Autor Thema: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit  (Gelesen 46535 mal)

Birgit

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Jemand Lust auf Rumänien?

Mit einem schönen Mietwagen...



und Hotels in guter Lage, manchmal direkt am Wasser...



mit guter Ausstattung...



ein Land mit herrlichen Landschaften...



und interessanten Städten...



entdecken?

Nein? Echt nicht? Ja, ja, genau dieses Bild hatte auch ich von Rumänien bis ich in Bukarest aus dem Flieger stieg… Und na klar, das ist eine Seite des Landes, das als "Armenhaus Europas” bezeichnet wird, aber das Land hat noch viele andere überraschende Seiten, die kaum jemand kennt, sodass kaum jemand auf den Gedanken kommt Rumänien zu besuchen. Und so schaute auch ich in erstaunte Gesichter, als ich meine Reisepläne kund tat. Rumänien? Was willst du denn da? Ja, was wollte ich da?

Na los, diskutieren wir das noch einmal bei einer guten Limonade, die es dort überall gibt und einem guten Essen, OK?





Und ihr werdet sehen, dass "die gute alte Zeit" in Rumänien keineswegs bedeutet sozialistische Relikte aufzuspüren, sondern dass die Zeit mancherorts dort offenbar schon viel, viel früher stehen geblieben ist. Los geht's!

Im Grunde gerade erst aus Indien zurück, habe ich noch eine Woche Urlaub zu verplanen, den ich nicht in der Hauptsaison verbringen will.

Aber wohin soll es gehen? Eine Woche Mallorca mit Mietwagen und zwei verschiedenen Unterkünften (keinen ordentlichen Flug zu vertretbarem Preis gefunden). Gibt es vielleicht ein Flugschnäppchen in irgendeine exotische Stadt (leider nicht). Oder fahre ich mit dem Auto an die oberitalienischen Seen (angesichts der Unterkunftspreise schnappe ich nach Luft) oder in die Bretagne (bestimmt noch zu kalt)? Nach vielem Überlegen wird es etwas ganz anderes - Rumänien!

Schon vor zwei Jahren berichtete eine liebe Kollegin, dass sie dort ihren Urlaub zu verbringen gedenke. Verrückte Idee, oder? Wer fährt schon dorthin??? Und sie ist heile und begeistert zurück gekommen.

Aber was weiß ich denn über Rumänien? Vor vielen Jahren flimmerten zu Weihnachten verschneite Bilder über die Mattscheibe. Sie zeigten die Hinrichtungen Ceausescus und seiner Frau.

Einige Jahre später spendete ich immer wieder abgelegte Kleidung für Rumänien an eine Organisation, die unter anderem ein armes Kinderheim ohne Fenster unterstützte. Dieses übrigens Folge von Ceausescus Ansinnen Abtreibung unter Strafe zu stellen, woraufhin die Waisenhäuser überquollen und die Anzahl der Straßenkinder stieg.

Und dann erinnere ich mich an meine erste Flugreise im Alter von 6 Jahren. Mit einer befreundeten Familie ging es im Sommer 1975 an die Schwarzmeerküste zum Badeurlaub nach Mamaia, wo wir die Errungenschaften des Sozialismus bewundern und den Strand der Schwarzmeerküste genießen durften. In dem Urlaub lernte ich das Schwimmen. Immer, wenn ich in dem Hotel allein unterwegs war, blieb der Aufzug stecken und die Fahrstuhlführerin klopfte an die Tür und rief um Hilfe, damit wir befreit werden.





Und da will ich hin, trotzdem  in Erfurt fast jeder besorgt schaut und die Stirn runzelt, denn Rumänien haben gelernte DDR-Bürger normalerweise in nicht sehr guter Erinnerung.

Jedoch landet bei einem Reiseführerstöbern ein dicker Reiseführer über Rumänien in meiner Tasche und einige Tage später kann ich stolz verkünden, dass der Flug gebucht ist.

Und plötzlich treffe ich auf einige Leute, die zwar alle noch nicht dort waren, es jedoch durchaus mal ins Auge fassen würden oder die Leute kennen, die schon dort und begeistert waren.

Andrea

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #1 am: 09. Juli 2015, 23:05:10 »
So jemanden habe ich beim Geocachen am Rhein getroffen.  ;D Und Heikos Schwager erzählte schon vor einigen Jahren von einer Dienstreise nach Rumänien, wie abgefahren dieses Land ist - nahezu schizophren: Einerseits vor Jahrzehnten stehengeblieben und andererseits sehr weltoffen und in Aufbruchstimmung. Daher sehr schönes Intro in deinen Bericht und ich will mehr wissen und sehen!
Liebe Grüße, Andrea



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serendipity

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #2 am: 09. Juli 2015, 23:06:47 »
Yeah, darauf bin ich schon die ganze Zeit gespannt - ich gehe aufgrund der kurzen Beine allerdings sofort auf die Rückbank und freue mich auf den Bericht!

Birgit

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #3 am: 09. Juli 2015, 23:29:01 »
Zitat
wie abgefahren dieses Land ist

Ja du, total abgefahren: Fängt schon bei der Speisekarte an, auf der Gerichte wie "Muschi de Vita" und "Piept de pui" zu finden sind ;)

Andrea

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #4 am: 09. Juli 2015, 23:37:18 »
"Katze des Lebens" und "Piept vom Pfui"?  Maaaaahlzeit! :totlach:
Liebe Grüße, Andrea



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Birgit

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #5 am: 09. Juli 2015, 23:51:18 »
Zum Glück zaubern die Kellner immer von irgendwoher eine englische Karte hervor, sonst hätte ich sicher so manches Mal wunderliche Gerichte bekommen, wenn ich einfach auf 3 Sachen auf der Karte gezeigt hätte, z. B. Fisch mit Vanilleeis und gerösteten Zwiebeln oder so...

Silvia

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #6 am: 10. Juli 2015, 09:54:07 »
Da bin ich auch mit von der Partie. Karpaten, Transsilvanien, Moldauklöster ... ich bin gespannt was du uns zeigst.   ;D

Birgit

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #7 am: 10. Juli 2015, 11:00:06 »
Moldauklöster leider nicht, dahin habe ich es nicht mehr geschafft...

Paula

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #8 am: 10. Juli 2015, 13:08:18 »
Zum Glück zaubern die Kellner immer von irgendwoher eine englische Karte hervor, sonst hätte ich sicher so manches Mal wunderliche Gerichte bekommen, wenn ich einfach auf 3 Sachen auf der Karte gezeigt hätte, z. B. Fisch mit Vanilleeis und gerösteten Zwiebeln oder so...

sowas gab es in Korea und da heißt das "Fusion style"  :)

ich bin gerne mit dabei  8)

die abgebildete Toilette hätte auch von meinem Frankreich Urlaub stammen können, da habe ich sie aber nicht fotografiert  ;)

und das Auto erinert mich an meinen Sri-Lanka Urlaub. eine Kopfstütze vorne scheint es ja zu haben, gabs auch Sicherheitsgurte? Na immerhin bist du wohlbehalten zuhause angekommen sonst könntest du ja keinen Reisebericht schreiben, ich bin schon sehr gespannt!
Viele Grüße Paula

Birgit

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #9 am: 10. Juli 2015, 14:23:05 »
Paula, keine Sorge, all diese Bilder im Kopf lösen sich gleich in Wohlgefallen auf ;)

DO, 21.05.2015: Erfurt - Berlin

Und wieder droht ein Streik mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die Bahn will streiken, ausgerechnet, als ich zum ersten Mal im Leben ein Rail and Fly gebucht habe. Na gut, also flugs noch einen Parkplatz in Berlin dazugebucht und los geht’s. Rail and Fly kann mich mal, und zwar für die nächsten 46 Jahre meines Lebens wieder!

Ich arbeite bis zum Mittag und mache mich dann auf den Weg. Pustekuchen, ich bin keinesfalls schon um 18 Uhr oder so in Berlin, sondern - da die S-Bahnen noch nicht wieder fahren, obwohl die Bahn mir zu Ehren seit heute Morgen auf das Streiken verzichtet, erst nach 20 Uhr. Zu meiner Freude haben die Läden am Alex bis 21 bzw. 22 Uhr geöffnet. Das nutze ich aus und erwerbe in Rekordzeit noch einen Koffer voll Hosen, Shirts und Schuhe. Ich setze mich in die erstbeste Kneipe unter’m Funkturm, eine gnadenlose Touriabzocke und schaffe es so gerade noch ein Chili con carne (Note 4) und einen Cocktail (Note 2+) zu verzehren, bevor das Publikum (Note 5-) mich in die Flucht schlägt. Na ja, morgen geht es ja noch früh genug los, also kann ich auch ins Bett im altbewährten H2 direkt nebenan.

Birgit

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #10 am: 10. Juli 2015, 23:24:34 »
FR, 22.05.: Berlin - Bukarest - Donaudelta

Um 5.30 Uhr ist die Nacht herum. Ich erbettele mir, noch vor offiziellem Frühstücksbeginn um 6.30 Uhr einen Kaffee und ein Brötchen am Buffet zu bekommen und checke gegen 7 Uhr aus. Meine ewige Sorge, ich bleibe im Stau stecken und verpasse den Flug, ist unbegründet.

Bei Mc Parking am Flughafen Tegel werde ich von zwei Berliner Originalen in Empfang genommen. Offenbar bin ich die einzige, die für die angesagte Ankunft um 7 Uhr noch aussteht, jedenfalls werde ich mit Namen begrüßt und mein Auto darf für die kommenden 11 Tage ganz vorne auf den Frauenparkplätzen Platz nehmen.

Schnell noch das Silberkettchen mit dem Kommunionskreuz meiner Mutter angelegt, das diese mir in Sorge um mein Wohlergehen noch fix nebst eine Knoblauchzehe geschickt hat, und es kann losgehen.



Am Flughafen Tegel ist die Hölle los, Air Berlin hat eine halbe Stunde Verspätung, aber alles läuft ansonsten prima. Der Mittelplatz in meiner Reihe bleibt frei, und so können mein Nachbar, der im gleichen Reiseführer schmökert, und ich uns zwei Stunden lang ausbreiten.

Am Flughafen Bukarest befinde ich, dass er und Tegel sich nicht sehr viel geben, Bukarest hat aber wohl noch die Nase vorn.

Aus mir unerfindlichem Grund werde ich bei Hertz vorgezogen, werde sozusagen nebenbei abgefertigt und persönlich zum Shuttle geleitet. Hat man vielleicht mitbekommen, dass ich diejenige bin, die über Sunny Cars gebucht hat und will es sich mit denen nicht verderben? Immerhin habe ich gegen Aufpreis einen Service gebucht, der mir ein neues Auto und vor allem schnelles Einchecken gewährt. Das soll sich nun wohl auszahlen.

Und was wird es nun für ein Auto? Böse Zungen  behaupten, es würde mit Sicherheit ein Eselskarren. Jedenfalls bekomme ich statt dessen einen nagelneuen Hyundai i30 mit 1000 Kilometern und 6 Gängen. Ich hoffe, ich bringe das gute Stück unbeschadet wieder her am Ende des Urlaubs. Ach ja, und Maut sei alles schon bezahlt, darum bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen, teilt man mir auf Nachfrage mit.



Und auf geht’s. Nach dem Durchquälen durch den Freitagsnachmittagsstau rund um die Millionenstadt geht es gleichmäßig auf leerer Autobahn dahin Richtung Constanta. Zu beiden Seiten riesige Felder, jedes Feld reicht bis zum Horizont, und der ist weit, denn es ist hier ebenso flach wie in der Prärie Wyomings oder an der Nordseeküste.

Ab Constanta, wo übrigens auch das schon erwähnte Mamaia liegt, das von mir heute aber unbesucht bleibt, kann man immer mal rechts das schwarze Meer sehen, das blau in der Sonne blitzt.

Übrigens wäre durchaus Badewetter, das Thermometer zeigt durchgehend um die 30 Grad an.

Ein kurzer Halt in Babadag, einem Ort mit großer türkischer Bevölkerung. Statt der Moschee fotografiere ich aber lieber die idyllische Kirche, bevor ich mich auf die letzten Kilometer Fahrt ins Donaudelta mache.



Im warmen Nachmittagslicht durchquere ich noch einige Dörfer, in denen alte Männer mit Bärten und die zugehörigen Frauen mit Kopftuch in der Sonne sitzen. Hier kommen mir auch die ersten Pferdefuhrwerke entgegen. Die meisten Häuschen hier sind saniert, nur selten grüßen die Bauten noch in sozialistischem beige-grau, viele Häuser sind mit Stroh gedeckt. Vor den Häusern stehen Bänke, zwischen den Bänken sind Blumen gepflanzt.

Schade, solche Dörfer habe ich später nicht mehr gesehen. Ich hätte doch mal halten und die netten Häuschen mit den vielen Blumen davor knipsen sollen...

Ich halte unterwegs noch einige Mal um die ersten Schilfhalme und Storchennester zu fotografieren, und auch eine Burg, die auf einem Berg inmitten grüner Wiese liegt.













Gegen 19.30 Uhr komme ich in Danuvatu de Jos an, wo es im New Egreta Hotel ein tolles Zimmer mit Balkon und Blick über den Pool und die Arme des Donaudeltas und leckeren Zander gibt. Auch hier werde ich namentlich begrüßt, noch bevor ich grüßen kann.





Mir sind auf der Fahrt hierher schon fast die Augen zugefallen, und so mache ich früh das Licht aus. Morgen sehe ich hoffentlich mehr von der Gegend!

Lohnenswerte Sehenswürdigkeiten: Hübsche Dörfer zwischen Babadag und Danuvatu de Jos, wenn man über die 222 fährt.

Andrea

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #11 am: 11. Juli 2015, 00:02:26 »
Frau Birgit, das ist alles schon mal sehr sehr schön - lustig, dass die dich alle schon kennen  ;D
Liebe Grüße, Andrea



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Horst

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #12 am: 11. Juli 2015, 07:59:44 »
Ein bis dahin weißer Fleck auf der Forenkarte wird erobert - na da bin ich dabei.
Sag Bescheid wenn man Kreuz und Knoblauch hochhalten muss.  8)
Ich bin mit dem, was Du sagst, nicht einverstanden, aber ich werde bis zum Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen. Voltaire.

Paula

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #13 am: 11. Juli 2015, 08:04:57 »
Sag Bescheid wenn man Kreuz und Knoblauch hochhalten muss.  8)

Das ist gut Horst  :totlach: :totlach: :totlach:

Mensch Birgit ich bin ja gerade ein bisschen neidisch auf deinen schicken Wagen, wir haben nämlich in Frankreich auch einen Premiumwagen gebucht und dafür einen Dacia Sandero bekommen!
Viele Grüße Paula

serendipity

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Re: Rumänien: Unbekanntes Europa - eine Reise in die gute alte Zeit
« Antwort #14 am: 11. Juli 2015, 19:02:01 »
Das ist aber lieb von deiner Mama  ;) - ich hoffe doch, es muss nicht zum Einsatz kommen!

Die Kirchen gefallen mir, sie haben schöne bunte Gemälde an der Fassade, etwas, was wir ja so nicht kennen. Warst du auch drin?

Storchennester liebe ich, da war ich in Marokko total glücklich soviele vor die Linse zu bekommen!

Die Außenanlage deines ersten Hotels sieht ja toll aus - auch der Blick aus deinem Fenster! Darf ich fragen,was du z.B. dort oder überhaupt im Durchschnitt für die Nacht bezahlt hast, Frau Birgit?