markusdom ist auch nicht richtig zu sehen. Wirklich schade, dass sich die Stadt da nicht mehr Mühe gibt. Ich mache ein paar Bilder aus der Hand und fahre dann zurück zur Ferienwohnung mit einem Zwischenstopp im Supermarkt, wo ich noch etwas fürs Abendessen einkaufe.
Wetter: überwiegend sonnig, ca. 1 - 6 °C