Samstag, 9. Juni 2018Um 6 Uhr klingelte das Handy zum Wecken. Nacheinander gingen wir in das Bad und machten uns fertig. Alles war vorhanden wie in einem Hotel. Duschgel etc. und Handtücher ebenso wie ein Fön. Ob das in den anderen Kategorien auch so ist? Pünktlich standen wir drei noch reichlich müde vorm dem „North Sea“. In diesem Restaurant sollte es das für die Commodore Cabins inkludierte Frühstück geben. Aber es war geschlossen. Es stellte sich heraus, dass wir eine Stunde zu früh dran sind. Och menno, wir hätten doch gerne noch eine Stunde länger geschlafen!
Ich hatte irgendwo gelesen, dass an Bord „unsere“ Zeit gelte. Aber scheinbar stimmte das zumindest auf dem Weg nach Newcastle nicht. Es war also nicht 7:30 sondern 6:30Uhr. Hiker und ich gingen ein wenig nach draußen, Heiko zurück in die Kabine. Wir verbummelten die eine Stunde und dann gab es endlich Happahappa. Wir gaben am Eingang unsere Voucher ab und durften uns einen Platz aussuchen. Die Plätze am Fenster waren alles 2er Tische. Dort hätte ich gerne gesessen, aber Heiko war froh, dass die 4er Tische mehr im Inneren lagen. Es ging ihm nicht gut. Und auch wenn er wohl geschlafen hatte, so war der Schlaf nicht erholsam gewesen.
Das Buffet ist reichhaltig. Es gibt die englische Variante mit Ei, Würstchen, Bohnen und so weiter ebenso wie Brot, Brötchen, Marmelade, Käse, Schinken, Lachs und auch Müslis, Obst und Joghurt. Dazu verschiedene Säfte, Mich, Kaffee und Tee.
Die Atmosphäre im Restaurant war sehr angenehm und vor allem ruhig. Sooo viele Commodore Kabinen gibt es nicht und denen war das Frühstück hier vorbehalten. Also kein laut grölender Kegelverein, Junggesellenabschied oder Schulklassen.
Nachdem wir gefrühstückt hatten, packten wir noch die letzten Sachen zusammen und warteten auf den Aufruf, zum Auto zu gehen.
Der kam dann irgendwann und keiner der beiden mich begleitenden „ Herren“ hörte auf mich, denn ich sagte immer wieder, dass der eingeschlagene Weg nicht zum Auto führen würde. Es stünden doch überall Nummern dran und dort war nicht unsere. (wir hatten 56 oder so). Prompt standen wir auf dem falschen Parkdeck, also wurde doch meine Strategie verfolgt. Männer!
Aber meine Hektik war ebenso unbegründet, denn als wir am Auto ankamen waren wir noch nicht die letzten und außerdem mussten wir noch warten. Sehr lange sogar. Es kam irgendwann die Durchsage, dass es sich noch verzögern würde. Aha. Soweit ich das verstanden habe, gab es wohl ein technisches Problem. Als es dann endlich losging, sahen wir, dass es auf der Nachbarspur einen Auffahrunfall gegeben hatte. Ob der nun Schuld an der Verzögerung war, weiß ich nicht. Ich hatte schon oft von solchen Unfällen gehört und auch, dass Motoren nicht starteten, weil Licht angelassen wurde oder aus anderen Gründen die Batterie leergesaugt war. Bleibt einer stehen, dann die ganze Reihe hinter ihm und die Decks darüber dann auch.
Es ging also endlich runter und schon mussten wir uns schon wieder anstellen. Die Briten prüfen die Ausweise bei der Einreise. Die Motorradfahrer mussten ihre Helme abnehmen und und und. Es dauerte eine Weile, bis wir dran waren. Unsere Ausweise wurden geprüft (die hackten irgendwas in ihre Rechner) und wir konnten los.
Jetzt heißt es: Konzentration auf den Linksverkehr. Fieserweise kam sofort ein Kreisel. Der wurde gemeistert, nur um gleich in den nächsten zu fahren und in den nächsten und den nächsten… Uns wurde schon ganz schwummrig. Die Else vom Navi hörte gar nicht auf zu quatschen. Das ist hier echt Hardcore, zumal die meisten Kreisel hier mehrspurig sind und man sich je nach gewünschter Ausfahrt einordnen muss. Markierungen fehlten oft. Beinahe hätten wir deswegen einen Unfall gebaut. Aber nach ein paar Tagen war Heiko Profi im Kreiseln.
Dem Navi war erklärt worden, dass wir nach Jedburgh möchten. Nicht, dass wir dort die Abtei besichtigen wollten oder so. Nein, ich wollte unbedingt sicherstellen, dass wir die A68 nehmen. (Übrigens bedeutet das A nicht etwa Autobahn, nein größeren Straßen heißen alle so und sind im Prinzip wie unsere Landstraßen, manchmal aber zumindest in einer Fahrtrichtung zweispurig). Also die A68 sollte es deswegen sein, weil ich ein Foto am „Grenzübergang“ zwischen England und Schottland machen wollte und das sollte dort am schönsten sein.
Kurioserweise wurden wir nach den vielen Kreiseln auf einen Singletrack geführt. Boah, hier kommen ja alle britischen Besonderheiten gleich in der ersten Stunde! Eine winzige Straße, in der man rechts und links nur Weiden hatte und ab und zu Ausbuchtungen, damit man überholen lassen oder auch dem Gegenverkehr ausweichen kann. Es dauerte aber nicht lange und wir wurden wieder auf eine A-Straße geführt. Ich hatte schon befürchtet, dass wir ewig zur ersten Cottage brauchen würden, wenn das so weiter ginge. Geplante Fahrzeit war eigentlich 5 Stunden. Laut Google. Nun waren wir ja schon mit einer guten Stunde Verspätung vom Schiff gekommen, es drohte ein langer Tag zu werden.
Das Wetter war übrigens zunächst noch sehr trüb. Genauso wie gestern noch zu Hause. Ich hatte die letzten Wochen verfolgen können, dass in Schottland Hochsommer ausgebrochen war mit ungewöhnlich hohen Temperaturen und extrem wenig bis gar kein Regen. Und das im Mai! Und pünktlich beim Erreichen des Grenzsteins und des Willkommensschildes war Bombenwetter!
Heiko trägt schon die schottischen Farben Wir machten zig Fotos und an einem Imbisswagen holten wir uns einen ersten Snack. Eine deutsche Motorradgruppe kratzte die letzten Pfund zusammen, die einige von ihnen vom letzten Urlaub übrig hatten. Es reichte gerade mal für einen Becher Kaffee. Man spürte die Verzweiflung (die Jungs hatten wohl nicht auf der Fähre gefrühstückt), bis ich sie auf ein Schild hinwies: „We accept Euros“. Die „Jungs“ waren echt erleichtert und bestellten Kaffee und Kuchensnacks.
Früher hatte es hier an diesem Ort jemanden gegeben, der hier mit seinem Dudelsack stand und die Gäste in Schottland begrüßte. Der war aber vor ein paar Jahren gestorben und eine Gedenktafel am Grenzstein erinnerte an ihn. Was muss das für ein ergreifendes Erlebnis gewesen sein so empfangen zu werden! Ich glaube, ich hätte geheult wie ein Schlosshund.
Wir machten uns auf den weiteren Weg. Heiko merkte an, dass wir irgendwann tanken sollten, denn der Tank sei halbleer. Ich glaube, es war in Jedburgh, als wir an einer Tankstelle ankamen. Der Benzinpreis liegt in Schottland so ca. bei 1,30 bis 1,40GBP. In der Kostenkalkulation hatte ich 1,50€ veranschlagt, das kam dann ja in etwa hin. Ich rechnete immer 10% auf den Preis in Pfund drauf, um den Betrag in Euro zu erhalten. In den meisten Fällen war es uns aber sowieso egal, was ein Getränk, Brot, Käse oder ein Stück Obst kosteten. Es ist Urlaub! Seitdem ich in Schottland angekommen war, war ich glücklich und bekam das Grinsen die nächsten zwei Wochen auch nicht mehr aus dem Gesicht. Auf einen Schlag war das letzte sehr anstrengende Dreivierteljahr von mir abgefallen.
Wir befanden uns also an der Tankstelle und da tauchte zum ersten Mal ein Phänomen auf, was mir während der nächsten 2 Wochen immer wieder begegnete: Die Männer müssen aufs Klo. Natürlich ist es normal, wenn jemand mal pieseln muss, aber meine beiden Begleiter verspürten deutlich häufiger den Drang als ich. Und da sag mal jemand, wie Mädels müssten ständig aufs Klo! Nun entdeckten wir hier aber keine Toilette, aber nebenan war sowohl eine Art Ausflugslokal als auch ein riesiger Souvenir Shop. Diese Art von Souvenir-Shops kannte ich schon von 2009 und ich hatte damals dort sehr günstig 2 dicke Fleecejacken erstanden, wovon eine auch dieses Mal im Reisegepäck war.
Wir parkten also 50m weiter und gingen hinein. Und selbstverständlich fanden sich dort auch Toiletten. Wir machten Hiker auf ein Angebot von Fleecedecken aufmerksam, da er eine Kuscheldecke für abends auf dem Sofa oder auch draußen auf der Terrasse vergessen hatte einzupacken. Die meisten hatten schottisches Karomuster in verschiedenen Farben. Und wie es der Zufall will, waren die Decken im Angebot. Ich glaube, er hat 18 Pfund pro Decke bezahlt (er konnte sich nicht für eine entscheiden und hat gleich zwei gekauft).
So, jetzt wird es aber wirklich Zeit, dass wir weiter kommen! So langsam näherten wir uns dem Großraum Edinburgh, der Verkehr nahm zu und die Straßen hatten 2 Spuren je Fahrtrichtung. Und überall wurde geblitzt. Für uns aber kein Problem, da Heiko immer eher langsamer fuhr als die Höchstgeschwindigkeit vorgab. Zumindest glaubten wir das. Die Geschwindigkeit wird hier in Meilen angegeben und Dusty kennt nur Kilometer, also nutzen wir das Navi als Hilfe. Denn das gab ja auch die Geschwindigkeit an und war auf km/h eingestellt. Nun darf man sich natürlich nicht allein auf das Navi verlassen, aber gerade am Anfang half es bei der Umrechnung. Wir wähnten uns also auf der sicheren Seite, zumal wir auch regelmäßig von Fahrzeugen überholt wurden. Doch dann blitzte es. Und eigentlich kann es nur uns gegolten haben. Aber warum? Die anderen waren doch alle schneller! Wird man wegen Schleichens geblitzt? Wir haben auf jeden Fall verstanden, dass diese zahlreichen Blitzer bei überschrittener Durchschnittsgeschwindigkeit blitzen. Aber auch da können wir nicht zu schnell gewesen sein. Seltsam. Bis heute haben wir kein Ticket erhalten, aber das kann ja aus dem Ausland auch dauern. Auf jeden Fall beschlossen wir, uns nicht den Urlaub dadurch vermiesen zu lassen.
Wir wechselten nun mehrere Male die Autobahn (die mit „M“ für Motorway bezeichnet sind) und umfuhren so Edinburgh Richtung Norden. Plötzlich sah ich Bekanntes: Das Stirling Castle , die Kelpies, Wallace Monument… Ich war ganz aufgeregt. Aber wir fuhren ohne Stopp weiter. Wir kamen durch Callander, wo ich 2009 meinen ersten typischen schottischen Regenguss erlebt hatte (der war vorbei, bevor ich die Regenjacke an und die Kapuze aufgesetzt hatte). Wir erkannten so einiges wieder und mein Grinsen wurde noch breiter.
Die Straßen waren jetzt nur noch einfache Landstraßen und wir durchfuhren viele kleine Ortschaften, als es plötzlich immer dunkler wurde und wir in der Ferne ordentliche Regengüsse ausmachen konnten. Schon bald erreichten wir diese Gegend, es muss so bei Tyndrum oder Crianlarich gewesen sein. Und es goss. Es regnete wie verrückt. Und da in Schottland die Kanalisation irgendwie anders ist als in Deutschland, stand das Wasser regelrecht auf der Straße. Riesige und tiefe Pfützen. Wir unkten schon, dass wir beim“ Furten“ ein Rüssel für den Motor bräuchten… Aber wir hatten großen Spaß dabei, vor allem natürlich Heiko als Fahrer.
Das Wetter begleitete uns den Rest des Weges. Immer mal zwischendurch hörte es auf und durch die aufgerissene Wolkendecke zauberten Sonnenstrahlen wunderbare Farben am Himmel und auch auf die grünen Berge und Täler um uns herum. Es war einfach atemberaubend! Für ein Foto haben wir aber nicht angehalten.
Schon bald kamen wir nach Onich, wo unsere Unterkunft für die nächste Woche liegt. Wir hatten uns den genauen Weg schon bei Google Earth angesehen, aber Hiker hatte das Navi gut genug programmiert, so dass es uns sicher zu unserem Haus führte.
Die erste Überraschung war allerdings, dass es kein allein stehendes Haus für uns war. Damit hatten wir irgendwie nicht gerechnet. Es war eindeutig das Haus, wie es auf der Webseite zu sehen ist, aber es ist so geschickt fotografiert, dass man nicht sehen kann, dass es eine Art Reihenhaus ist. Aber welcher Eingang ist nun unserer?
Da wir den Wintergarten für uns reklamierten, wählten wir Tor 1 und bekamen…
…den Zonk. Nein, Quatsch. Die Tür ließ sich öffnen, der Schlüssel steckte innen im Schloss. Der Zonk aber befand sich außerhalb und zwar in Form von Midges. Schwärme von kleinen blutsaugenden Biestern fielen uns an, so dass wir sehr schnell unser reichliches Gepäck ins Haus luden. Trotzdem hatten wir jetzt schon einige Bisse.
Im Haus war alles so, wie auf der Webseite zu sehen ist. Da also keine weitere Mogelei. Der Ausblick war so grandios wie auf den Bildern und die Sofas im Wohnzimmer standen wirklich so seltsam in einer Reihe.
Wintergarten
In der oberen Etage befanden sich drei Schlafzimmer. Das eine (mit Badezimmer en suite) bekam Hiker, das mit dem Doppelbett ich und das mit den zwei Einzelbetten letztendlich Heiko. Auf der oberen Etage gab es ein weiteres Bad. Unten gab es noch eines, echter Luxus also.
Hikers Zimmer
Da es nun doch noch nicht sooo spät war, suchten wir einen Supermarkt heraus. Der war in Fort William und etwa eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Das Navi lotste uns dorthin und der Parkplatz war absolut leer. Und der Laden auch. Das war ein Geschäft, in dem man hauptsächlich Tiefkühlkost kaufen konnte. Die Auswahl war da zwar riesig, aber nicht ganz das, was wir suchten. Deswegen nahmen wir nur ein paar Getränke mit und suchten dann einen weiteren Supermarkt auf.
Dieses Mal war es ein Coop und direkt davor befand sich ein Geldautomat. Sowohl Hiker als auch ich zogen 250 Pfund. Irgendwie war ich in Experimentierlaune und wollte nun mal wissen, wieviel teurer es denn wohl ist, wenn man den Automaten in Euro abrechnen lässt statt in Pfund. Wie bekloppt muss man eigentlich sein? Ich gebe zu, ich habe nicht mit einer solchen Differenz gerechnet, bis wir ein paar Tage später feststellten, dass es sage und schreibe 30€ sind! Ich habe ja so mit 5€ gerechnet, aber doch nicht mit 30! Das sind satte 10% Aufschlag.
Wir gingen also einkaufen. Und zwar reichlich. Der Coop ist ein recht kleiner Laden und die haben mit uns kurz vor Feierabend noch mal ordentlich Umsatz gemacht. Es waren über 200 Pfund. Extra unseretwegen machten die eine weitere Kasse auf. Klar, waren ja auch zwei Einkaufswagen voll.
Dann ging es wieder zurück zu unserem Haus, der Einkauf wurde verstaut und wir planten den nächsten Tag. Dann wurde nur noch gechillt.