Samstag, 29.8.15: Flug von Frankfurt nach VancouverMein Flug nach Vancouver startet erst um16.05 in Frankfurt, also kann ich mich am späten Vormittag gemütlich auf den Weg machen. Das Schicksal in Gestalt des Finanzamtes entscheidet sich, mir fünf Minuten vor dem Aufbruch noch eine kleine Freude zu machen und weht mir den Bescheid über die Steuerrückerstattung in den Briefkasten. Mit einem zusätzlichen Polster auf dem Konto startet es sich doch gleich nochmal so schön in den Urlaub.
Die Bahnfahrt nach Frankfurt verläuft von einer kleinen Verspätung wegen einer Baustelle abgesehen völlig problemlos, und im Termin angekommen weisen gleich große Hinweisschilder ins Terminal C zu den Schaltern von Condor. Ich habe gestern schon online eingecheckt, frage mich aber, ob ich dadurch Zeit eingespart habe, denn beim Baggage-Drop ist nur ein Schalter besetzt, und die Schlange schiebt sich sehr zäh um die Kurven. Aber dann ist es geschafft, und ich bekomme auch noch eine „richtige“ Boardkarte. Warum man sich überhaupt die Mühe machen soll, am heimischen Version eine Papierversion auszudrucken, erschließt sich mir nicht, aber was weiß ich schon.
Traditionsgemäß fahre ich noch ins Terminal 2 und stelle fest, dass dort einiges umgebaut wurde. Als ich das letzte mal hier war, hatte McDonalds doch noch keine Lounge-Möbel? Es ist jetzt, am Samstagmittag, jedenfalls ganz schön voll hier, und ich versuche gar nicht mir irgendwo einen Platz mit Aussicht zu erkämpfen, sondern mache mich bald wieder auf den Weg zum Terminal 1. Auf dem Weg zu den Gates liegt die Passkontrolle, und die kann man hier inzwischen auch im automatischen Verfahren passieren. Ich schiele mal kurz nach links und rechts, wie die anderen Leute das machen. Aha, zuerst den Pass scannen, dann darf ich weitergehen und auf einen Monitor schauen. Gerade als ich mich frage, wie lange ich wohl noch geradeaus starren muss, schwingt die Tür zur Seite und ich darf passieren. Hat mich jetzt der Computer tatsächlich auf meinem Passbild erkannt? Oder sitzt doch irgendwo noch jemand, der auf einem Monitor die Fotos vergleicht? Mir kommt das jedenfalls unheimlich vor.
Der Flieger der Condor steht schon am Gate B43.

Direkt daneben liegt die Lufthansa-Senator-Lounge. Da durfte ich bei der Japan-Reise rein, heute ist mir der Weg verschlossen und ich suche mir einen Sitzplatz am Gate, lese ein wenig und beobachte die Leute um mich herum. Über eine Stunde vor dem Abflug stehen schon die ersten nervösen Passagiere vorne an den Schaltern und formieren sich zu einer schnell wachsenden Schlange. Menschen, die im Blickfeld einer strengen Dame stehen, werden Zielscheibe von Handgepäckkontrollen. Ich bekomme mit, dass eine Passagierin für ihr zu schweres Handgepäck zahlen muss. Nach ihrem wütend-entsetzt-ungläubigen Gesichtsausdruck zu urteilen, muss es ziemlich viel sein. Andere bleiben unbehelligt. Anscheinend beschränkt man sich auf Stichproben bei den Trolleys.
Der Flieger startet dann mit leichter Verspätung. Wir fliegen über die Nordsee und nördlich von Island Richtung Grönland. Dabei haben wir zeitweise unseren eigenen Regenbogen dabei, sehr hübsch.

Der Kapitän begrüßt uns mit dem Hinweis, dass wir heute in einem besonders schönen Flugzeug sitzen. Was er damit meint, erklärt er allerdings nicht. Zumindest sieht alles sehr neu aus, und ich kann erst mal keinen Kritikpunkt finden. Der berühmt-berüchtigte Sitzabstand kommt mir nicht geringer vor als auf anderen Linienflügen. Um den stinknormalen Platz zu bekommen, auf dem ich gerade sitze, musste ich allerdings vorab 30 Euro zahlen, ganz schön happig. Aber bei der Vorstellung, 10 Stunden lang auf einem Mittelsitz zwischen zwei fremden Menschen eingesperrt zu sein, habe ich sie dann halt doch gelöhnt, um einen Fensterplatz zu bekommen. Wer möchte, kann sich für 8 Euro das komplette Unterhaltungsprogramm freischalten lassen. Ohne einen solchen Freischaltcode kann man zwei Filme und eine Serienfolge schauen und den Beginn jeweils zeitlich frei wählen. Ich stöbere erst mal im umfangreichen kostenlosen Musikprogramm und schaue dabei mein Lieblingsprogramm, nämlich die Wo-fliegt-unser-Flugzeug-gerade-und-wann-sind-wir-endlich-da-Anzeige. Nach etwa 2 Stunden gibt es Essen. Wer keine Sonderwünsche bestellt (und bezahlt) hat, bekommt ohne weitere Auswahlmöglichkeit Pasta mit Soja-Bolognese-Sauce, aber die schmeckt tatsächlich lecker, wenn ich mir auch etwas mehr Sauce gewünscht hätte. Aber vielleicht ist es tatsächlich besser, im Flugzeug nicht zu viel wild umherspitzende Bolognese-Sauce anzubieten. Dazu gibt es einen Salat, ein Laugenteilchen und Käse und einen cremigen Schokokuchen. Ich bin zufrieden und beschließe dann beim Gedanken an meine Steuerrückerstattung, mir zusätzlich noch einen Wein zu gönnen, was mit 4,50 Euro zu Buche schlägt. Dass man für alkoholische Getränke zahlen muss, finde ich absolut in Ordnung. Ansonsten muss man halt selbst entscheiden, ob man sich mit diesem Basis-Flugangebot mit kostenpflichtigen Zusatzausgaben anfreunden kann. Ich bin selbst ein wenig skeptisch. Andererseits: Wenn Condor plus Sitzplatz plus Entertainment plus Alkohol immer noch deutlich günstiger ist als der einzige alternative Direktflug mit Lufthansa, passt der Preis halt doch.
An der Küste Grönlands kann man noch kurze Zeit Eisberge und Gletscher sehen, bevor eine dicke Wolkenschicht alles bedeckt.



Langsam beginnt sich der Flug in die Länge zu ziehen. Noch fünf Stunden, noch viereinhalb... Wir lassen Grönland hinter uns und fliegen über das kanadische Festland. Ich fülle schon mal die Zollerklärung aus. Zwei Stunden vor der Landung gibt es dann noch einen Snack, nämlich eine Frikadelle mit Kartoffelsalat und eine kleine Laugenbrezel, dazu ein Stück Kuchen. Ich schwanke zwischen Übermüdung und Aufregung, und natürlich fallen mir pünktlich beim Landeanflug trotz leichter Turbulenzen die Augen zu und ich werde vom poltrigen Aufsetzen wieder wach. Es ist kurz nach sechs, wir sind mit leichter Verspätung gelandet, aber wir sind endlich da.
In Vancouver regnet es leider, aber das ist erst mal egal. Jetzt will ich vor allem raus aus dem Flieger und rein nach Kanada. Bei der Immigration werde ich von einem sehr ernsten jungen Mann ausgequetscht. Bin ich alleine unterwegs, was will ich hier, wohin fahre ich, wo übernachte ich, was bringe ich nach Kanada mit? Dann bekomme ich aber doch den Stempel in den Pass. Mein Koffer zickt auch erst mal ein bisschen. Die meisten Leute haben ihr Gepäck schon, als ich immer noch am Band stehe und warte. Das sorgt dann schon für leichte innere Anspannung. Aber schließlich kommt der Koffer doch aufs Band gerutscht, und ich spaziere unbehelligt durch die Zollkontrolle.
Jetzt geht’s zu Alamo, und die residieren wie die anderen Autovermieter im Parkhaus direkt neben dem Terminal. Ich habe einen Compact Car gebucht. Damit wäre ich auch absolut zufrieden, aber ich bekomme eine Nummer größer, nämlich einen Intermediate Car, einen Hyundai Elantra. Der füllt seine Parkbucht locker aus, zählt hier zwischen den vielen Fullsize SUVs aber immer noch zu den „Small Cars“. Der Lack sieht aus wie neu, der Tacho weist 14.000 km aus, und nachdem ich mich ein wenig mit dem Auto angefreundet und das Navigationsgerät programmiert habe, geht’s raus auf Kanadas Straßen. Vor der Abreise habe ich mir im Internet noch einen Auffrischungskurs zum Thema Automatikfahren gegönnt, und so komme ich ohne peinliche Zwischenfälle hinaus aus dem Parkhaus.
Heute will ich für eine Nacht im Holiday Inn Richmond Riverport übernachten, bevor ich morgen früh die Fähre von Tsawwassen nach Swartz Bay auf Vancouer Island nehmen will. Die Fahrt auf klatschnassen Straßen dauert etwa 15 Minuten. Ich wundere mich ein wenig über die Äste, die überall am Straßenrand liegen. Räumen die hier in Kanada denn nie auf? Dann komme ich schließlich kurz vor acht Uhr am Hotel an.
Komisch, in der Lobby ist alles dunkel. Es sieht fast als wäre das Hotel völlig verlassen, wenn da nicht die Koffer im Eingang stehen würden und an der Rezeption im spärlichen Licht ein paar Gestalten zu erkennen wären. Wer immer sich hier um die Beleuchtung kümmert, mag es offensichtlich sehr romantisch. Ich mag es im Moment weniger romantisch, aber dann erfahre ich, dass in ganz Vancouver seit heute mittag der Strom ausgefallen ist. Im Hotel behilft man sich mit Taschenlampen. Ob ich trotzdem hier übernachten wolle?
Nach der langen Anreise will ich sowieso bald schlafen, das Hotel ist schon mit Punkten bezahlt, und wohin sollte ich denn sonst wollen, wenn es überall keinen Strom gibt. Also checke ich ein, bekomme eine Taschenlampe und zum Glück ein Zimmer im Erdgeschoss, schließlich funktionieren ja auch die Aufzüge nicht. Ein bisschen gruselig ist es ja schon, mit der Taschenlampe durch die Hotelflure zu stolpern, vor allem als mir aus dem Dunkeln noch ein undefinierbares Quietschen und Poltern entgegenkommt, das sich als Mitarbeiter mit Gepäckwagen entpuppt. Aber das Zimmer ist schnell gefunden. Und eine halbe Stunde später, als ich mich gerade im Taschenlampenlicht häuslich eingerichtet habe, geht dann auch das Licht wieder an. Der Stromausfall ist anscheinend vorbei.
Ich schreibe noch eine E-mail nach Hause und falle dann todmüde ins Bett. Ich bin in Kanada angekommen. Morgen soll es mit der Fähre nach Vancouver Island gehen. Ich freue mich aufs Meer und auf Victoria, die angeblich britischste Stadt außerhalb Großbritanniens.
Gute Nacht!