Dritter Tag Mittwoch 12.10.2016Gestern Abend waren wir so aufgekratzt dass wir erst nach Mitternacht eingeschlafen sind, ich war aber um 7 Uhr wach und ausgeschlafen. Heute waren wir schon um halb 8 beim Frühstück weil unser Tagesprogramm um 9 Uhr starten sollte. Draußen sah es aus als ob es bald zu regnen anfängt aber es waren wohl keine richtigen Wolken sondern Smog. Geregnet hat es nicht aber es war etwas kühler. Im Frühstücksraum war nicht geheizt, wir haben auch nix gesehen das wie eine Heizung aussah. Im Oktober mit Fleecejacke gar kein Problem aber im Winter muss es hier sehr ungemütlich sein. Wir hatten nachts die Heizung an, im Zimmer war es angenehm, aber es war nachts draußen bestimmt nicht unter 15 Grad.
Das Frühstück war so lecker wie gestern
Bevor wir losfuhren kam noch ein Angestellter der Reiseagentur und brachte Josef die chinesische SIM Karte. Am ersten Tag waren wir ja kreuz und quer durch die Straßen gelaufen und haben dabei nur einen Laden gesehen der Handys verkauft, SIM Karten haben wir nirgends gesehen. Deshalb haben wir Helena um Hilfe gebeten und sie hat versprochen uns eine zu besorgen, dass dann aber extra jemand zu uns ins Hotel kommt und das Teil dann auch schon selber bezahlt hat fanden wir echt klasse! Er hat natürlich Trinkgeld bekommen was ihn sichtlich überrascht und gefreut hat. Er hat dann auch noch geholfen das Teil einzurichten. Gar nicht so einfach, denn die Anzeigen am Handy waren sofort auf chinesisch sobald die Karte eingelegt war.
nach einigem Fummeln war die lesbare Schrift wieder da
Heute standen der Himmelstempel, der Patz des himmlischen Friedens und die verbotene Stadt auf dem Plan. Ich habe erst zuhause festgestellt wie nah das alles an unserem Hotel war. Vom Hotel hätte man locker zur verbotenen Stadt laufen können. Wir haben aber beim Himmelstempel angefangen, der liegt südlich der verbotenen Stadt und da sind wir also mit dem Auto hingefahren (worden
)
Am Eingang
die Anlage war wieder sehr weitläufig
und der obligatorische Blumenschmuck
in Frankreich wäre Peking eine "Ville fleurie" mit 4 Sternen
Der Himmelstempel gehört zur ursprünglichen chinesischen Religion: dem Daoismus. Daoismus ist eine Naturreligion, die Himmelsgötter wie Wind, Blitz, Wolken, und Regen kennt und Erdgötter wie Erde, Feuer, Metall, Wasser und Holz (ich glaube das ist richtig so, ich habe nicht alles behalten). In dieser Religion war der Kaiser der oberste Priester, er leitete die Zeremonien. Es gab Zeremonien zur Sonnenwende, Erntedankfeste u.ä. Wenn ich es richtig verstanden habe stammt das Ying-und Yang System auch von dieser Religion. Helena hat versucht uns das zu erklären, aber für solche philosophischen, bzw. religiösen Themen war ihr Deutsch wirklich nicht gut genug. Aber egal das hätte ich wahrscheinlich eh nicht behalten. Der Tempel wurde im 15. Jhdt. gebaut und bis ins 18. Jhdt. erweitert und umgebaut. Er ist Weltkulturerbe.
Die Tempelanlage sah jedenfalls
völlig anders aus als jeder buddhistische oder hinduistische Tempel und hat mich sehr begeistert!
in einem eckigen Platz war ein rundes Areal mit einer Mauer begrenzt (rund und eckig sind zwei Ausprägungen des Ying und Yang)
durch die weißen Tore betritt man den inneren Tempelbereich
Hier war alles ganz schlicht aus weißem Marmor, oft gibt es 3 Stufen, dabei symbolisiert die unterste die Erde, die oberste den Himmel und die mittlere den Menschen. Oben war einfach ein großer runder leerer Platz, in der Mitte eine runde weiße Marmorplatte, ich denke da stand der Priester bei der Zeremonie, heute standen da die Chinesen und machten Selfies
Große Räuchergefäße produzieren "Wolken".
Dieser Tempelplatz hatte eine enorme Ausstrahlung, auf den Bildern kommt das überhaupt nicht rüber. Ich habe mich richtig wohl gefühlt da oben. Auf jeden Fall ein geeigneter Ort für eine religiöse Zeremonie
weiter hinten gab es weitere Gebäude, runde und rechteckige, jeweils innen ausgestattet mit Vasen, Tafeln etc. alles Symbole für Götter.
Hier waren alle Dächer blau (wie der Himmel ?) das fand ich viel schöner als gelb und die üblichen Figuren am Giebel waren wieder wunderschön. Mein Monsterzoom kam voll zum Einsatz, mit bloßem Auge waren diese schönen Details nicht zu sehen
durch das Tor ging es nach draußen
von außen sah man die Echowall besonders gut. Wenn man außen am Tempel gegen die Wand spricht soll man das angeblich auf der anderen Seite hören können (wahrscheinlich nicht wenn wie jetzt hunderte Leute laut quatschend um die Tempel stehen)
auf dem Weg zum nächsten Tempel, wenn ich mich recht erinnere durfte den weißen mit Marmor belegten Weg nur der Kaiser betreten
und dann machte der Kameraakku schlapp. Und der Wechselakku hat auch nicht funktioniert obwohl ich den am Vorabend geladen hatte
(viel später habe ich dann gemerkt dass das Ladegerät blöd ist. Wenn man den Akku falsch herum rein legt zeigt das Ladegerät grün an)
Für heute gibts daher nur noch Handyfotos
Am nächsten Bild der Imperial Vault of Heaven hier wurde den Himmelsgöttern gehuldigt. Hier wiederholt sich der erste Teil der Anlage noch mal nur dass dieses Mal zusätzlich noch ein runder Bau in der Mitte steht.
Im weiteren Verlauf der Reise haben wir noch einige buddhistische Tempel gesehen aber nie wieder einen daoistischen. Sollte ich noch mal nach China reisen würde ich explizit danach suchen, die buddhistischen Tempel sind in Japan schöner. Dieser hier war einzigartig, hatte eine enorme Ausstrahlung die auch von der Masse der Besucher nicht verdrängt wurde. Leider ist ja während der Kulturrevolution viel von Chinas Kulturdenkmälern zerstört worden, also ist es vielleicht der einzige der übrig geblieben ist.
Um die Tempel herum ist ein großer Park, auch der kostet Eintritt. Die Pekinger Bürger zahlen 100 Yuan für das Jahr um den Park zu benutzen. Ganz viele alte Leute saßen in Gruppen zusammen und spielten Karten und ähnliches. Auf einem Platz waren etwa hundert Leute versammelt, eine Frau sprach. Wir haben Helena gefragt was da los sei und sie erklärte uns dass die Frau über ihren Sohn spricht für den sie eine Ehefrau sucht
das ist in China immer noch normal dass die Eltern ihren Kindern Partner aussuchen. Vor allem machen sie wohl ab einem bestimmten Alter viel Druck dass der Nachwuchs endlich heiratet, das haben uns einige Guides bestätigt.
die 7 Steine im Park symbolisieren 7 Berggipfel und gehören noch zur Tempelanlage
Danach sind wir ein kurzes Stück zum Platz des himmlischen Friedens gefahren. Hinfahren ist kein Problem aber auf den Platz kommen schon. Der ist nämlich komplett von Eisengittern abgesperrt mit nur ganz wenigen Einlässen und überall steht Polizei oder Militär. Wir mußten erst mal ein Stück am Straßenrand weitergehen dann durch eine große Unterführung um auf den Platz zu gelangen. Das ist der größte freie Platz den ich bisher in einer Stadt gesehen habe und mit Abstand der häßlichste!
Oben seht ihr die Kongreßhalle das Quasiparlament wo (einmal im Jahr?) die kommunistische Partei tagt mit 37 Meter hohen Säulen, protzige Monumentalarchitektur. Auf den anderen Seiten das Mao-Mausoleum und das Revolutionsmuseum, beides ähnlich häßliche Kästen und in der Mitte eine riesige Blumenvase mit Kunstblumen, bestimmt 10 Meter hoch, einfach völlig überdimensioniert und der einzige häßliche Blumenschmuck in ganz China
und auf der vierten Seite dann der Eingang zur verbotenen Stadt mit einem riesigem Maobild an der Mauer, auch das wirkt völlig deplatziert
Am besten man quert den Platz so schnell wie möglich (nicht so einfach bei der Größe und Menge an Menschen) und schaut dass man hier weg kommt und in die verbotene Stadt rein.
Am Rand des Platzes vor dem Eingang zur verbotenen Stadt stehen diese schönen Säulen, das einzige was vom einstigen Platz des himmlischen Friedens noch übrig ist. Wie der wohl zur Kaiserzeit ausgehsehen hat?
Der Eingang zur verbotenen Stadt, Helena hat Eintrittskarten gekauft und einen Audioguide für Josef weil sie Angst hatte dass ihr Deutsch nicht gut genug ist um uns alles zu erklären, ich hatte keine Lust auf so ein Ding.
drinnen dann ein
riiiesiger Platz
trotz der Größe völlig überfüllt
man steckte ständig in einem Pulk von Menschen fest und wir hatten Mühe unseren Guide nicht zu verlieren. Ich kann es verstehen dass manche ihre Kinder an die Leine genommen haben!
wo es was zu sehen gab mußte man entweder eine halbe Stunde warten bis einen der Pulk zufällig nach vorne geschoben hat oder die Ellenbogen auspacken. Ich habe es mit drüberschauen probiert, das hat halbwegs funktioniert. In den Gebäuden gab es aber nicht viel zu sehen ein paar spärliche Möbel, dafür lohnt sich kein Nahkampf.
ein schöner Kranich
ein Wasserbehälter für warmes Wasser, die standen überall verteilt auf dem Platz rum. Habe ich schon erzählt dass die Chinesen warmes Wasser trinken? Das hat sich seit der Kaiserzeit nicht geändert. An allen Bahnhöfen, Flughäfen etc standen Wasserspender. Da hatte man immer die Wahl zwischen warmem und heißem Wasser. Kaltes Wasser: Fehlanzeige! Wir haben einen Guide gefragt wieso: in der chinesischen Medizin sind kalte Getränke verboten (das ist für irgendwas schlecht). Das hat leider zu Folge dass in echten chinesischen Lokalen wo keine Touristen hinkommen auch das Bier in Zimmertemperatur ausgeschenkt wird. Wir haben nur zu 50 % kaltes Bier bekommen (haben ja immer versucht in möglichst authentischen Lokalen zu essen)
Unter diesen Wasserbehältern konnte man Feuer machen, so gab es auch im Winter warmes Wasser. Vielleicht wurden so ja auch Keime abgetötet? Wenn man die mangelnde Hygiene bedenkt müßte China eigentlich ein Problem mit Cholera haben (gehabt haben)
Hinter jedem Gebäude wieder ein weiterer riesiger Platz mit Treppen Auf- und Abgängen
eigentlich sah es überall gleich aus. Schon imposant, aber vom Hocker gerissen hat es mich nicht.
man muss auch mal ausruhen
in den Seitengängen war es auch voll, die Masse an Leuten hat einfach nur genervt.
mal was schönes: ein Blumendrache
zum Schluß waren wir im Palastgarten, der war überraschend klein und daher auch brechend voll. Es gab etliche Pagoden, natürlich Bäume aber sonst eher wenig Pflanzen. Einen kaiserlichen Garten stelle ich mir ganz anders vor. Und die Lochsteine von gestern gabs auch wieder
seht ihr den Mann mit der blauen Tüte? Der scheint Phantomschmerzen zu haben, er schaut in seine Hand auf ein nicht vorhandenes Handy
Auf dem Weg zum Ausgang mit Blick auf den Tempel am Kohlehügel. War ich froh als wir hier raus waren! Auf den Kohlehügel sollten wir nun noch raufsteigen aber wir wollten jetzt erst mal einen Kaffee.
Außen war ein Platz mit ein paar Tischen und eine Imbißbude. Leider gab es nur Nescafé in Dosen aber immerhin. Auf einem Schild stand was von Dumplings, Josef hat mir 5 Stück besorgt. Bisher war das immer die richtige Portion für den kleinen Hunger, aber diese Dinger hier hatten fast die Größe von Germknödeln. Zwei habe ich mit Mühe geschafft, sie waren ja sehr lecker mit Fleischfüllung, einen konnte ich Josef aufschwatzen, Helena wollte keinen. (Wir hatten immer den Eindruck dass sich unsere Guides nicht einladen lassen wollten). Am Nachbartisch saß eine Gruppe Chinesen die ein großes Picknick auspackten. Josef hat mit seinen drei Wörtern chinesisch (Helena war zum telefonieren weg gegangen) versucht ihnen die restlichen Dumplings zu schenken, das ist ihm nicht gelungen (wir wissen aber nicht ob ein Chinese das aus Höflichkeit ablehnt und man mit Nachdruck darauf bestehen muss?). Ich habe dann zwei Wessis angesprochen die am Imbisstand eintrafen, die haben die Dinger genommen, ich werfe ungern Essen weg (auch wenn es so billig war wie hier) aber in den Rucksack hätte ich die nassen Dinger nicht packen können.
So gestärkt konnte es weitergehen
Auf der anderen Straßenseite ging es zum Kohlehügel, hier wurde früher wirklich die Heizungskohle für die verbotene Stadt gelagert, heute ist es ein Park und oben ein Buddhatempel und kostet wieder Eintritt. Am Eingang wieder schöner Blumenschmuck
Über viele Stufen ging es nach oben, ich war müde!
Von oben sieht man wie riesig die verbotene Stadt ist.
In der Ferne sind viele Hochhäuser nur andeutungsweise zu sehen wegen des Smogs
Hier oben konnte man sich dann auch in kaiserlicher Kleidung ablichten lassen, was viele Chinesen gemacht haben, die Fotografen waren gut beschäftigt, das Bild habt ihr ja schon gesehen
Unten wartete das Auto auf uns, zum Hotel war es nicht weit zu fahren. Kurz nach 4 waren wir im Hotel und platt! Im Hof haben wir gemütlich Kaffeepause gemacht, es war noch warm.
Nach der Ruhepause und einer Dusche waren wir wieder fit
Auf dem Weg zum Hotel sind wir über eine Brücke gefahren und die Straße darunter sah interessant aus, Helena bezeichnete sie als "Bierstrasse" und da könne man schön ausgehen. Das wollten wir nun für den Abend versuchen. Zu Fuß waren das etwa 10 Minuten vom Hotel weg. Der Fluß entpuppte sich als See: der Houhai See
Hier war alles bunt beleuchtet
nach einem kurzen Stück am Seeufer kam man an zu einer Straße wo sich Restaurant an Restaurant reihte, wir haben uns für ein koreanisches Lokal entschieden wo wir original koreanische Küche: Bibimbap und Kimtschi-Suppe serviert bekamen , das ganze mit 2 Bier (in Zimmertemperatur) für 90 Yuan (ca 12 Euro), echt billig und lecker.
dann sind wir durch das Vergnügungsviertel spaziert und das nahm und nahm kein Ende (das zieht sich wohl um den ganzen See)
Leute so was habe ich noch nicht gesehen! Hier reihte sich Musikkneipe an Musikkneipe und überall gabs Livemusik
es waren 30 oder 40 solcher Kneipen die wir gesehen haben und kein Ende in Sicht! Es waren jeweils Lautsprecher außen so dass wir der Musik zuhören konnten ohne reinzugehen. Die meisten Chinesen haben das genauso gemacht. Auf der Straße war der Teufel los, drinnen war es überall fast leer.
Und die Sänger waren gut! Also richtig gut! Wenige haben englische Pop/Rocksongs gesungen, die meisten in chinesisch.
Also um diese Szene beneide ich die Pekinger. Sowas gibt es in ganz Deutschland nicht und außer vielleicht in New Orleans wahrscheinlich auch sonst nirgends. Wir waren echt begeistert
Wenn man nach Peking fährt: hier muss man gewesen sein! Wie gut dass wir das noch gefunden haben. Wieder "zuhause" im Hotel haben wir im Lonely Planet nachgelesen, da steht ein kurzer Artikel über dieses Viertel der aber nicht erahnen läßt wie es hier abgeht. Mit dem restlichen Wein haben wir auf unsere Entdeckung angestoßen