Freitag, 12. AugustHeute morgen schaffe ich es nicht aus dem Bett, jedenfalls nicht um halb sieben, als ich aufwache. Gegen halb acht wuchte ich mich unter der Decke hervor. Mein Körper fühlt sich genauso an, wie man sich halt nach einem zweistündigen Ritt fühlt, wenn man vorher jahrelang nicht geritten war. Außerdem fühle ich mich irgendwie fahrig und zittrig. Alles dauert heute morgen ewig. Die letzte Fahrt ins Lamar Valley wird also gestrichen, stattdessen checke ich gegen halb neun aus und mache mich auf den Weg nach Süden.
Im Hayden Valley gibt es wieder Phantom-Tiere und echte Bisons zu sehen, aber auch ein Wapiti, das im Fluss Wasserpflanzen frisst. Und dann trabt am gegenüberliegenden Hang ein Koyote mit Beute im Maul vorbei. Da schaut auch das Wapiti lieber mal genauer hin und lässt vorsichtshalber schon mal ein wenig Ballast ab.



Als der Koyote schließlich im Wald verschwindet, kehrt auch bei dem Wapiti wieder Ruhe ein, und es widmet sich dem Frühstücksbuffet.

Weiter geht die Fahrt. Nur einen Stopp gibt es noch, an den Lewis Falls.


Und dann ist auch bald die Parkgrenze erreicht. Jetzt heißt es: Goodbye Yellowstone, hello Tetons.


Schon heute morgen war es bewölkt, und inzwischen hat es sich immer mehr zugezogen, manchmal kommt die Sonne raus, meist liegt aber Schatten über der Landschaft, und auch auf den Bergen zeigen sich große Schatten. Ich halte trotzdem für ein paar Fotos am See und an der Colter Bay Marina und stoppe anschließend noch am Oxbow Bend.


Ein Stück weiter südlich liegt die Cunningham Cabin, da versuche ich auch nochmal mein Fotoglück mit Bergen, Cabin und Pferden, aber die Sonne verschwindet immer länger hinter den Wolken. Der Blick über die weite Prärielandschaft mit den zerklüfteten Bergen im Hintergrund ist aber auch mit Schatten toll. Das Gebirge ist - zumindest geologisch gesehen - mit ca. 9 - 13 Millionen Jahren noch sehr jung. Auf unserer Tour 2007 waren wir entlang der Seen auf der westlichen Route Richtung Süden gefahren. Erst heute, auf der östlicheren Route, wird mir der Gegensatz zwischen der flachen Prärie und den hoch aufragenden Bergen richtig bewusst.





Die Mormon Row, Schwabachers Landing und die kleine Kapelle will ich mir für morgen früh aufheben, jetzt fahre ich weiter nach Jackson. Irgendwie habe ich richtigen Zivilisationshunger, und die Zivilisation wirft ihre Schatten voraus: Erstens kann man hier tatsächlich 55 (!) Meilen pro Stunde fahren, ich denke erst, ich habe mich verkuckt. Dann erschrecke ich, weil schräg neben mir ein Flugzeug im Landeanflug auftaucht. Und zum ersten mal seit fast zwei Wochen hole ich auch wieder das Navi aus dem Handschuhfach.
In Jackson habe ich mich in der Virginian Lodge etwas südlich der Innenstadt einquartiert und kann netterweise jetzt um halb drei schon ins Zimmer. Hier gibt es einen Fernseher, einen Kühlschrank, einen Gefrierschrank und eine Mikrowelle, eine lärmende Klimaanlage, Mülleimer ohne Mülltrennung und – ganz wichtig – Internetzugang!
Ich haue mich erst mal aufs Bett, schalte den Fernseher an, ach ja, Olympia läuft ja schon, daran hatte ich gar nicht gedacht, und weide mich am Internetzugang. Der hat mir doch gefehlt.
Nach einer Rast fahre ich dann nach Jackson. Wie ich vorhin schon gesehen habe, findet dort eine Art Fair statt. Ich finde zum Glück schnell einen Parkplatz, löhne 5 Dollar für den Besuch der vielen Zeltstände auf der Art Fair und schaue mir an, was da so angeboten wird. Viel Schmuck, viele Fotos und Gemälde, aber auch Hängematten oder handgebaute Kanus aus tollen Hölzern. Letztere gefallen mir ja sehr gut, aber sowas lege ich mir erst zu, wenn ich mir mal ein Ferienhaus am See kaufe.


Jackson ist so ziemlich genauso wie ich es in Erinnerung habe, eine Mischung aus Geschäften, Touranbietern, Galerien und Restaurants. Nach so viel Natur in den letzten Tagen genieße ich es richtig, mich durch die Souvernis zu wühlen. Da gibt es schon einiges, was mir gut gefällt. Anscheinend hat der Aufenthalt in der Wildnis aber auch zu einer bedenklichen Entscheidungsschwäche geführt: Ich kaufe letztlich überhaupt nichts.








Abends esse ich der Einfachheit halber Burger und Waffle Fries im Saloon, der zur Lodge gehört.


Einfach ist hier aber gar nix: Als ich das bestellte Bier bekomme, werde ich vor die Wahl gestellt: Entweder halte ich mir weitere Bestellungen offen, dafür muss ich aber meine Kreditkarte an der Bar hinterlegen. Oder ich bezahle jetzt sofort, bevor das Essen kommt. Ich denke zuerst, die Kellnerin will mich verarschen, so abgehalftert sehe ich wirklich nicht aus, ich habe mir doch extra für die Rückkehr in die Zivilisation ein stadttaugliches T-Shirt angezogen. Aber sie erklärt mir, heute abend hätten sie noch Live-Musik, und an solchen Abenden sei das bei ihnen üblich. Nachdem mir die Hinterlegungs-Variante eindeutig nicht gefällt, und ich auf die Variante, aufzustehen und woandershin zu gehen, auch keine Lust habe, bleibt nur die Sofortzahlung. Die leiste ich mit besagter Kreditkarte, und als die Kellnerin zurückkommt, bringt sie außer der Karte und dem Zettel zum Unterschreiben auch noch Bargeld mit. Meine Rechnung mache 15,50 Dollar, sie müssten aber mindestens 20 Dollar abbuchen, also bekäme ich hier noch 4,50 Dollar raus. Sagenhaft.
Na ja, Burger und Fries schmecken wenigstens, und weil die Live-Musik dann doch sehr lange auf sich warten lässt, gehe ich schließlich ins Zimmer zurück. Halb im Dämmerschlaf schaue ich noch ein wenig Olympia, natürlich alles aus amerikanischer Sicht, da kommen Deutsche höchstens als Beiwerk vor.
Morgen früh will ich nochmal in den Grand Teton Nationalpark, dann steht eine längere Fahrt nach Vernal an.
Gute Nacht!