Do. 27.7.2017 Walupt LakeAm frühen Nachmittag geht es gegen halb zwei mit Kühlbox, Futter und Campingsachen im Gepäck gerade noch rechtzeitig los. Eine Stunde später hätte ich wahrscheinlich gnadenlos im täglichen Nachmittags-Stau vor den Columbia-Brücken gestanden. So habe ich nur ein wenig zähflüssigen Verkehr an der Auffahrt zum I-5 aber ansonsten bin ich schnell über den Fluß in Vancouver (nicht DEM Vancouver sondern dem anderen Vancouver), Washington (nicht DEM Washington, sondern dem anderen Washington). Bei schönstem Wetter geht es auf dem Freeway nach Norden. Die erste halbe Stunde sieht man zur Rechten noch Mt.St.Helens, dann gibt es links mal den einen oder anderen Blick auf den Columbia, aber im großen und ganzen ist es nur eine Strecke zum Vorankommen, nicht zum Geniessen. Die Strecke mitten durch den Gifford Pinchot wäre zur Anfahrt sicherlich reizvoller gewesen, aber auf den kleinen kurvigen Straßen kommt man kaum voran, so daß der große Bogen einmal um den National Forest herum fixer ist. Kurz vor Centralia geht es dann von dem Interstate runter und auf Highway 12 zwischen Mt.Rainier und Mt.St.Helens Richtung Osten. Da es viel Wald und kleinere Berge gibt, bekommt man auch auf dieser Strecke immer nur kurz mal Blicke auf die schneebedeckten Vulkane.
Da es im gesamten Gifford Pinchot keine Siedlungen und damit auch keine Tankstellen gibt (was in einigen Reiseberichten Leute, die den Mt.St.Helens vom Osten her besucht haben, gehörig ins Schwitzen gebracht hat) wird im Kaff Morton an der Strecke nochmal nachgefüllt. Regular für das Auto und ein Subway-Sandwich für mich. Immer wieder ein Erlebnis, wenn man in Washington selber an die Zapfsäule darf.
Dann geht es etwas weiter östlich auf die Forest Road 21. Das ist eine “Schotterautobahn”, von einigen Stellen mit ein wenig Waschbrett abgesehen kann, kommt man da ganz fix voran allerdings in den Kurven driftet man immer ein wenig, was das Tempo dann doch etwas limitiert. Und man sollte alle Schotten dicht machen, denn der Schotter staubt ganz gewaltig.
Ironischerweise wechselt nach gut 20 Meilen mitten in den Wicken der Belag wieder auf Asphalt und dann sind es nur noch knapp 10 Minuten und ich bin an meinem ersten Ziel angekommen: dem Walupt Lake. Dort gibt es einen schönen Campingplatz im Wald direkt am See und an einem Donnerstag habe ich fast komplett freie Platzwahl.
Also Zelt aufgebaut, Briefchen mit einem Schein in den dafür vorgesehenen Schlitz geworfen und dann erstmal die Füße in den See gehalten.
Alerdings nicht all zu lange, denn ich hatte ja heute noch was vor. Vielleicht hat es ja der eine oder andere schon mitbekommen, aber ich habe eine gewisse Schwäche für Wasserfälle und hatte herausgefunden, dass es in der Nähe ein lohnendes Opfer für Wasserfalljäger gibt. Der Walupt Lake entwässert an seinem Westende in den Walupt Creek, der nach nur gut eineinhalb Meilen in das Tal des Cispus River hinunterstürzt. Und dieses Hinunterstürzen soll wohl recht spektakulär vonstatten gehen. Ich hatte eindrucksvolle Fotos von den Walupt Creek Falls gesehen, die stets mit dem Kommentar versehen waren, dass die Bilder dem Fall überhaupt nicht gerecht werden und das er “in Echt” viel beeindruckender ist. Allerdings gibt es keinen wirklichen Trail zu den Fällen, so dass man sich durch die Büsche schlagen muß, um dort hinzukommen. Aber mit etwas Recherche auf Google Maps und einer groben Beschreibung eines Freundes war ich mir ziemlich sicher, dass ich mein “Opfer” erlegen würde. Erstmal ging es zum Horsecamp, das ein wenig vom eigentlichen Campingplatz entfernt an der Zufahrtsstraße liegt. Dort sah es so aus als ob eine ehemalige Logging Road nahe an eine seichte Stelle im Fluß heranführt, an der man gut furten kann. Das haute auch ganz gut hin: von der Logging Road war zwar nicht mehr viel über, Baumstämme lagen kreuz und quer und alles war schon ziemlich überwuchert, aber man kam trotzdem ganz gut voran. Dann war der Fluß zu hören und ich schlug mich in die Büsche und kam an einer Stelle heraus wo viele Stämme über den Walupt Creek gefallen waren. Man hätte den Fluß drauf balancierend problemlos trockenen Fußes überqueren können, aber es war ein warmer Sommertag ich hatte Shorts und Wassersandalen an, also rein ins kühle Naß. Das Wasser ging bis kurz über die Knie und war richtig angenehm. Auf der anderen Seite angekommen ging es dann im Wald auf einem sogenannten User-Trail immer am Fluß entlang weiter. Ein User-Trail kann man sich so vorstellen: man sieht, das vor einem schon Leute dort langgelaufen sind, aber man verliert den Pfad immer mal wieder, um ihn dann kurz darauf kurz wiederzufinden und wieder zu verlieren. Aber solange man immer einigermassen in Sichtweite des Flusses bleibt, ist man in dem Fall ohnehin richtig. Leider waren Shorts und Sandalen nicht gerade die geeignete Bekleidung dafür, so dass ich mir meine Beine ganz gepflegt verkratzt habe.
Es gab einen kleinen Wasserfall am Weg, aber dann war ganz klar zu hören, dass ein deutlich grösserer nicht mehr weit war. Der Wald lichtete sich langsam und dann stand ich an der Oberkante der Walupt Creek Falls.
Wasserfälle von oben sind selten spektakulär, aber das sah sehr vielversprechend aus. Der Walupt Creek fällt in einem kleinen Fall auf einen großen runden Felsen über den sich das Wasser gleichmäßig verteilt und dann eine Art riesige Rampe, die etwa 50m breit ist, runter in den Cispus River rutscht, der direkt unterhalb der Fälle entlangfließt. Ich finde einen kleinen Pfad der runter in den Canyon führt. Es geht ziemlich steil bergab. Es ist noch nicht richtig Klettern, aber Laufen auch nicht mehr wirklich. Irgdwo dazwischen...
Auf halben Weg klettere ich zu einem Vorsprung und mache ein paar Bilder von halber Höhe, dann geht es ganz runter zum Cispus River, noch ein paar Meter am Fluß entlang dann stehe ich vor den Walupt Creek Falls.
Bei den Amis ist ja immer alles amazing, awesome und incredible, was sich auf Dauer ein wenig abnutzt, daher nur so viel: ich hatte in dem Moment einen neuen Lieblingswasserfall und es stimmt: die Bilder werden dem Schauspiel wirklich nicht annähernd gerecht.
Ende Juli war der Wasserfall schon recht dünn, aber bedeckte immer noch fast die ganze Fläche und als netter Nebeneffekt konnte ich problemlos die “Rampe” ein ganzes Stück hochlaufen. Sogar Blumen wuchsen auf Felsen im Wasserfall. Da zuckte es natürlich erstmal ganz gewaltig im Fotofinger. Als sich der etwas beruhigt hatte, habe ich versucht die Rampe als Wasserrutsche zu nutzen, was den Erfolg hatte, dass ich zu zerkratzen Beiden auch ein zwei blaue Flecken am Po hatte. Beim nächsten Mal sollte ich vielleicht einen Reifen durch den Wald schleifen….
Als alles fotografiert und erforscht war, habe ich mich einfach unten am Wasserfall hingesetzt und geguckt und bewundert. Ich wollte gar nicht wieder los und mußte ja auch nicht. Irgendwann habe ich mich dennoch losgerissen. Der ganze Weg ging retour, es gab noch einen Satz Kratzer mehr, aber das war mir sowas von egal. Ich war high auf Wasserfall-Endorphinen
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Zurück am Campingplatz kamen gerade die Camphosts rum und guckten, dass alle brav bezahlt hatten. Die zwei recht beleibten Damen waren zu einem Klönschnack aufgelegt und ich erzählte ihnen begeistert, dass sich am Wasserfall war. Sie fanden es interessant, dass ich ihn gefunden hätte, sie würden da öfter mal Leute hinschicken, aber die würden den immer nicht finden. Auf meinen Kommentar, dass es ja nun wieder nicht sooooo schwer sei, zuckten sie nur mit den Schultern, sie wären auch noch nie da gewesen…
Abends gab es dann noch Instant-Ramen vom Campingkocher, zwei Döschen Gifford Pinchot Pils am See, ein kleines Feuer und dann ging es in die Heia. Ich weiß es nicht mehr aber ich vermute mal ich hab vom Wasserfall geträumt…