Freitag, 6.5.16
Wandertag 5: Vom Hotel Trécelin bis zum Golfplatz von Saint-Cast (ca. 21 km)Als ich heute morgen aufstehe, habe ich eine dicke Blase am rechten Fuß zwischen Fußballen und Zehen und schaffe es nicht, irgendein Pflaster zu finden, dass dort richtig hinpasst. Wie Elsa mir beim Frühstück verrät, sind ihre Knie auch nicht gut.
Mal sehen wie weit wir heute kommen. Ausnahmsweise steht heute das Ende der Wanderetappe nicht fest. Am langen Wochenende nach dem gestrigen Feiertag war es bei der Reiseplanung nicht so einfach, geeignete Quartiere für heute und morgen zu finden: Morgen werden wir in Lancieux ankommen, von heute morgen bis morgen abend haben wir so ingesamt ca. 48 km zu wandern. Im dortigen Hotel war es nicht möglich, für das lange Wochenende Einzelnächte zu buchen. Da galt Mindestbuchung 2 Nächte. Und an geeigneter Stelle nach Saint-Cast, wo wir heute vorbeikommen werden, gab es auch keine Buchungsmöglichkeit, wobei das eher daran liegt, dass es dort halt einfach keine Unterkunft gibt. Deshalb werden wir heute am Ende der Wanderetappe das Taxi nach Lancieux nehmen und uns morgen früh vom Taxi wieder zurück an die Stelle bringen lassen, an der wir heute abend die Wanderung beenden. Bis hinter Saint-Cast muss es aber auf jeden Fall gehen, mindestens bis zum Golfplatz, das wären ca. 21 km, am besten aber noch ein paar Kilometer weiter, sonst wird die morgige Etappe zu lang.
Am Montag und Dienstag haben wir uns noch entschieden gegen Abkürzungen aller Art verwahrt, heute sind wir etwas geknickt, weil wir nicht abkürzen können: Bei Ebbe kann man quer über die Bucht wandern und damit den heutigen Weg um ein paar Kilometer abkürzen und dabei noch über angenehmen flachen Sand wandern. Aber leider ist tiefste Ebbe heute erst gegen 14 Uhr. So lange, bis das Wasser den Weg freigibt können und wollen wir nicht warten.
Um 9 Uhr wandern wir also los. Zum Glück kann ich trotz der blöden Blase gut laufen. Und ich konnte Elsa schon mal insofern trösten, dass der Weg am Anfang an der Landstraße entlangführt und deshalb relativ knieverträglich ist. Wir stellen fest, wie sehr wir uns plötzlich freuen, nach den Tagen über Stock und Stein mal wieder über einen flachen, ebenen Boden zu wandern. Straßen sind doch was feines. So früh morgens liegt noch leichter Dunst über der Bucht. Überhaupt finden wir es, wie wir feststellen, unheimlich schön, morgens zu wandern.
Gegen halb zehn erreichen wir Port à la Duc, überqueren einen Fluss und dürfen dann ein wenig Landleben schnuppern. Es geht vorbei an Kuhweiden, später läuft uns auf der Straße zwischen ein paar Häusern ein Hund entgegen. Der sieht noch relativ harmlos aus, aber hinter einer viel zu niedrig aussehenden Mauer entleibt sich fast ein anderer Hund, der wild bellend versucht, auf die Straße zu springen. Nichts wie weg hier.
Gegen elf Uhr haben wir den Ausflugs aufs Land hinter uns und wandern wir die Küste entlang. Auf dem schmalen Pfad kommen uns dann aber doch ein paar Vierbeiner entgegen. Eine Reitergruppe, vorneweg lässig der Reitlehrer mit einer Kippe im Mund. Hintendran junge Reiterinnen, die ihre Pferde nicht ganz unter Kontrolle haben, denn wie die halben Äste und langen Grasbüschel in den Mäulern der Vierbeiner verraten, wurde unterwegs schon mal verbotenerweise frisches Grün am Wegrand genascht. Die Vierbeiner fallen plötzlich in frischen Trab, und wir drücken uns lieber noch tiefer in die Büsche. Kurze Zeit später sehen wir die Truppe fröhlich unten am Strand durchs niedrige Wasser galoppieren.
Danach erreichen wir eine kleine Bucht, müssen eine Strecke über Felsen wandern, können aber dank des niedrigen Wasserstandes in der Mitte der Bucht immerhin einen Querweg zum anderen Ufer nehmen und freuen uns diebisch, dass wir jetzt doch ein paar hundert Meter abkürzen konnten. Nach Saint-Cast sollen es von hier aus noch 7,3 km sein, bis zum Golfplatz wären es ab dort dann noch etwa 4 km und wenn es gut klappt, dann schaffen wir noch ein paar Kilometer mehr.
Zuerst nehmen wir von hier aus noch ein Stück den Weg oben entlang der Steilküste, aber an der nächsten Bucht wechseln wir auf den breiten Strand. Dort sind schon viele Menschen zur Peche à Pied unterwegs. Erst mal legen wir eine Rast ein. Während Elsa sich anschließend in den Sand haut, und ein wenig die geschundenen Knie entlastet, suche ich nach Muscheln und komme mit einer „Fußfischerin“ ins Gespräch. Sie zeigt mir ihre bevorzugte Beute, Herzmuscheln. Für 1 Portion benötige sie 3 kg, erklärt sie mir, und dafür müsse sie eine Stunde lang suchen. 3 kg finden Elsa und ich ziemlich viel, bei Miesmuscheln rechnen wir etwa 1 kg pro Person. Vielleicht sind die Herzmuschelschalen aber schwerer als die Miesmuschelschalen.
Mit Blick auf die Miesmuschelbänke und das Fort La Latte wandern wir erst einmal auf dem freigelegten Sand weiter, an den Felsen vorbei. Kurz vor dem nächsten Strand müssen wir zwar über ein paar Felsen klettern, aber das schaffen wir.
Ab viertel nach eins nehmen wir wieder den Weg oberhalb der Küste. Immer wieder wechseln sich felsige Abschnitte mit schönen Buchten ab, manche ganz einsam und nur mit dem Kayak zu erreichen. Dann erreichen wir schon die Ausläufer von Saint-Cast. Der Weg entlang der Küste ist hier gesperrt, wir werden eine Straße hoch geleitet und pausieren bei der erstbesten Gelegenheit erst einmal mit Elektroytauffüllern.
Hm, von hier aus müsste man eigentlich nur noch geradeaus ca. 1 km bis zum großen Hauptstrand und dem Ortszentrum von Saint-Cast gehen, während der Weg eigentlich vorsieht, uns wieder scharf nach links, zurück zur Küste und entlang einer schmalen Landzunge zu führen. Elsa und ich kommen sehr schnell überein, dass wir lieber abkürzen. Unterwegs schauen wir noch in eine kleine Kirche, dann erreichen wir gegen viertel vor drei schließlich Saint-Cast mit seiner „Grande Plage“, dem großen Strand, und der ist wirklich groß. Und gegenüber sehen wir schon die Halbinsel von Saint-Jacut, wo wir morgen wandern werden.
An der Touristeninformation holen wir uns noch eine Karte der Gegend und lassen uns zeigen, wo wir uns am folgenden Küstenabschnitt von einem Taxi abholen lassen könnten. Bis zum Golfplatz von Saint-Cast wollen wir auf jeden Fall noch und ab dort noch etwa 3 – 4 km weiter bis zu einem Campingplatz. Erst legt Elsa sich aber ein wenig an den Strand, und ich klappere die Geschäfte nach einer neuen Speicherkarte für den Fotoapparat ab. Keine Ahnung, was mich daheim geritten hat, aus meinem reichhaltigen Vorrat an Speicherkarten nur eine kleine Karte mitzunehmen. Irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, mehr als ein paar Schnappschüsse jeden Tag zu machen, aber jetzt ist die Karte voll. Nach viel Herumrennerei von einem Geschäft ins andere werde ich schließlich in einer Buchhandlung fündig. SD-Karten gibt es zwar nicht, aber Micro-SD-Karten mit Adapter. Ich bin irgendwie skeptisch, die Firma kenne ich nicht, und die Micro-Karte ist mir auch suspekt, aber es gibt nichts anderes, also nehme ich die Karte.
Und wie sich am letzten Tag der Reise herausstellen wird, hat mich mein schlechtes Gefühl nicht getrogen, denn am letzten Tag der Reise wird die blöde Karte kaputtgehen und sich nicht wiederherstellen lassen, weshalb der Reisebericht ab jetzt ohne Fotos auskommen muss.Das weiß ich aber jetzt noch nicht, sondern gehe fröhlich zu Elsa zurück. Wir wandern weiter, wie weit, werden wir unterwegs entscheiden. Erst erklimmen wir ein Kap südlich des Strandes, und ab hier führt der Weg an verschiedenen Straßen entlang bis zum nächsten Strand und den daran angrenzenden Golfplatz. Dort gibt es eine Snackbar, das habe ich schon daheim recherchiert. Wir folgen dem breiten Strand, und weil es am Ende des Strandes keinen offiziellen Weg zum Golfplatz gibt, nehmen wir schließlich den kleinen Trampelpfad vom Strand aus und spazieren unschuldig schauend mit Wanderschuhen und Rucksäcken über ein kleines Grün und sind schon an der Snackbar. Um uns herum sitzen staub- und schweißfreie Menschen in heller Kleidung, dagegen wirken wir wahrscheinlich als wären wir gerade aus dem Busch gekrochen. Aber man bewirtet uns hier gerne, und unsere elektrolyt- und alkoholhaltigen Erfrischungsgetränke, wie immer Bier und Panaché, serviert uns ein lustiger Mitarbeiter mit dem Spruch „Welcome to Paradise“.
Nach einer Runde Bier ist klar: Heute wird nicht mehr weitergewandert. Und Elsa trifft eine Entscheidung: Sie wird sich und ihren Knien morgen einen Erholungstag zu gönnen und in Lancieux bleiben. Die nette Mitarbeiterin an der Rezeption bestellt uns für 18.00 Uhr ein Taxi, wir kippen noch ein paar Elektrolyte hinunter, und klettern schließlich ins Auto, das uns nach Lancieux bringt. Nach den Wandertagen wieder im Auto zu sitzen, ist ganz ungewohnt. Die Landschaft fliegt viel zu schnell an uns vorbei. Gleichzeitig bin ich etwas geschockt, denn die Fahrt dauert fast eine halbe Stunde und lässt dabei die Halbinsel von Saint-Jacut völlig aus. Das alles – und noch mehr – soll ich morgen wandern? Na gut, in ein paar Wochenendstaus sind wir auf der Fahrt geraten, bestimmt ist die Strecke gar nicht so lang, beruhige ich mich.
Am Hotel des Bains in Lancieux kommen wir um halb sieben an, und unser Gastgeber steht schon an der Tür. Als der Taxifahrer den Kofferraum öffnet und unsere Rucksäcke zum Vorschein kommen, fragt unser Gastgeber gleich mal frech, ob wir denn unsere Wanderung mit dem Taxi machen würden. Dazu passt, dass ich den Fahrer gerade für morgen früh ans Hotel bestelle.
Zum Elsas Leidwesen müssen wir um in unsere heutige gemeinsame Maisonnette-Wohnung zu kommen, erst mal eine Treppe erklimmen, und ins zweite Schlafzimmer geht es nochmal eine Treppe hoch. Ich nehme also das Zimmer unterm Dach, Elsa bleibt in der ersten Etage und verbringt die Zeit bis zum Abendessen damit, ihre Knie mit Voltarengel zu verarzten.
Für acht Uhr haben wir in der Crêperie des Hotels einen Tisch reserviert und sind mit unserer Wahl sehr zu zufrieden: Neben süßen Crêpes gibt es auch Galettes aus dunklem Mehl mit deftigen Zutaten. Ich nehme eine Galette mit Ziegenkäse, Elsa stärkt sich mit einer Galette „super complete“, danach gibt es noch große Eisbecher. Zum Sonnenuntergang spazieren wir noch langsam zum kleinen Strand hinunter und schauen aufs Meer, aber heute abend ist der Himmel bewölkt und wir sehen nur ein paar orangefarbene Streifen. Gegen 10 Uhr gehen wir schlafen.
Gute Nacht!