6. Tag Samstag 15.10.2016 Heute war ein Medizinerkongreß im Hotel und vor dem Restaurant die Hölle los. Eine Angestellte wollte uns nicht ins Restaurant lassen, wies uns in einen anderen Speisesaal. Das ist wohl normalerweise ein Konferenzraum, an den Seiten waren Tische mit dem Essen aufgebaut. Inhaltlich wohl das gleiche wie im richtigen Restaurant, aber es gab nur große 10er Tische. Wir suchten uns einen freien und ich ging auf die Suche nach Saft und Kaffee. Beides nicht vorhanden, nur warmes Wasser und Tee. Also DAS GEHT GAR NICHT. Also wieder raus und bei der Angestellten laut und deutlich "coffee" verlangt. Sofort durften wir zum Frühstücken in das richtige Restaurant. Na also, geht doch. Wenn man in China was will muss man im Notfall auch mal laut werden, das machen die Chinesen genauso, ich war schon akklimatisiert
Im Restaurant hatten wir gleich den nächsten Schock, spuckte da doch ein Mann unter lauten Rotzgeräuschen auf den Boden!
auf den Teppischboden!!! Den darf man nicht genauer anschauen, der war dreckig wie die Sau
ein Paradies für jeden Kärchervertreter! Mein Gott wo sind wir denn hier gelandet. Wir suchten uns einen Tisch weit weg von dem Schwein (sorry aber dafür gibt es keinen passenderen Ausdruck). Als ich dann am Buffet meinen Teller voll lud (diesmal habe ich mich durch die Kuchen gefuttert) stand eine ältere Frau neben mir deren Hände ziemlich zitterten, ich tippe mal auf Parkinson. Sie war auch gerade dabei sich zu bedienen und ihr fiel der Porzellanlöffel runter, der am Boden in zwei Teile zersprang. Kommt doch pfeilschnell eine Hotelangestellte auf sie zu und quatscht sie an. Und die alte Frau zückt den Geldbeutel und gibt ihr Geld. Wie bitte? Für einen zerbrochenen Löffel??? Das sind ja Sitten hier, Mannomann...
Nach dem Frühstück haben wir ewig auf den Aufzug gewartet, einer von dreien war defekt und als wir endlich drin waren blieb er an jeder Etage stehen. Einmal stand doch tatsächlich eine Frau im Morgenmantel mit ihrem dicken kleinen Sohn im Pyjama vor dem Aufzug. Die Sitten sind hier wirklich anders! Bis wir später mit den Koffern in die Lobby runterfahren konnten hat es wieder 20 Minuten gedauert und wir kamen prompt zu spät, Herr Li hat uns schon erwartet. Wir wolten schnell auschecken aber so schnell geht das nicht. Zunächst wird die Putzfrau angerufen, die soll nachsehen ob mit dem Zimmer alles in Ordnung ist
die mußte natürlich auch mit dem Aufzug fahren...wir haben unserem Guide erklärt dass die Minibar verschlossen war, wir hatten nix konsumiert, aber darum geht es gar nicht. Es wird überprüft ob das Zimmer okay ist. Herrn Li war das etwas peinlich, er hat uns erklärt dass das in Europa bestimmt nicht notwendig ist aber in China benehmen sich nicht alle Leute wie man das erwartet (er meinte die Entwicklung sei für manche Menschen einfach zu schnell) und so ist es vorgekommen dass sich Leute mit den Gardinen die Schuhe putzten und so weiter. Und darum wird beim auschecken überprüft ob das Zimmer noch steht...
ich habe ihm dann von dem Erlebnis mit dem zerbrochenen Löffel erzählt. Herr Li fand das völlig normal dass die Frau den Schaden bezahlt. Wir haben ihm erklärt dass er- sollte er jemals nach Europa kommen- nirgends im Restaurant zerbrochenes Geschirr zahlen muss wenn er es nicht mutwillig zerdeppert. Das hat ihn doch erstaunt. Haftpflichtversicherungen scheinen hier unbekannt zu sein...
na gut, irgendwann kam der Anruf dass das Zimmer okay ist und wir durften das Hotel verlassen
Heute sind wir mit dem Auto zunächst zum Hängenden Kloster Xuankong Si gefahren, dann nach Yingxian zur höchsten Holzpagode Chinas und danach stand eine längere Fahrt zum Ort Pingyao an (südlich von Datong) wo wir wieder zwei Nächte bleiben würden.
Zunächst sind wir also eine Stunde zum Kloster nach Dongfangcheng gefahren. Dort angekommen war es ausgesprochen ungemütlich kalt und windig. Ich bin erst mal zur Toilette gegangen und habe meine Strumpfhose angezogen die ich sicherheitshalber immer im Rucksack hatte, ich wollte ja nicht wieder krank werden. Nicht so einfach sich auf einer Toilette umzuziehen wo man sich nicht hinsetzen kann und auch nichts den Boden berühren darf, na gut ich habs sauber hinbekommen.
Hier sieht man also das Kloster hängen:
eine ziemlich abenteuerliche Konstruktion! Das Kloster lag auf einer Wanderroute für Mönche und war als Übernachtungsmöglichkeit gedacht. Also eine Art Berghütte
es liegt so hoch oben weil es früher öfter Hochwasser gab, den Fluß sieht man am Bildrand unten gerade noch so.
Es kostet natürlich Eintritt, unser Guide hat uns bis zum Eingang begleitet und meinte dann wir sollten einfach dem Rundgang folgen, dann sieht man automatisch das ganze Kloster
was anderes wäre gar nicht möglich gewesen, denn das Kloster ist sehr klein und eng, die Massen standen Schlange, die Wege waren nicht breiter als eine Person und wir bewegten uns im Gänsemarsch dadurch, die Chinesen mußten ja ständig für ihre Selfies stehen bleiben
sehr viel zu sehen gab es nicht, die Räume sind sehr klein, es stehen ein paar Buddhafiguren drin, die meisten in sehr schlechtem Zustand mit abgebrochenen Armen u.ä.
von oben sah man den Staudamm der jetzt die früher üblichen Überschwemmungen verhindert
und schöne Drachen gabs wieder
mir war überhaupt nicht wohl da oben, ich habe mich gefragt ob schon mal jemand die Belastungsgrenze für diese Konstruktion bestimmt hat, bei der Masse an Menschen war die bestimmt bald erreicht. Ich war froh als wir wieder raus kamen! Für Leute mit Höhenangst ist das Kloster nicht so ideal...
Danach ging die Fahrt durch bergiges Gelände, wir sahen ein Stück der inneren großen Mauer, die war hier aber nur aus Lehm und nur noch teilweise erhalten, vom Auto aus sah man ein paar Wachtürme. Nach einer Stunde waren wir in Yingxian angekommen und durften das höchste Holzgebäude der Welt anschauen angeblich 1400 Jahre alt (so habe ich es aufgeschrieben. Laut Wikipedia im 11. Jahrhundert erbaut und eins der höchsten Holzgebäude der Welt). Die Pagode ist ganz aus Holz, keinerlei Nägel oder so wurden für den Bau verwendet.
es war jetzt etwas wärmer und der Wind hatte auch aufgehört
Leider darf man die Pagode nicht mehr betreten, denn sie hat begonnen sich zu neigen
die Fachleute sind wohl ziemlich ratlos wie sie die Pagode retten sollen, man kann ja schlecht alte Holzteile durch neue ersetzen, Holz arbeitet ja. Sie hat 5 Etagen und auf jeder stehen Buddhafiguren, jetzt kann man nur noch Fotos davon sehen.
Während unser Guide und unser Fahrer beim Mittagessen waren haben wir einen Andenkenshop durchstöbert und Kekse und Chips für die Fahrt gekauft, es standen jetzt noch 4 Stunden Fahrt nach Pingyao an. Vor der Pagode war ein Stand der kandierte Früchte verkaufte. Dort habe ich mir einen Spieß mit Weißdornfrüchten gekauft (hätte ich nicht gewußt, das hat Herr Li mir erklärt). Die sind etwa so groß wie Mirabellen und dunkelrot und schmecken süß-säuerlich. Sehr lecker, aber sie haben viele Kerne (kann ich nicht mitessen) also etwas umständlich zu essen (ich spucke die Kerne
nicht einfach so auf den Boden)
wir befanden uns übrigens gerade hier:
und nun ging es also 350 km in den Süden, wir haben im Auto die meiste Zeit geschlafen. Am späten Nachmittag kamen wir in Pingyao an.
Pingyao ist ein alter Ort mit einer Originalstadtmauer und original alten Häusern, also was ganz anders als Datong, wir waren gespannt. Herr Li sagte uns dass der Ort in letzter Zeit sehr touristisch vermarktet wird und viele chinesische Touristen hierher kommen. Ich würde als Chinese auch nicht nach Datong fahren wenn es eine echte alte Stadt in der Nähe zu besichtigen gibt! Unterwegs hat es geregnet aber als wir ankamen war es wieder trocken.
Man darf mit dem Auto nicht in die Stadt reinfahren, innerhalb der Stadtmauern sind nur Elektroautos erlaubt. Wir sind also ausgestiegen und haben auf den Elektrowagen gewartet der uns abholen sollte, es kam aber niemand. Auf unsere Frage wie weit es denn noch sei antwortete Herr Li das sei noch 1 km. Also das kann man wirklich laufen, wir haben doch Rollkoffer! Er ließ sich überreden und so zogen wir los. Kaum waren wir durch das Tor in der Stadtmauer standen wir im prallen Leben, hier war Gott und die Welt unterwegs, auf beiden Seiten Geschäfte und Restaurants. Und wirklich lauter schöne alte Häuser, wir waren auf Anhieb begeistert
Nach wenigen Minuten waren wir am Hotel angekommen
So ähnlich wie das Dejuyun Gasthaus sahen alle Häuser in der Straße aus. Und wie bei dem historischen Hotel in Peking ging man in einen Innenhof
Dann durch ein Tor
Zum nächsten Innenhof
Ich glaub dann kam noch einer, unser Zimmer lag jedenfalls im hintersten Gebäude. Es hatte einen Eingangsraum, den seht ihr hier, an der Eingangstür hing innen dieser geknotete rote Vorhang
Blick von der Tür in den Eingangsraum, an der Wand standen noch mal 2Stühle:
Links davon ein riesiges Bad, so groß war sonst das ganze Hotelzimmer:
Und rechts durch einen Vorhang vom Eingangsraum getrennt das Schlafzimmer:
Rechts und links vom Bett jeweils noch ein großer Kleiderschrank
Mit einem Wort: der helle Wahnsinn, was für ein riesen Zimmer! Kurz drauf klopfte es an die Tür: Herr Li brachte unsere Pässe, die muss man am Empfang ja immer abgeben und es dauert etwas bis sie kopiert sind und die Behörden informiert sind
Er hat uns dann auch aufgeklärt was es mit dem Zimmer auf sich hat: vor uns ist eine größere französische Reisegruppe angekommen und das Hotel war ausgebucht. Das einzige was noch frei war, war die Präsidentensuite und die haben wir bekommen
Im Hotelprospekt steht dass hier Ex- Präsident Giscard d'Estaing übernachtet hat, ja dem hat das hier bestimmt auch gefallen
Schwein muss man haben, wir haben erst mal Kaffee gekocht und uns ausgebreitet.
Danach haben wir uns in das abendliche Treiben gestürzt, es waren eher noch mehr Leute unterwegs als am Nachmittag. Es war jetzt schon dunkel, aber noch angenehm warm und von Regen nichts mehr zu sehen.
Auf der Straße wurden lauter lecker duftende Sachen verkauft da mußte ich gleich mal was probieren
Ich entschied mich für etwas das wie Frühlingsrollen in Bambusblättern aussah und es war sehr lecker. Ich hätte ja noch mehr probiert wollte mir aber nicht den Appetit fürs Abendessen verderben.
Herr Li hatte uns erklärt dass unser Hotel in einer der beiden Hauptstraßen (was Tourismus angeht) liegt, es gibt noch eine zweite die unsere Straße kreuzt da waren wir am Hinweg zum Hotel vorbei gekommen, diese beiden Straßen haben wir nun erkundet.
Diese braune Brühe die in etlichen Geschäften verkauft wurde ist nicht Sojasoße wie wir dachten sondern Essig. Pingyao ist berühmt für seinen Essig.
Eine weitere Spezialität des Ortes ist ein speziell behandeltes Rindfleisch
Herr Li hat uns am nächsten Tag erzählt dass das Fleisch mit Kräutern bedeckt wird (die Mischung ist natürlich geheim), dann wird eine Schicht Lehm drumrum geschmiert und so kommt das Fleisch dann zur Lagerung für einige Wochen in den Keller. Vor dem Verkauf wird der Lehm wieder abgekratzt. Dieses Fleisch haben angeblich die Kaiser besonders gern gegessen, es wurde schon damals in ganz China verkauft als Delikatesse (wir haben es am nächsten Tag probiert, es schmeckt gut und ist sehr zart)
Klamottenläden gab es natürlich ganz viele
Und auch ganz neumodisches Zeug wie dieses 3D Kno. Obwohl: das ist wohl eher 4D, denn durchgeschüttelt wird man ja wahrscheinlich auch noch!
Hunde werden oft unmöglich frisiert, in Peking sahen wir einen da war der halbe Körper rasiert, hier ist es wohl der ganze bis auf den Kopf und deshalb muss er jetzt ein Kleidchen tragen
Es wurden auch allerlei Antiquitäten und Kitsch verkauft
Und diese automatische Fleischspießbratetei fand ich witzig
Einen Postkartenladen mit gezeichneten Stadtansichten von Pingyao fanden noch und haben gleich mal einen Schwung Postkarten gekauft. Und dann machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant und wählten eins aus das englisch beschriftete Fotokarten hatte und auch innen ansprechend aussah
Wir bestellten ein Nudelgericht, Wildkräutersalat und eine Nudelsuppe. Der Salat war angedünstet und schmeckte köstlich, ich kann aber nicht sagen was für ein Grünzeug das war.
Die Nudeln waren wohl aus Buchweizenmehl (daher die graue Farbe) und waren scharf gewürzt und einfach nur superlecker ebenso die scharfe Suppe. Das war eine gute Wahl und zusammen mit 2 Bier wieder nur 90 Yuan.
Dummerweise hatte das Lokal wie üblich keine Toilette, nach dem Bier mußte ich aber mal. Uns war unterwegs auch keine öffentliche Toilette untergekommen. Da war ich dann froh dass ich an einem Hofeingang das Schild "Toilette 1 Yuan" gesehen habe. Das war nun die Toilette eines Privathauses, eine alte Frau nahm meinen Yuan und ging ins Haus. Die Toilette war ein Loch im Boden an der Hauswand schummrig beleuchtet keinerlei Wand oder Tür drumrum:
Von Wasser natürlich ganz zu schweigen. so möchte ich nicht wohnen....
Morgen Abend machen wir nach dem Abendessen einen Abstecher ins Hotel...
Durch die bunt beleuchtete Altstadt haben wir noch einen Verdauungsspziergang gemacht und eine Flasche Wein gekauft. Marke "große Mauer" für 38 Yuan. Der war zu billig, der war wirklich nichts besonderes. Den ganzen Abend waren wir auch mehrfach angesprochen worden und ich bin wieder auf vielen Selfies gelandet
Hier noch ein paar Bilder von den bunt beleuchteten Wegen
Manche Häuser haben im Sekundentakt ihre Farbe gewechselt
Im Hotel habe ich noch das große Bad ausgenutzt und Wäsche gewaschen. Morgen bekommen wir dann eine Stadtführung durch Pingyao.