In den ersten Sommersemesterferien meines Studiums bin ich für knapp drei Monate zu meinen Verwandten in Kanada gegangen (vorher gab es nur Urlaube in Deutschland, Schweiz, Österreich und Norditalien), ich war absolut begeistert und habe dann alle folgenden Sommersemesterferien für Reisen nach Kanada und in die USA genutzt.
Da habe ich tatsächlich vom auswandern geträumt und das dann zumindest für eine begrenzte Zeit gemacht, am Ende des Studiums hab ich noch zwei Semester an einer Uni in Halifax, Kanada drangehängt. Die (extrem aufwändige) Planung und Vorfreude hat mich das letzte Studienjahr in Deutschland einigermaßen gut überstehen lassen.
Das Jahr in Halifax war super toll, hat mir aber gezeigt, dass Deutschland doch nicht so schlecht ist und dass man auch im Ausland "nur lebt". D.h. ganz schnell hat man auch dort Alltag und ich mußte mich manches mal selbst daran erinnern, dass ich doch im "gelobten Land" bin. Die Bürokratie in Kanada ist eher schlimmer als in Deutschland, zumindest funktioniert vieles nicht so reibungslos wie bei uns und - was ich nie gedacht hätte - ich habe es wirklich vermisst, deutsch zu reden. Ich hatte zwar keine Verständigungsprobleme, aber auch nach einem Jahr kann man in einer Fremdsprache nicht so spontan reden, wie in der Muttersprache.
Ich bin dann nach einem tollen Auslandsjahr wieder super motiviert nach Deutschland zurückgekehrt.
Knapp zwei Jahre später habe ich dann ein viermonatiges Praktikum in Dallas gemacht, ich hatte wieder eine super Zeit, aber es mich darin bestätigt, dass die USA zwar als Urlaubsziel toll sind, aber nicht unbedingt ein Auswanderertraum.
Als ich dann in Deutschland zu arbeiten anfing, war ich mit meinem Leben sehr zufrieden (anders als während des Studiums) und es gab keinen Auswandererwunsch mehr.
Einige Jahre später waren dann Peter und ich verheiratet und beide auf der Suche nach einem neuen Job, da wir keine Kinder haben, gab es keinen Grund die Suche auf einen bestimmten Ort einzuschränken, jeder sollte sich dort bewerben, wo es einen interessanten Job gab, wer als erstes etwas hatte, dem würde der andere folgen. Und so kam es, dass wir in der Schweiz landeten. Aber nicht als Auswandern gedacht, sondern einfach als anderer Wohn- und Arbeitsort. Ich habe dann dort auch einen Job gefunden und wir hatten schöne Jahre dort. Anfang 40 stellte sich aber so langsam die Frage, ob und wo wir sesshaft werden wollten. Wir waren uns sofort einig, dass das in Deutschland sein würde, da es für uns beide das beste Land zum alltäglichen Leben darstellt.
Und so sind wir nach sechs Jahren Schweiz wieder nach Deutschland gekommen und haben hier ein Haus gekauft und wollen nun "für immer" sesshaft bleiben.
Innerhalb Deutschlands sehe ich es allerdings anders als Andrea und Birgit. Ich komme aus der Nähe von Stuttgart, habe dann 10 Jahre in Augsburg gelebt, dann ein Jahr in Ellwangen und nun haben wir uns für Rheinhessen als neue Heimat entschieden. Ich habe mich überall wohl gefühlt und (zugegebenermassen) durch Studium und Job neue Freunde gefunden. Hier in Rheinhessen sind die Leute finde ich, extrem aufgeschlossen und die Nachbarn haben uns super freundlich empfangen. Klar muss man manchmal nachfragen, wenn man den Dialekt nicht versteht oder eine Ortsbeschreibung nicht kennt, aber das stört mich überhaupt nicht.
Für eine von Anfang an klar begrenzte Zeit würde ich sogar nochmal ins Ausland gehen, wenn man das Haus solange vernünftig versorgen könnte. Aber wie gesagt, auf Dauer auf jeden Fall Deutschland.
Den Drang auszuwandern, den viele haben, kommt aus meiner Sicht daher, dass man mit der eigenen Lebenssituation unzufrieden ist und die diffuse Vorstellung hat, woanders müsste es besser sein. Außer dem Wetter (und selbst das ist zweifelhaft, wenn man berücksichtigt, daß wir in Deutschland von extremen Wettersituationen weitgehend verschont bleiben) und irgendwelchen Spezialsituationen, sehe ich keinen tatsächlichen Punkt, der in einem anderen Land besser sein sollte als in Deutschland oder zumindest nicht von vielen anderen Nachteilen aufgewogen wird.
Deshalb - im Ausland leben - als Erfahrung und auf begrenzte Zeit, um den Horizont zu erweitern, was neues zu erleben, unbedingt. Dauerhaft auszuwandern, in dem Glauben im Ausland wird alles besser - nein.